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Berlin: (hib/JOH/KT) Der Entwicklungsausschuss des Bundestages hat am Mittwochmorgen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/3206) abgelehnt, der die Bundesregierung aufgefordert hatte, Pakistan nach der Flutkatastrophe langfristig zu unterstützen und auf einen Teil der bilateralen Schulden Pakistans aus der finanziellen Zusammenarbeit zu verzichten. Unter anderem hatte die Fraktion verlangt, einen Sondertitel ”Wiederaufbauhilfe nach der Flutkatastrophe in Pakistan“ im Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung einzurichten, über den in 2011 mindestens 120 Millionen Euro und innerhalb der nächsten vier Jahre mindestens weitere 480 Millionen Euro für den nachhaltigen Wiederaufbau Pakistans bereitgestellt werden. Für den Antrag stimmte neben den Antragstellern auch die Fraktion Die Linke. Die SPD-Fraktion enthielt sich.
Die CDU/CSU-Fraktion lehnte den Antrag ab, weil er aus ihrer Sicht zu stark auf die bisher existierenden staatlichen Strukturen setzt. Wie sie betonte, müsse man darauf drängen, die Defizite in diesem Bereich ”vernünftig anzugehen“. Außerdem müsse sehr genau darauf geachtet werden, dass die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit auch möglichst effizient eingesetzt werden.
Vertreter der FDP-Fraktion äußerten ähnliche Bedenken. Die staatlichen Strukturen seien nicht die, ”die wir uns wünschen“, betonten die Abgeordneten, und nannten als Beispiele das mangelnde Engagement der staatlichen Eliten, Korruption und das herrschende Feudalsystem. Sie zogen aus ihren Beobachtungen, die sie auch während einer Delegationsreise des Ausschusses nach Pakistan und Afghanistan vom 13. und 22. Oktober gemacht hätten, den Schluss, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit weniger Geld direkt an den pakistanischen Staat geben und stattdessen vor allem über die Vereinten Nationen und Aufbauorganisationen Hilfe leisten sollte.
Die SPD-Fraktion äußerte die Sorge, dass aus Pakistan ein gescheiterter Staat werden könnte. Ihrer Ansicht nach verhindern Korruption und Feudalgesellschaft massiv jeden Fortschritt. Zudem gebe es eine große Kluft zwischen Regierenden und Regierten. ”Unsere Hilfe ist notwendig“, betonten die Sozialdemokraten, sie müsse aber auch an klare Bedingungen geknüpft werden. So müsse jedoch sehr genau darauf geschaut werden, wer in der Atommacht Pakistan den Wiederaufbau kritisiere - die Regierung, extreme Gruppierungen oder sogar die Taliban. Auch seien eine Steuerreform und eine Landreform unbedingt notwendig.
Die Grünen-Abgeordnete Ute Koczy, die die Delegation des Ausschusses in Pakistan und Afghanistan geleitet hatte, wies in ihrem mündlichen Reisebericht unter anderem darauf hin, dass die Bauern infolge der Flut im Sommer schwere Ernteausfälle zu verkraften hätten, die Pächter ihnen jedoch keine Pachtnachlässe gewährten. Zudem könnten viele Flüchtlinge, die noch immer in Flüchtlingslagern lebten, nicht in ihre Dörfer zurückkehren, weil sie keine Papiere besäßen beziehungsweise in vielen Gebieten noch immer das Wasser stehe. Wichtig sei es, den Übergang von der Nothilfe zu einem langfristigen Wiederaufbau zu organisieren, betonte Koczy.
Die Fraktion Die Linke, die mit dem Ausschuss nur Afghanistan besucht hatte, kritisierte den Polizeiaufbau in Pakistans Nachbarland. Die Polizei solle militärische Aufgaben übernehmen und werde so Teil der Aufstandsbekämpfung. Dies sei eine ”sehr schwierige Sache“, hieß es aus der Fraktion. Sie vertrat zudem die Ansicht, dass ”Entwicklungszusammenarbeit unter Kriegsbedingungen“ nicht möglich ist und es für Friedensverhandlungen einen politischen Prozess braucht. Die Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan wie bisher weiter zu führen, sei ”sehr schwierig“ und gefährlich, warnte sie.
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