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Berlin: (hib/ELA) Die Bundesregierung soll die Rohdaten für die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze herausgeben. Dies forderten die Fraktionen von SPD, Grünen und Linkspartei in der heutigen Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales und verlangten darüber hinaus auch die Vorlage von alternativen Berechnungen mit unterschiedlichen Variablen. Einem entsprechenden Antrag, der jedoch nicht an die Regierung, sondern nur an den Ausschuss selbst gestellt werden konnte, stimmten die drei Oppositionsfraktionen zu. Die Koalitionsfraktionen lehnten den Antrag mit ihrer Stimmenmehrheit ab. Eine Vertreterin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) betonte, dass auch sie nur die Daten habe, die den Ausschussmitgliedern vorlägen und die zusätzlich im Internet einsehbar wären. Auf die Rohdaten des Statistischen Bundesamtes hätten nur die Wissenschaftler Zugriff. Das Amt sei jedoch gerade dabei, die Daten anonymisiert aufzubereiten.
Zuvor hatten die Mitglieder des Ausschusses zwei Anträge der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen (17/2921) sowie einen Antrag der Linksfraktion (17/2934) beraten und Berichte der Bundesregierung über die Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die Neuberechnung der Regelsätze und die Berechnungen aus den Verbrauchsausgaben verschiedener Referenzgruppen debattiert. Ein Vertreter des Bundesarbeitsministeriums betonte, dass die EVS der ”beste vorhandene Maßstab“ für die Berechnung der Regelsätze sei. Er erläuterte die statistischen Grundlagen und wies darauf hin, dass 55.110 Haushalte handschriftlich Buch geführt hätten über ihre Ausgaben. Diese Haushalte seien in verschiedene Gruppen untergliedert worden, also etwa in Einpersonenhaushalte und Haushalte mit unterschiedlicher Kinderzahl. Aus deren Ausgabeverhalten seien die neuen Regelsätze abgeleitet worden. Bei den Ein-Personenhaushalten wurden laut Regierung die in der Einkommensskala unteren 15 Prozent berücksichtigt, was Einkommen von bis zu 901 Euro pro Monat entspreche. Wären die unteren 20 Prozent herangezogen worden, hätte der Grenzwert bei 990 Euro gelegen. Bei allen anderen Haushalten wurden die unteren 20 Prozent aller Haushalte in Betracht gezogen. Bei Paarhaushalten mit einem Kind unter 6 Jahren wurden Einkommen von bis zu 2.178 Euro berücksichtigt, bei Paarhaushalten mit einem Kinder zwischen 6 und unter 14 Jahren bis 2.476 Euro und bei Paarhaushalten mit Kindern von 14 bis unter 18 Jahren 2.544 Euro.
Auf mehrmaliges Nachfragen von Vertretern der Oppositionsfraktionen erläuterte eine Vertreterin des Bundesarbeitsministeriums, dass bei der Festlegung der Referenzgruppen in einem ersten Schritt Bezieher von Hartz IV sowie sogenannte Aufstocker herausgenommen wurden und dann die unteren 20 Prozent der Einkommensbezieher für die Berechnungen herangezogen wurden. Vertreter der Oppositionsfraktionen kritisierten die Positionen, die nach dem Referentenentwurf des Arbeitsministeriums zur Berechnung des Existenzminimums berücksichtigt werden. ”Wie soll ein 14 bis 18-Jähriger von 4,07 Euro pro Monat Diskobesuche und dergleichen finanzieren“, fragte ein Grünen-Parlamentarier. Dadurch, dass Tabak und Alkohol aus der Berechnung herausgenommen worden sei, ”nehmen sie ausgerechnet den Armen eines der letzten Vergnügen, das sie noch haben“, hieß es bei der Linksfraktion, die der Regierung vorwarf, die Sätze ”nach Kassenlage“ bestimmen zu wollen. Eine Vertreterin der SPD-Fraktion wollte wissen, wie die Regierung ”genau auf fünf Euro komme und nicht etwa auf 4,85 oder 5,37 Euro“. Es sei gesetzlich vorgeschrieben, dass gerundet werden müsse, erwiderte drauf ein Ministeriums-Vertreter. Mit Blick auf die für die Regierung notwendige Zustimmung der SPD im Bundesrat zu den neuen Hartz-IV-Regelsätzen appellierte die FPD an die ”Mitwirkungspflicht der SPD“. Die vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Sätze würden schließlich aus der rot-grünen Ära stammen, ”Sie haben das Ding verbockt“. Vertreter der Union zeigten sich irritiert durch die Art der Kritik der Opposition. Seit der Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe sei noch nie soviel Geld in den Bereich geflossen wie jetzt und es habe ”noch nie so viel Transparenz wie jetzt“ gegeben.
Abgestimmt wurde am Ende über den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, der mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt wurde und am Donnerstag dieser Woche im Plenum in zweiter und dritter Lesung abschließend behandelt werden soll.
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