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Bereits während des DeutschFranzösischen Krieges von 1870/71 begannen Verhandlungen der deutschen Staaten über die Reichsgründung. Am 18. Januar 1871 erfolgte in Versailles die Kaiserproklamation. An der Spitze des von vielen Deutschen lange ersehnten Nationalstaates stand der König von Preußen als "Deutscher Kaiser".
Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 ersetzte die vorläufigen Verfassungsverträge und glich inhaltlich weitgehend der Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867. Das Deutsche Reich besaß einen stark föderativen Charakter. Die Vertreter der 25 Einzelstaaten bildeten den Bundesrat. Er wirkte an der Gesetzgebung und Ausführung der Reichsgesetze mit und verfügte über weiter reichende Kompetenzen als der Reichstag. Die Stimmengewichtung verteilte sich nach der Flächengröße der Länder. Preußen war der mit Abstand größte Einzelstaat im Deutschen Reich und besaß ein auch staatsrechtlich abgesichertes Übergewicht. Dieses beruhte vor allem auf der Personalunion zwischen dem König von Preußen und dem Kaiser, der den Oberbefehl über das Militär hatte.
Der Kaiser ernannte und entließ den Reichskanzler, der im Regelfall auch das Amt des preußischen Ministerpräsidenten bekleidete. Über seinen Vorsitz im Bundesrat hatte der Reichskanzler maßgeblichen Einfluss auf die Gesetzgebung der konstitutionellen Monarchie. Gestützt auf das Vertrauen von Kaiser Wilhelm I., bestimmte Reichskanzler Otto von Bismarck in den ersten beiden Jahrzehnten nach der Reichsgründung die Richtlinien der Innen und Außenpolitik. Im Unterschied zu seinem Großvater Wilhelm I., der die Regierungsgeschäfte weitgehend seinem Reichskanzler überließ, nahm Wilhelm II. nach seiner Proklamation zum Kaiser 1888 starken persönlichen Einfluss auf die Regierungsgeschäfte.