Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Auch wenn über das Ziel, von fossilen und atomaren Energien wegzukommen, völlige Übereinstimmung herrscht, so ist es doch im Bundestag am Donnerstag, 29. November 2012, in der Debatte über das Energiewirtschaftsrecht zu starken Meinungsunterschieden zwischen Koalition und Opposition über den richtigen Weg zum Ziel gekommen. Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) warf den Grünen vor, gegen die Energiewende zu sein. Es gehe jetzt um Milliarden-Investitionen und die Nutzung der Windenergie auf hoher See. Aber das zur Beratung und Beschlussfassung anstehende dritte Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften (17/10754, 17/11269, 17/11705) werde von den Grünen abgelehnt. "Halten wir fest: Die Grünen sind gegen den Ausbau der erneuerbaren Energien, sie sind gegen Offshore-Windenergie. Das ist das wahre Gesicht der Grünen in der deutschen Energiepolitik", sagte Rösler, der außerdem feststellte: "Bei den Roten sieht es nicht viel besser aus."
Die Koalition mache dagegen den Weg für Milliarden-Investitionen frei, lobte Rösler mit Blick auf den mit der Mehrheit von Union und FDP verabschiedeten Gesetzentwurf. Die Oppositionsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen lehnten den Entwurf ab. Zwei Entschließungsanträge der SPD-Fraktion (17/11720) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/11721) wurden bei Enthaltung der Linksfraktion abgelehnt.
Das Gesetz sieht eine Haftung der Netzbetreiber vor, wenn der Küste vorgelagerte sogenannte Offshore-Anlagen auf hoher See nicht rechtzeitig angeschlossen werden können. Dann bekommen betriebsbereite Offshore-Anlagenbetreiber einen Entschädigungsanspruch gegen den anbindungsverpflichteten Übertragungsnetzbetreiber. "Damit die notwendigen Investitionen getätigt werden, müssen eventuelle unternehmerische Risiken im Wesentlichen vorhersehbar sein", begründete die Bundesregierung ihr Vorhaben.
Die Haftung des Übertragungsnetzbetreibers wird allerdings begrenzt und zum Teil über eine "Entschädigungsumlage" auf die Stromverbraucher abgewälzt. Diese neue "Entschädigungsumlage" wird auf eine Höchstgrenze von maximal 0,25 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Bei einem durchschnittlichen Strompreis eines Haushaltskunden von 24 Cent pro Kilowattstunde wird es durch die Entschädigungsumlage nach Angaben der Regierung zu einer Erhöhung des Strompreises um ein Prozent kommen.
Außerdem sieht das Gesetz vor, dass die zuständigen Behörden die Stilllegung von systemrelevanten Kraftwerken untersagen können. Den Unternehmen muss dafür aber eine Kostenerstattung gewährt werden.
Rösler räumte ein, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien Geld kostet. Wer Atomkraftwerke abschalten wolle, brauche Ersatzkapazitäten. "Aber wir teilen die Belastungen gerecht auf", versicherte der Minister, der Windparkbetreiber, Übertragungsnetzbetreiber und Verbraucher nannte. Man habe dafür gesorgt, dass die Belastungen für die Bürger gedeckelt würden.
Klaus Breil (FDP) ergänzte, er gehe davon aus, dass die Entschädigungsumlage nur für drei oder vier Jahre erhoben wird.
Hubertus Heil (SPD) konterte scharf: "Sie fahren gerade die Energiewende an die Wand." Die Energiewende sei eine Riesenchance, wenn man sie richtig angehe, und die Technik könne auch zu Exporterfolgen führen. Die Fähigkeiten dafür seien vorhanden: "Was wir aber nicht haben, ist eine Bundesregierung, die die Chancen nutzt", kritisierte Heil. Die Energiewende sei wie eine Operation am offenen Herzen der Industriegesellschaft und werde durch Unfähigkeit und Chaos in der Koalition zu einem Riesenproblem.
Heil bezeichnete die Nutzung von Offshore-Windenergie als Eckpfeiler einer stabilen Energieversorgung der Zukunft. Es gebe zwar viele Risiken und technische Probleme, gleichwohl sei der Weg richtig. Nur die Regierung und Rösler seien den Problemen nicht gewachsen, sagte Heil, der die Instrumente des Gesetzes als "reine Planwirtschaft" kritisierte und wie die Grünen die Schaffung einer Deutschen Netz AG verlangte, an der sich die staatliche Förderbank KfW beteiligen könne.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) verteidigte das Gesetz, weil damit Planungssicherheit im Offshore-Bereich geschaffen werde. Im Offshore-Bereich seien nur zwei Prozent dessen, was man sich vorgenommen habe, verwirklicht worden. Es gebe technische Gründe, zu wenige Schiffe und Verzögerungen beim Netzausbau.
Pfeiffer erläuterte, zwar kämen in diesem Jahr 25 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, aber gerade im Winter stehe nicht genug Kapazität zur Verfügung. Daher müssten Reserven vorgehalten werden. Außerdem bestehe das Problem, dass bestehende konventionelle Kraftwerke zu selten zum Einsatz kommen, sodass sie nicht mehr rentabel seien. Man brauche im nächsten Jahr insgesamt 2,6 Gigawatt als Reserve. Die zur Sicherung der Reserven vorgesehenen Maßnahmen fielen ihm nicht leicht, "weil es in der Tat ein Markteingriff ist".
Scharfe Kritik an den Energieversorgern übte Dr. Barbara Höll (Die Linke): "Der Profit ist entscheidend, nicht die Versorgungssicherheit." Damit griff die Abgeordnete Drohungen der Energieversorger auf, Kraftwerke stillzulegen, weil sich damit nichts mehr verdienen lasse. So drohe allein in Nordrhein-Westfalen die Stilllegung von 29 Kraftwerken.
Als Grund würden die sinkenden Preise an den Strombörsen genannt. Andererseits würden den Kunden die Preise erhöht: "Wie passt das zusammen?", fragte Höll.
An Schilda fühlte sich Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) erinnert: "Das ist Schilda live. In der Nordsee werden Windparks gebaut, wo kein Netzanschluss ist, und wo ein Netzanschluss ist, haben wir keine Windparks."
Krischer bescheinigte der Regierung, ein Chaos mit Schäden in Milliardenhöhe angerichtet zu haben. Die Folgen der Regierungspolitik könne man in Niedersachsen beobachten, wo bereits Arbeitsplätze verlorengingen. Nach der Fotovoltaik mache die Koalition jetzt eine zweite erneuerbare Energie kaputt. Andererseits würden der Industrie Befreiungen erteilt wie "Kamelle im Kölner Karneval". (hle/29.11.2012)