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Die Folgen der Krise in Griechenland für Kultur und Bildung sind dramatisch. In dieser Einschätzung waren sich die zu einem öffentlichen Expertengespräch im Unterausschuss "Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik" des Auswärtigen Ausschusses unter Vorsitz von Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU) geladenen Experten am Montag, 10. Dezember 2012, einig. Der Etat 2013 für den Kulturbereich sei – vergleichen mit 2010 – um 52 Prozent gekürzt worden, sagte der griechische Botschafter in Deutschland, Dimitris Rallis. 30 Prozent der Arbeitsplätze seien verloren gegangen, fügte er hinzu.
Botschafter Rallis betonte die hohe Bedeutung von Kultur und Bildung für sein Land. "Das gilt nicht nur für die Zukunft, sondern auch für das heutige Leben", sagte er. So seien im Bereich der archäologischen Ausgrabungen viele Arbeitsverträge gekündigt worden. Ebenso wie die öffentlichen Museen, die ebenfalls große Probleme hätten, seien dies Bereiche mit großer Bedeutung für den Tourismus.
Im ganzen Land nehme die Krise spürbaren Einfluss auf das Kulturleben, sagte der Botschafter Griechenlands. So sei auch die Unterstützung für die provinzstädtischen Theater gekürzt worden. Ein großes Problem ist laut Rallis auch die Situation in der Berufsausbildung. Hier benötige man Unterstützung von Deutschland, sagte er. Das Fazit des Botschafters klang daher auch düster: "Ich fürchte, die Krise hat langfristig Einfluss auf Kultur und Bildung", sagte Rallis.
Deutschland lasse Griechenland mit seinen Problemen nicht allein, sagte Hans Joachim Fuchtel (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales und Beauftragter für die Deutsch-Griechische Versammlung (DGV). Mit der DGV habe man eine "geniale Konstruktion" gefunden, die wie ein Baukastenprinzip funktioniere, erläuterte Fuchtel. Für ihn sei durch die Arbeit der DGV deutlich geworden, dass "die Kommunen die Schatzkisten Europas sind". Diese Schatzkiste müsse nun aufgemacht werden, forderte Fuchtel.
So könnten deutsche Kommunen ihren griechischen Partnerkommunen etwa durch ihre Erfahrungen bei der Abfallentsorgung "Lehrgeld ersparen". Wichtig dabei sei ein partnerschaftliches Auftreten. "In Griechenland sagt keiner, dass die Deutschen Besserwessis sind", sagte Fuchtel mit Anspielung auf die Situation in Deutschland Anfang der neunziger Jahre. Die Arbeit der DGV habe schon erste Erfolge gezeigt, sagte der Regierungsbeauftragte. So sei es gelungen, viele griechische Tourismusangestellte außerhalb der oft nur sechs Monate andauernden Saison in Arbeitsverhältnisse in Deutschland zu übernehmen. Auf diesem Wege, so Fuchtel, könnten auch die Vorteile des dualen Systems in der Berufsausbildung nähergebracht werden.
Große Hoffnungen auf das duale System setzt auch das Goethe-Institut, wie dessen Präsident Prof. Dr. Klaus-Dieter Lehmann deutlich machte. Zugleich sei es wichtig, mit der Initiative "Deutsch für den Beruf" die Fachschulen zu stärken, regte er an. Dem Goethe-Institut in Griechenland bescheinigte Lehmann eine "ausgezeichnete Reputation im ganzen Land". Das Goethe-Institut sei eine Art Hoffnungsträger. Die Niederlassung in Athen werde auch für hochpolitische Veranstaltungen genutzt und fungiere dank seiner hervorragenden Bibliothek auch als Bildungsort. Einen guten Kontakt, so Lehmann weiter, habe man auch zu den in Griechenland lehrenden Deutschlehrern, mit denen man ein Programm zur Lehrerfortbildung vereinbart habe.
Die Krise treffe mit den Künstlern eine Gruppe besonders, die ohnehin nicht viel verdienen würde, sagte Gabriele Schulz, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates. Besonders für freiberufliche Künstler sei die Situation schwierig, sagte sie, da nicht nur der Staat weniger für Kunst ausgebe, sondern angesichts allgemein geringerer Einnahmen der Bevölkerung "weniger Bücher und auch weniger Bilder gekauft werden".
Helfen könnte ihrer Ansicht nach die europäische Kulturförderung, in der Griechenland aber schon früher unterrepräsentiert gewesen sei, was sich durch die Krise verschärft habe. "Wenn die Komplementärmittel für die Programme fehlen, können sie nicht stattfinden", sagte Schulz. Ein Lösungsansatz aus ihrer Sicht: Deutsche Organisationen sollten griechische Teilnehmer "huckepack" nehmen, ohne dass das den Deutschen zum Nachteil gereichen dürfe.
In seinem Gesprächen mit griechischen Künstlern sei ihm immer wieder das Problem geschildert worden, dass man nicht wisse, ob für das Land wichtige Institutionen fortbestehen werden, sagte Andreas Richter, Intendant des Mahler Chamber Orchestra.
Richter, der 2011 mit seinem Orchester von der EU-Kommission zum EU-Kulturbotschafter ernannt worden war, verwies darauf, dass es für das bedeutende Athen-Festival im kommenden Jahr noch immer keinen Leiter gebe. Am schwierigsten, so seine Einschätzung, sei die Situation für freischaffende sowie für junge Künstler. "Es besteht die Gefahr, dass mehrere Generationen an künstlerischem Nachwuchs verloren gehen", warnte Richter. (hau/10.12.2012)