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Seit 22 Jahren ist Deutschland wiedervereinigt. Seit 22 Jahren wird auch das politische Ziel verfolgt, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu schaffen. In wieweit dieser Prozess vorangekommen ist, lässt sich in dem Jahr für Jahr von der Bundesregierung vorgelegten Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit nachlesen. Im Bericht 2012 (17/10803), den der Bundestag am Freitag, 9. November 2012, ab 14.10 Uhr 45 Minuten lang erstmals berät, kommt die Regierung zu der Einschätzung: "Die Angleichung der neuen Bundesländer an das hohe Wirtschafts- und Wohlfahrtsniveau der alten Bundesländer ist weiter vorangekommen. Dennoch ist der Abstand zwischen Ost und West bis heute beachtlich geblieben."
In dem Bericht wird darauf verwiesen, dass die Wirtschaftsstruktur Ostdeutschlands sich in den vergangenen zwei Dekaden grundlegend verändert habe. "Es ist eine international wettbewerbsfähige, mittelständisch strukturierte Wirtschaft entstanden", schreibt die Regierung.
Die neuen Länder seien allerdings auch heute noch durch viele gemeinsame strukturelle Merkmale und Herausforderungen gekennzeichnet, die ein noch fortbestehendes Defizit im Hinblick auf die Angleichung an die westdeutschen Bundesländer dokumentierten.
Zugleich würden sich unterschiedliche räumliche Wirtschafts- und Branchenschwerpunkte sowie demografisch bedingte Differenzierungen herauszubilden beginnen. "Das Bild eines einheitlichen Raumes zwischen Ostsee und Erzgebirge ist daher immer weniger zielführend; auch die alten Bundesländer bilden keinen homogenen Raum", machen die Autoren deutlich.
In Zahlen bedeutet dies laut Jahresbericht: Das ostdeutsche Bruttoinlandsprodukt je Einwohner liegt inzwischen bei 71 Prozent des westdeutschen Niveaus. Selbst beim Vergleich der ostdeutschen Länder, einschließlich des Stadtstaats Berlin, mit den strukturschwachen westdeutschen Flächenländern wie Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Saarland sowie dem Stadtstaat Bremen, ergäbe sich ein Niveau von knapp 80 Prozent, heißt es in dem Bericht.
"Erfreulich entwickelt" hat sich nach Angaben der Bundesregierung in den letzten Jahren der Arbeitsmarkt. "Die Arbeitslosigkeit ist im Jahresdurchschnitt 2011 mit 11,3 Prozent auf den bislang niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung gesunken", heißt es dazu. Zugleich hätten Erwerbstätigkeit und insbesondere die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung weiter zugenommen.
Insgesamt liege die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland im Durchschnitt höher als in den westlichen Bundesländern. Dabei bestünden aber deutliche regionale Unterschiede. "Einige ostdeutsche Regionen weisen durchaus auch geringere Arbeitslosenquoten auf als einzelne Regionen Westdeutschlands", stellt die Regierung in ihrem Jahresbericht fest.
Im Verlauf der einstündigen Debatte diskutieren die Abgeordneten mit dem Bund-Länder-Bericht zum Programm Stadtumbau Ost (17/10942) noch eine zweite Regierungsvorlage. Eine der Kernaussagen der Unterrichtung lautet: Die meisten Regionen der neuen Länder werden in den kommenden 15 Jahren nochmals mehr als 20 Prozent der Bevölkerung verlieren. Positive Bevölkerungsentwicklungen würden sich nur für wenige Zentren und für herausgehobene Tourismusregionen abzeichnen, heißt es weiter.
Der Verlust an Einwohnern werde sich künftig – anders als bislang – unmittelbar auch in einer Reduzierung der Haushaltszahlen niederschlagen, prognostizieren Bund und Länder in ihrem Bericht. Mit Ausnahme Berlins und seines Umlandes sowie weniger erweiterter Stadtregionen würden die neuen Ländern bis 2025 je nach Land zwischen fünf und 15 Prozent ihrer Haushalte verlieren. Insgesamt sei für Ostdeutschland mit einem Verlust von 600.000 Haushalten bis zum Jahr 2025 zu rechnen.
Ein erneuter Anstieg der Leerstandzahlen bei Wohnungen sei in Folge dessen unvermeidlich, heißt es in dem Bericht. Ohne weiteren Rückbau sei im Jahr 2020 mit 1,42 Millionen leer stehenden Wohnungen zu rechnen. "Es stellt sich also derzeit nicht die Frage, ob weiterer Leerstand entstehen wird, sondern wo dieser entstehen wird", machen die Autoren des Berichts deutlich.
Insgesamt müsse in den meisten Wohnsiedlungen aus der DDR-Zeit mit einem erneuten Anstieg der Leerstandszahlen gerechnet werden. Vor allem in kleinen Städten und Gemeinden im ländlichen Raum sei außerdem mit verstärkten Leerstandsproblemen in Einfamilienhausgebieten zu rechnen.
Die SPD hat zum Bericht einen Entschließungsantrag (17/11337) vorgelegt, in dem sie unter anderem fordert, den bis 2019 laufenden Solidarpakt II als "wichtigsten Eckpfeiler für den weiteren Aufbau Ost" nicht anzutasten. (hau/01.11.2012)