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Dagmar Wöhrl (CDU/CSU), Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung © DBT/Urban
Biosprit ist angesichts der schlechten Kohlendioxidbilanz dieses Kraftstoffs und der negativen Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion wegen des Anbaus von Energiepflanzen für Dagmar Wöhrl "auf Dauer keine Lösung". Die Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bestreitet im Interview, dass ein Biosprit-Export langfristig im Interesse der Dritten Welt liegt. Allerdings bezweifelt die CSU-Abgeordnete den Nutzen eines EU-Importverbots für Agrotreibstoffe. Diese Forderung erhebt ein Antrag der Linksfraktion (17/10683), über den der Bundestag am Freitag, 28. September 2012, eine halbe Stunde lang diskutiert. Die Linksfraktion plädiert zudem dafür, das von der EU für 2020 proklamierte Ziel einer zehnprozentigen Beimischungsquote von Biosprit im Benzin aufzugeben. Das Interview im Wortlaut:
Biosprit ist höchst umstritten. Wie sind aus Ihrer Sicht Agrokraftstoffe zu bewerten: Ist das an sich etwas Positives?
Das war anfangs eine gut gemeinte Öko-Vision. Inzwischen aber hat die Praxis erhebliche Probleme und Komplikationen offenbart. Die Klimaziele, die man erreichen wollte, wurden verfehlt, weil die Kohlendioxidbilanz schlechter als erhofft ist: Die Schadstoffeinsparung durch Biosprit im Benzin wird konterkariert durch die Kohlendioxidabgabe, die beim Anbau der entsprechenden Energiepflanzen entsteht. Zu bedenken ist auch die Konkurrenz zwischen Tank und Teller: Die für die Herstellung von Biosprit benötigten Flächen gehen für die Nahrungsmittelerzeugung verloren. Agrotreibstoffe werden wohl nur für einen begrenzten Zeitraum als Instrument beim Kampf gegen den Klimawandel dienen können.
Der EU-Beschluss, dem Benzin bis 2020 zehn Prozent Biosprit beizumischen, hat dazu geführt, dass weltweit und gerade in der Dritten Welt auf Äckern die Produktion umgestellt wird oder Regenwälder umgenutzt werden. Wirtschaftlich erscheint dies eigentlich sinnvoll, können doch ärmere Staaten mit solchen Ausfuhren Geld verdienen.
Es ist nicht zu bestreiten, dass sich mit einem solchen Export viel Geld verdienen lässt, die jeweiligen Unternehmen haben daran auch ein hohes Interesse. Auf lange Sicht hilft dies den betreffenden Ländern aber nicht, im Gegenteil, es entstehen neue Probleme, etwa durch ökologische Schäden. Man denke zum Beispiel an Indonesien, wo viele Wälder gerodet werden, um Palmölplantagen anzulegen. Auf Dauer hilft diesen Staaten nur die Entwicklung eines nachhaltigen Wirtschaftens.
Vielfach wird kritisiert, dass die Biosprit-Produktion besonders in Entwicklungsländern zum Leidwesen der armen Bevölkerung zur Verknappung von Nahrungsmitteln und so zum Preisanstieg bei Lebensmitteln führt. Wie berechtigt sind diese Vorwürfe? Die Einnahmen durch Biosprit-Exporte könnten ja auch in die heimische Landwirtschaft fließen.
Leider kommen die Gewinne aus solchen Ausfuhren der Bevölkerung nicht zugute, die hat davon nichts. Die Auswirkungen der Biosprit-Herstellung auf die Nahrungsmittelversorgung in der Dritten Welt sind wissenschaftlich im Detail zwar noch nicht abschließend untersucht. Aber es gibt klare Anzeichen, dass auf diese Weise die Verknappung und Verteuerung von Lebensmitteln massiv befördert wird. Die Versorgung vor allem der armen Bevölkerung wird erheblich beeinträchtigt, weil Anbauflächen für Nahrungsmittel nicht mehr im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen. Lebensmittel müssen eingeführt werden, doch dafür fehlt oft das Geld. Auch deshalb drohen mancherorts Hungersnöte.
Die EU will durch eine Zertifizierung sicherstellen, dass importierter Biosprit nicht von Flächen stammt, die zuvor wertvolle Torfgebiete, Regenwälder oder Savannen waren. Dieses Konzept scheint aber zu verpuffen. Die Zertifizierung erfasst beispielsweise nicht den Trick, zwar normale Äcker für die Agrokraftstoff-Herstellung zu nutzen, im Gegenzug jedoch Regenwälder für den Nahrungsmittelanbau zu roden.
Die Zertifizierung durch die EU war sicher gut gemeint. Dieses Modell kann zwar in Einzelfällen nützlich sein, hilft aber nicht viel bei der Lösung des Problems. Die Zertifizierung durch diverse Siegel kann nun mal unterlaufen oder umgangen werden. Zudem werden auf diese Weise die zahlreichen illegalen Abholzungen von Regenwäldern nicht erfasst. Der Kern des Übels liegt ganz woanders: In vielen Staaten der Dritten Welt existieren keine Katasterämter und keine Flächennutzungspläne, und wenn das fehlt, dann sind Kontrollen nur schwer möglich.
Mutet angesichts der nachteiligen Auswirkungen der Biosprit-Produktion in Entwicklungsländern die Forderung nach einem EU-Importverbot für solche Treibstoffe nicht sinnvoll an?
Auf den ersten Blick mag das so erscheinen. Doch ein von der EU verhängter Einfuhrstopp kann allein nur wenig helfen. Die EU ist gar nicht der Hauptabnehmer von Biosprit auf dem Weltmarkt, in den USA oder in Schwellenländern wie Brasilien und China spielen Agrokraftstoffe eine viel größere Rolle. Zur Lösung des Problems brauchen wir internationale Vereinbarungen mit global abgestimmten Maßnahmen.
Ist es nicht angebracht, den EU-Beschluss zur Beimischung von zehn Prozent Biosprit ins Benzin zu revidieren?
Die Befassung mit solchen Quotenfragen bringt uns nicht viel weiter. Biosprit ist auf Dauer keine Lösung. Wir müssen grundsätzlich neu nachdenken, wie wir unsere Mobilität morgen intelligent und nachhaltig organisieren.
(kos/21.09.2012)