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Berlin: (hib/STO/HIL) Abschiebungen von Minderheitenangehörigen in das Kosovo stoßen bei Experten auf gegensätzliche Einschätzungen. Dies zeigte sich am Montagnachmittag bei einer öffentlichen Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses zu zwei entsprechenden Anträgen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Während einige Experten die deutsche Abschiebepraxis verteidigten, stieß sie bei anderen Sachverständigen auf teilweise scharfe Kritik.
Die Fraktion Die Linke verlangt in ihrem Antrag (17/784) ein Bleiberecht für Roma aus dem Kosovo und fordert die Bundesregierung auf, sich bei den Ländern für eine sofortige Aussetzung der Abschiebung von Flüchtlingen aus dem Kosovo einzusetzen und das ”deutsch-kosovoalbanische Rückübernahmeabkommen“ aufzukündigen. Auch soll sie nach dem Willen der Abgeordneten ihr Einverständnis gegenüber den Ländern für eine Aufenthaltsgewährung aus humanitären Gründen für Roma sowie andere Minderheitenangehörige und besonders schutzbedürftige Personen aus dem Kosovo erklären und sich für eine entsprechende dauerhafte Bleiberechtsregelung einsetzen. Wie die Linksfraktion fordert auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag (17/1569) die Bundesregierung auf, sich gegenüber den Bundesländern für eine Aufenthaltsgewährung aus humanitären Gründen für Minderheitenangehörige aus dem Kosovo einzusetzen. Auch solle sie das deutsch-kosovarische Rückübernahmeabkommen für Minderheitenangehörige aus dem Kosovo aussetzen
Torsten Böhling von der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld wandte sich gegen Vermutungen, die Zahl der Abschiebungen in das Kosovo gingen ”extrem in die Höhe“. Dies sei nicht der Fall. Im Jahr 2008 seien 597 Personen in das Kosovo abgeschoben worden, im vergangenen Jahr 541 Personen und in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 263 Personen. Dies zeige, dass die Zahl der Rückführungen auf ungefähr gleichem Niveau bleibe. Die Zahl der seit Mitte 2009 möglichen Rückführungen ethnischer Roma habe 2008 bei 76 gelegen und in der Zeit von Januar bis Mai 2010 bei insgesamt 66. Man sei also weit davon entfernt, dass es ”Massenabschiebungen“ in das Kosovo gebe. Auch zeige sich nicht ab, dass sich diese Zahlen ”ganz gravierend nach oben verändern“.
Hans-Hermann Gutzmer vom niedersächsischen Innenministerium sagte, viele Roma aus dem Kosovo hätten sich während eines langjährigen Aufenthalts in Deutschland wirtschaftlich nicht integriert. Dass bundesweit etwa 11.000 Menschen ausreisepflichtig seien, zeige, dass es ”hier in besonderem Maße Integrationsschwierigkeiten“ gebe. In vielen Fällen fehle es an der notwendigen Bereitschaft, sich intensiv um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen.
Hartmut Sprung vom Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verwies darauf, dass auch die Schweiz und Österreich das Kosovo als sicheres Land bezeichneten. Dieser Einschätzung habe sich auch Großbritannien angeschlossen, und Frankreich denke gleichfalls darüber nach.
Der ehemalige Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina und einstige Bundesminister Christian Schwarz-Schilling forderte dagegen eine sofortige Beendigung der Abschiebungen. Die in das Kosovo abgeschobenen Kinder, die teilweise in Deutschland geboren worden seien, könnten weder die kosovarische noch die serbische Sprache und kämen nicht in ihre Heimat zurück, sondern in ein für sie fremdes Land. Johannes Wedenig von Unicef Kosovo verwies darauf, dass einer Studie zufolge von vier rückgeführten Kindern nur eines noch zur Schule gehe. Für 74 Prozent bedeute die Rückführung den Abbruch ihrer in Deutschland begonnenen schulischen Laufbahn. Zu den Gründen zählten neben Armut auch Sprachbarrieren.
Für die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl betonte ihr Vertreter Stephan Dünnwald, er halte es nicht für verantwortlich, dass alte, kranke und bedürftige Menschen in das Kosovo zurückgeschickt würden sowie Roma, ”die zusätzlich einer ganz deutlichen Diskriminierung unterliegen“.
Sebastian Ludwig vom Diakonie Bundesverband warb dafür, den Roma, Ashkali und Ägyptern eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu gewähren. Im Kosovo sei ihnen die ”effektive Inanspruchnahme von Menschenrechten“ politischer oder wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Art in vielerlei Hinsicht nicht möglich. Eine Gefahr für Leib und Leben sah Ludwig aufgrund ”erheblich eingeschränkter oder nicht vorhandener Möglichkeiten der Existenzsicherung oder der Gesundheitsversorgung“.
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