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Die Bezeichnung hat eine gewisse Berühmtheit erlangt: Als der spätere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Wahlkampf 1998 sein Schattenkabinett vorstellte, erklärte er Christine Bergmann (SPD) für zuständig für das Ressort "Frauen und das ganze andere Gedöns". 14 Jahre ist das inzwischen her – und über "das Gedöns" wird heftig gestritten: Ob Betreuungsgeld, Kitaausbau oder die Frauenquote – die Familien- und Frauenpolitik steht wieder im Fokus. Ein Beleg dafür, wie stark die Wertschätzung des Politikfelds Familienpolitik inzwischen gewachsen ist?
Sibylle Laurischk (Video), FDP-Abgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Bundestag, ist skeptisch: "In der sprachlichen Wertung ist man heute vorsichtiger, aber ich meine, dass viele Männer bis heute nicht die Bedeutung des Politikfeldes – das der Gesellschaftspolitik nämlich– verstehen." Wenn man auch heute nicht mehr von Gedöns spreche, so sei es doch noch immer kein zentrales Politikfeld. "Deshalb hat man auch die Sprengstoffwirkung des Betreuungsgeldes völlig unterschätzt", sagt Laurischk.
Die Gesellschaftspolitik unterzubewerten, ist aus Sicht der 57-Jährigen ein Fehler: "Wie eine Gesellschaft aufgestellt ist, entscheidet darüber, wie zukunftsfähig sie ist." Gesellschaftspolitik sei Zukunftspolitik. Kein Wunder, geht es dabei um so große Themen wie Familienpolitik, Demografie, Gleichstellung von Frauen und Männern, das freiwillige Engagement in Vereinen und die Rolle der Älteren.
Laurischk, von Beruf Rechtsanwältin für Familienrecht, wechselte deshalb bewusst 2005 nach drei Jahren im Rechtsausschuss in den Familienausschuss. 2009 wurde die Liberale aus Offenburg Vorsitzende des Gremiums.
"Die Aufgabe des Ausschusses ist es, Menschen in allen Lebenslagen zu unterstützen und sich für ihre unterschiedlichen Belange einzusetzen", umreißt Laurischk die Arbeitsziele. Zudem hat der Ausschuss zwei Unterausschüsse eingesetzt, um sich zwei Themenbereichen besonders zu widmen: den Unterausschuss "Bürgerschaftliches Engagement" und die Kinderkommission (Kiko). Diese versteht sich seit ihrer Einsetzung 1988 als Interessenvertretung für Kinder und Jugendliche.
"Der geschützte Raum für Kinderthemen ist schon etwas Einmaliges", findet Laurischk. Weil die Kommission nur im Konsens handeln kann und Fragestellungen daher nicht polarisiert debattiert würden, seien die Anhörungen meist "sehr fruchtbar". Doch die Ausschussvorsitzende verhehlt nicht, dass die Kiko aus ihrer Sicht dringend ein Antragsrecht bräuchte.
Insgesamt gehören dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in der laufenden Legislaturperiode 34 Mitglieder an: Seit seiner erstmaligen Einsetzung in dieser Form nach der Bundestagswahl 1990 ist die Zahl der Ausschussmitglieder stets gestiegen. Derzeit ist die CDU/CSU als stärkste Fraktion mit 13 Abgeordneten vertreten, die SPD mit acht und die FDP mit fünf Abgeordneten. Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen stellen jeweils vier Abgeordnete. Stellvertretende Vorsitzende ist die Sozialdemokratin Christel Humme.
Die Vielfalt der Themen, mit dem sich das Gremium beschäftigt, ist groß. Ebenso wie das Arbeitsaufkommen: In der letzten Wahlperiode waren es allein 1.100 Vorlagen, darunter Gesetzentwürfe, Anträge, Entschließungen und EU-Vorlagen, die der Ausschuss entweder federführend oder mitberatend bearbeitet hat. Natürlich holt er sich dazu auch Expertise von außen. Ob zum Thema Menschenhandel, Intersexualität oder zuletzt zum Betreuungsgeld – stets hat das Gremium Fachleute in einer Anhörung um ihre Stellungnahmen gebeten. Diese finden in der Regel öffentlich im Paul-Löbe-Haus des Bundestages statt.
Darüber hinaus nutzen die Parlamentarier im Ausschuss regelmäßig die Möglichkeit zu Fachgesprächen. Diese fänden dann allerdings meist im "kleinen Kreis"der Fraktion statt, berichtet Laurischk. Vor allem aber profitiere der Ausschuss von den verschiedenen Informationskanälen seiner Mitglieder: "Wir sind ein Kreis von Abgeordneten, die sich kennen. Das ist wie in einer Schulklasse. Wir sind nicht gleich, gehören unterschiedlichen Fraktionen an, trotzdem haben wir eine gemeinsame Grundlage. Da gibt es viele Gespräche, viel Informationsaustausch."
Diese gemeinsame Grundlage mildert auch mache Auseinandersetzung: "Ich empfinde uns im Ausschuss schon als streitbar über Grundsätzliches", sagt die Vorsitzende. "Meist ist die Auseinandersetzung auch stark von den politischen Lagern geprägt – gerade in Gleichstellungsfragen." Dennoch sei allen Mitgliedern klar: "Wir wissen, dass wir ein Feld beackern, das in seiner Bedeutung noch zu wenig verstanden wird. Wir haben einen Blick in die Gesellschaft, den sich andere gar nicht gönnen."
Als Beispiel nennt Laurischk die Integrationspolitik. Diese sollte eigentlich bei einem "gesellschaftlich orientierten Ausschuss"ressortieren, findet sie, nicht bei einem "klassischen machtpolitischen" wie dem Innenausschuss. "Es ist bedauerlich, dass die Machtpolitiker jedweder Couleur die Integrationspolitik nicht als eigenständiges Politikfeld betrachten", moniert Laurischk, die lange Sprecherin der FDP für Integration und Migration war. "Eine weltoffene Gesellschaft, die unterschiedliche Denkweisen und Kulturen integrieren kann, entscheidet mit darüber, wie zukunftsfähig eine Gesellschaft ist. Wer nur in Aufenthalts- und Passfragen denkt, dem erschließt sich das Thema nicht."
Als eines der wichtigen Gesetze der laufenden 17. Legislaturperiode bezeichnet die Vorsitzende das neue Kinderschutzgesetz. Seit Januar 2012 in Kraft, soll es vor allem Kleinkinder vor Vernachlässigung, Gewalt und Missbrauch schützen. Auch die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes zum 1. Juli 2011 sei ein Meilenstein gewesen: "Es stellt die die größte engagementpolitische Initiative in der Geschichte der Bundesrepublik dar."
Besonders am Herzen liegt ihr auch eine Reform des Unterhaltsvorschussrechts, für die die Bundesregierung im Oktober einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht hat. Derzeit werden dem geltenden Unterhaltsvorschussgesetz Kinder Alleinerziehender bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres von den Bundesländern finanziell unterstützt, wenn der andere Elternteil sich seiner Unterhaltspflicht entzieht, dieser nur unzureichend nachkommen kann oder verstorben ist.
Ziel der Reform müsse es sein, erklärt Laurischk, den Bezugszeitraum auszudehnen. Künftig sollten Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr unterstützt werden. "Gerade wenn es um die Anerkennung der Leistung Alleinerziehender geht, ist das ein Signal!"
Laurischk weiß, wovon sie spricht: Sie selbst ist geschieden, zog ihre drei Kinder alleine groß. Ihr gelang es dennoch, Familie und Beruf zu vereinen – und noch dazu in der Politik Karriere zu machen. Als Familien- und Gleichstellungspolitikerin bekennt sie sich als eine der ganz wenigen Liberalen zur Frauenquote.
Sie gehörte sogar zu den Mitinitiatorinnen der "Berliner Erklärung", die einen Frauenanteil von 30 Prozent in den Führungsetagen aller DAX-Unternehmen fordert. "Ich verhehle es nicht: Ich halte die Quote nicht für die allein seligmachende Lösung. Aber sie ist nötig – wie ein Stein, der ins Wasser geworfe, Kreise zieht." Zuweilen eine andere Meinung zu vertreten als die eigene Fraktion, scheut sich Laurischk also nicht.
Als Vorsitzende des Ausschusses hat sie jedoch das "Ganze im Blick": "Man muss aus dieser machtpolitischen Aufstellung, in der man gewohnt ist zu denken, aussteigen", betont Laurischk. Im Grunde sei dies "klassische Parlamentsarbeit": "Ich finde das sehr reizvoll, denn es stärkt das Verständnis für die andere Seite und andere Positionen." (sas/05.11.2012)