Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Bei der öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Krebsfrüherkennung und zu den klinischen Krebsregistern (17/11267) unter Vorsitz von Dr. Carola Reimann (SPD) waren sich die geladenen Experten am Mittwoch, 12. Dezember 2012, in der Sache weitgehend einig. Sie begrüßen es grundsätzlich, dass die Bundesregierung die Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und den flächendeckenden Ausbau von klinischen Krebsregistern mit gesetzlichen Maßnahmen fördern will. Probleme sehen sie in einer mangelnden Konkretisierung einzelner Bestimmungen, insbesondere bei der Umsetzung.
Bei der Anhörung ging es auch noch einmal um Grundsätzliches. Viele Menschen, darunter auch Fachleute, stehen bis heute der Krebsfrüherkennung (Screening) skeptisch gegenüber. Deren Argumenten versuchte der Einzelsachverständige Prof. Wolfgang Hoffmann zu entkräften: "Aus epidemiologischer Sicht gibt es gute Gründe für ein organisiertes Screening".
Selbstverständlich müssten die Patienten über die Früherkennungsmaßnahmen umfassend aufgeklärt und auch über die Risiken informiert werden. "Aber bei einem Verfahren wie beispielsweise Darmspiegelung sind die Risiken so gering, dass alles für die Teilnahme an der Früherkennung spricht", sagte Hoffmann.
Etwas vorsichtiger äußerte sich dazu Prof. Ina Kopp von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Ihrer Ansicht nach kommt es bei der Früherkennung auch darauf an, Nutzen und Schaden einer Teilnahme gegeneinander abzuwägen. "Qualitätssicherung muss auch für die Untersuchungsmethoden gelten", sagte Kopp.
Nach Ansicht von Bernhard Egger vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen und von Regina Klakow-Francke vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) reichen die Maßnahmen des Gesetzentwurfs aber aus, um die Qualität der Früherkennungsprogramme zu sichern. Solche Maßnahmen sollen garantieren, dass Frühstadien der Krankheit tatsächlich erkannt und keine falschen Befunde diagnostiziert werden.
Beide Experten halten es auch für sachdienlich, dass der Gemeinsame Bundesausschuss, das höchste Gremium der Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen, künftig die Altersgrenzen und die Intervalle für die Früherkennung festlegen soll.
Zu den Vorhaben des Gesetzentwurfs gehört es, die bestehenden Krebsfrüherkennungsprogramme in organsierte Krebsfrüherkennungsprogramme zu überführen. Eine wesentliche Maßnahme ist dabei die gezielte Einladung der Versicherten zur Krebsfrüherkennung.
Paul Rheinberger von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wies darauf hin, dass man bei der Einladung zur Früherkennung von Brustkrebs (Mammografie-Screening) künftig auch solche Frauen erreichen müsse, die bisher an solchen Programmen nicht teilgenommen hätten, insbesondere Migrantinnen.
Klaus Koch vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen deutete eine mögliche Lösung an: "Die Informationsmaterialien müssen so ausgestaltet sein, dass sie möglichst viele unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen ansprechen."
Ein flächendeckender Ausbau von klinischen Krebsregistern wird von allen Experten begrüßt. Die Einzelsachverständige Dr. Monika Klinkhammer-Schalke bezeichnete diesen Teil des Gesetzentwurfs sogar als sehr gut gelungen. "Wir können mit den Registerdaten künftig überprüfen, inwieweit die Anwendung von bestehenden Leitlinien zur Krebsbehandlung den Patienten tatsächlich hilft", sagte Klinkhammer-Schalke.
Auch nach Ansicht des Einzelsachverständigen Prof. Johann Wilhelm Weidringer kann der flächendeckende Ausbau von klinischen Krebsregistern zu einer Verbesserung der Behandlung von Krebskranken beitragen. Durch den Vergleich der neuen Registerdaten mit den Daten aus klinischen Einzelstudien ließen sich Qualitätsmängel in der Versorgung feststellen und damit letztlich auch beheben. "Dafür ist es allerdings erforderlich, regionale und nationale Daten so zusammenzufassen, dass man die gewünschten Forschungsvorhaben auch realisieren kann", sagte Weidringer.
Johannes Bruns, der sowohl für die Deutsche Krebsgesellschaft als auch für die Deutsche Krebshilfe sprach, ist ebenfalls der Ansicht, dass mit der Verabschiedung des Gesetzes noch nicht alle Probleme gelöst sind. Nach seinen Worten hat "der GB-A die Aufgabe, durch Richtlinien den hohen Standard von Ländern wie Bayern oder Brandenburg auf alle Länder zu übertragen".
Der Einzelsachverständige Prof. Matthias Beckmann ist davon überzeugt, dass Deutschland über das weltweit beste Leitlinienprogramm für die Behandlung von Brustkrebs verfüge. Mit dem Register könne man künftig prüfen, ob die Patientinnen auch davon profitierten. "Wir können mit den neuen Registerdaten innerhalb von drei Jahren sagen, ob die Leitlinien beim Mammakarzinom auch umgesetzt werden", sagte Bachmann.
Bernhard Egger erklärte, dass der Nutzen der klinischen Krebsregister für die Sicherung der Qualität der Krebsbehandlung davon abhänge, ob die Daten vollständig seien. Er halte es daher für falsch, wenn den Patienten, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, bei Screening-Programmen ein Recht zum Widerspruch gegen die Datenerfassung eingeräumt werde. "Dieses Recht hat der Patientin bei einer Krebsbehandlung auch nicht", gab Egger zu bedenken. (tvw/13.12.2012)