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Die Stabilisierung des Finanzmarkts und die Rettung der europäischen Währungsunion zogen sich als Daueraufgabe durch das parlamentarische Jahr 2012. Weitere Beschlüsse bezogen sich auf die Bekämpfung von Rechtsradikalismus, die Einführung einer Blauen Karte für hochqualifizierte Zuwanderer und eines Betreuungsgeldes für Eltern, die keine staatlichen Betreuungsangebote für ihre unter dreijährigen Kinder nutzen. Ein Überblick über wichtige Entscheidungen des Parlaments im zurückliegenden Jahr.
Bankenrettungsfonds: Der 2010 geschlossene Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) für Banken wurde wieder geöffnet. Mit einem zweiten Gesetz zur Stabilisierung des Finanzmarkts (17/8343), das der Bundestag gleich im Januar 2012 beschlossen hat, können inländische Kreditinstitute Gewährleistungs- und Kreditmöglichkeiten bis zu 480 Milliarden Euro beantragen, um zahlungsfähig zu bleiben. Im November folgte das dritte Finanzmarktstabilisierungsgesetz (17/11138). Damit wird der Bankenrettungsfonds befristet bis Ende 2014 geöffnet. Finanziert wird der Fonds aus der Bankenabgabe.
Finanzhilfen für Griechenland: Über die Gewährung weiterer Finanzhilfen für Griechenland stimmte der Bundestag am 27. Februar ab (17/8730). Die Bundesregierung hatte die Zustimmung des Parlaments zu Darlehen des Euro-Rettungsschirms mit bis zu 130 Milliarden Euro beantragt. Griechenland sollte umschulden können und dadurch seine Zahlungsfähigkeit über mehrere Jahre sichern. Am 30. November stimmte der Bundestag weiteren Finanzhilfen für Griechenland zu (17/11647). Das Land erhält zwei Jahre mehr Zeit, um seinen Haushalt zu sanieren. Auf den Bundeshaushalt kommen mit diesem Beschluss 2013 Einnahmeverluste in Höhe von 730 Millionen Euro zu.
Fiskalpakt ratifiziert: 25 EU-Mitgliedstaaten hatten im März den Vertrag unterzeichnet, mit dem sie sich zu Schuldenbremsen und Sanktionen gegen Defizite verpflichten. Am 29. Juni stimmte der Bundestag dem Gesetz zum sogenannten Fiskalpakt (17/9046) zu und ratifizierte ihn damit. Die Zustimmung zum "Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion" ist Grundbedingung, um als bedürftiger Staatshaushalt Darlehen aus dem ESM beziehen zu können.
Dauerhafter Euro-Schutzschirm: Als dauerhafter Euro-Rettungsschirm soll der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) den Euro-Staaten zur Verfügung stehen. Durch völkerrechtlichen Vertrag ist er eine internationale Finanzinstitution mit einem Stammkapital von 700 Milliarden Euro. Der Bundestag hat dem Gesetz zur Errichtung des ESM (17/9045) am 29. Juni zugestimmt. In derselben Sitzung verabschiedete das Parlament auch ein Gesetz zur Finanzierung des ESM (17/9048). Deutschland beteiligt sich mit knapp 22 Milliarden Euro an Bareinlagen und 168 Milliarden an abrufbarem Kapital.
Sondersitzung zu Spaniens Finanzkrise: Zu einer Sondersitzung zu Spaniens Finanzkrise kamen die Abgeordneten in der Sommerpause am 19. Juli zusammen. Namentlich stimmten sie Finanzhilfen aus dem vorläufigen Euro-Rettungsschirm EFSF zur Rekapitalisierung der spanischen Banken zu (17/10320, 17/10321). Es handelt sich um Darlehen in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro.
Auslandseinsätze verlängert: Als eine seiner ersten Entscheidungen 2012 verlängerte der Bundestag den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr um ein Jahr (17/8393). Das deutsche Parlament muss über jeden einzelnen Einsatz namentlich abstimmen. Der Bundestag hat in diesem Jahr ebenso den laufenden Antipirateneinsatz vor Somalia (17/9339), die Einsätze im Kosovo (17/9768, 17/9505), Libanon (17/9873), Süd-Sudan (17/11390) und in der westsudanesischen Provinz Darfur (17/11389) verlängert sowie die Nato-geführte Operation zur Terrorabwehr im Mittelmeer (17/11466).
Neuer Einsatz in der Türkei: Zugestimmt hat der Bundestag auch dem neuen Einsatz der Bundeswehr an der türkisch-syrischen Grenze (17/11783). Bis zu 400 Soldaten helfen zu verhindern, dass sich der innersyrische Konflikt auf das Nato-Mitglied Türkei ausweitet.
Termingeschäfte mit Rohstoffen reguliert: Bestimmte Termingeschäfte mit Rohstoffen oder Wertpapieren außerhalb von Börsen dürfen künftig nicht mehr direkt zwischen den Geschäftspartnern abgewickelt werden. Eine EU-Verordnung, die der Bundestag in deutsches Recht (17/11289, 17/11883) umgesetzt hat, führt zentrale Clearing-Stellen ein, bei denen die Transaktionen dokumentiert werden.
Einstimmig für Neonazi-Untersuchungsausschuss: Der Bundestag setzte am 26. Januar 2012 einstimmig den Untersuchungsausschuss zur Mordserie der Zwickauer Terrorzelle ein (17/8453). Das Gremium soll sich ein Gesamtbild zur Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund", ihren Mitgliedern und Taten, Umfeld und Unterstützern verschaffen und Empfehlungen für eine effektive Bekämpfung erarbeiten.
Nationales Waffenregister beschlossen: Ein nationales Waffenregister soll zum Jahresbeginn 2013 alle legalen Waffen verzeichnen (17/9217), insbesondere Schusswaffen, deren Erwerb und Besitz der Erlaubnis bedürfen, sowie Daten von Erwerbern, Besitzern und Überlassern erfassen.Das beschloss der Bundestag am 26. April.
Kampf gegen Rechtsextremismus: Die Bekämpfung des Rechtsextremismus soll durch eine zentrale gemeinsame Datei von Polizei und Nachrichtendiensten verbessert werden (17/8672). Darin sollen Angaben über Kontaktpersonen der rechtsextremistischen Szene gespeichert werden, von denen Hinweise für die Aufklärung oder Bekämpfung erwartet werden können.
Patientenrechte: Ein Patientenrechtegesetz (17/10488) hat der Bundestag am 29. November verabschiedet. Ziel ist es, die Rechte von Patienten zu stärken und transparent zu machen. Ärzte und Patienten sollen demnach einen Behandlungsvertrag schließen, Krankenhäuser ein patientenorientiertes Beschwerdemanagement einführen. Die Patientenakte ist für Patienten jederzeit einsehbar.
Betreuungsgeld: Ebenfalls im November hat der Bundestag das kontrovers diskutierte Betreuungsgeld (17/9917) beschlossen. Eltern, die ihre ein- bis zweijährigen Kinder zuhause erziehen, sollen ab 1. August 2013 monatlich 100 Euro erhalten.
Blaue Karte für ausländische Hochqualifizierte: Die neue "Blaue Karte EU" erleichtert den Zuzug ausländischer Fachkräfte. Der Bundestag beschloss den neuen, befristeten Aufenthaltstitel im April 2012 (17/8682). Hochqualifizierte Ausländer erhalten die Blaue Karte, wenn sie ein Bruttojahresgehalt von mindestens 44.800 Euro vorweisen können. Ausländischen Studierenden können erlaubnisfrei 120 Tage im Jahr arbeiten und für die Arbeitsplatzsuche 18 Monate im Land bleiben.
Organspenden: Alle Bürger über 16 Jahre werden künftig regelmäßig von ihren Krankenkassen zu einer freiwilligen Entscheidung aufgefordert, ob sie nach ihrem Tod Organe spenden wollen oder nicht. Das hat der Bundestag am 25. Mai beschlossen, als er mit großer Mehrheit einen überfraktionellen Gesetzentwurf (17/9030, 17/9774) für die sogenannte Entscheidungslösung annahm. Vorgesehen ist, dass die Krankenkassen ihre Versicherten intensiv über das Thema Organspende informieren. Ziel ist es unter anderem, die Zahl der Organspender in Deutschland zu erhöhen.
Solarförderung gekürzt: Die Vergütung von Strom aus Solarenergie wurde zum 1. April 2012 gekürzt. In einer namentlichen Abstimmung änderte der Bundestag das Recht der erneuerbaren Energien (17/8877, 17/9152). Die Einspeisevergütung wird je nach Größe der Anlagen um 20 bis 32 Prozent gesenkt, nur noch eine bestimmte Strommenge ist vergütungsfähig. Bei kleineren Dachanlagen sind es nur noch 80 Prozent, der Rest muss selbst verbraucht oder vermarktet werden.
Steuerbegünstigung für energiesparende Unternehmen: Ab 2013 werden Steuerbegünstigungen für energieintensive Unternehmen nur noch genehmigt, wenn sie zu Energieeinsparungen beitragen. Das hat der Bundestag mit der Änderung des Energiesteuer- und Stromsteuergesetzes (17/10744, 17/10797) im November beschlossen.
Neuer Wahlkreis zur Bundestagswahl 2013: Eine neue Verteilung der Wahlkreise beschloss der Bundestag im Januar. Bei der kommenden Bundestagswahl wird Hessen einen neuen Wahlkreis erhalten, Mecklenburg-Vorpommern aufgrund von Bevölkerungsrückgang einen abgeben müssen. Das Parlament änderte dazu das Bundeswahlgesetz (17/8350).
Haushaltsgesetz 2013: Das Parlament prüfte den Finanzbedarf des Bundes, korrigierte und verabschiedete den Bundeshaushaltsplan 2013 schließlich als Gesetz am 23. November (17/10200, 17/10202). Der Bund kann nächstes Jahr 302 Milliarden Euro ausgeben, das sind 200 Millionen Euro weniger als im Regierungsentwurf vorgesehen und 9,6 Milliarden Euro weniger als 2012.
Kohlendioxidspeicherung: Der Bundestag hat im Juni den Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses angenommen, der die CCS-Technologie (Carbon Dioxide Capture and Storage) zur unterirdischen Kohlendioxidspeicherung zulässt, aber auf Speicher begrenzt, die jährlich nicht mehr als 1,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid einlagern (17/10101).
Verbraucherschutz im Internet: Vor Abo- und Kostenfallen im Internet sollen Verbraucher besser geschützt werden. Die vom Bundestag beschlossene Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches (17/7745, 17/8805) verpflichtet Unternehmen, die wesentlichen Informationen, vor allem den Gesamtpreis einer Ware oder Dienstleistung, klar und verständlich hervorgehoben anzugeben. Verträge im Internet kommen nur dann zustande, wenn sich der Verbraucher ausdrücklich zu einer Zahlung verpflichtet.
Mietrecht: Mitte Dezember änderte das Parlament das Mietrecht (17/10485). Saniert der Vermieter energetisch das Gebäude, sind für den Mieter Mietminderungen für drei Monate ausgeschlossen. Vermieter müssten so keine finanziellen Einbußen in Kauf nehmen, Mieter profitierten von geringeren Nebenkosten durch bessere Dämmung. Die Sanierungskosten sollen mit jährlich elf Prozent auf die Miete umgelegt werden können.
Beschneidung von Jungen: Eine große Mehrheit der Abgeordneten stimmte im Dezember für das umstrittene Gesetz zur rituellen Beschneidung von Jungen (17/11295). Damit wird klargestellt, dass Eltern das Recht haben, ihre Söhne unter Einhaltung bestimmter Standards beschneiden zu lassen, auch wenn es medizinisch nicht erforderlich ist.
Praxisgebühr abgeschafft: Der Bundestag hat am 9. November die seit 2004 von Patienten erhobene Praxisgebühr von zehn Euro pro Quartal für Arztbesuche mit Wirkung vom 1. Januar 2013 abgeschafft. (sq/27.12.2012)