Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > November 2010
Berlin: (hib/HLE/AH) Dass bei den Verhandlungen über die finanzielle Unterstützung der in eine Haushaltsnotlage geratenen Republik Irland keine Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes erreicht wurde, ist auf Kritik der SPD-Fraktion gestoßen. In einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses am Montag Abend erklärte ein Sprecher der SPD-Fraktion, dass der derzeit mit 12,5 Prozent im europäischen Vergleich äußerst niedrige Körperschaftsteuersatz nicht erhöht worden sei, ”sehen wir sehr kritisch“. Mit dem niedrigen Steuersatz hatte Irland zahlreiche ausländische Unternehmen und Banken dazu veranlasst, sich auf der Insel niederzulassen. Seit Monaten habe man das Gefühl, ”Getriebener der Märkte zu sein“, kritisierte die SPD-Fraktion. Der europäische Rettungsschirm habe offenbar nicht zur Beruhigung der Märkte beigetragen. Die SPD-Fraktion bezeichnet es als ”beunruhigendes Signal“, dass eine Bundesanleihe kürzlich nicht vollständig habe platziert werden können.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bedeutet der unverändert gebliebene Körperschaftsteuersatz eine ”schwierige Situation“. Angesichts der jetzt anlaufenden europäischen Solidaritätsmaßnahmen wäre eine Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes ein wichtiges Zeichen gewesen. Dass der Satz jetzt unverändert bleiben solle, sei ”mindestens ein Schönheitsfehler“.
Die FDP-Fraktion widersprach dem Ruf nach einer Erhöhung der Körperschaftsteuer. Diese Forderung gegenüber Irland sei zu weitgehend. Sie würde im Umkehrschluss auch bedeuten, dass gegen Deutschland Forderungen erhoben werden könnten, Steuersätze zu ändern. Die FDP-Fraktion sprach sich angesichts der irischen Finanzkrise für ein ”Insolvenzrecht für Staaten“ aus.
Finanzminister Wolfgang Schäuble erklärte bei der Vorstellung des 85 Milliarden Euro umfassenden Hilfspakets für Irland (siehe auch Bericht über die Sondersitzung des Finanzausschusses), es sei nicht nur die irische Regierung gewesen, die eine Erhöhung der Körperschaftsteuer abgelehnt habe. Vielmehr habe ”eine ganze Reihe von Mitgliedsländern der EU“, darunter auch Großbritannien, es abgelehnt, von Irland höhere Steuersätze zu verlangen. Diese Länder wollten vermeiden, dass Steuerrechtsänderungen in Irland zum Einfallstor für die Aufhebung nationaler Zuständigkeiten im Steuerrecht in der ganzen EU würden. Ein Zinssatz für die an Irland zu vergebenden Kredite sei noch nicht festgelegt, sagte der Minister. Der Zinssatz müsse so hoch sein, dass es unattraktiv sei, sich der Hilfe des European Financial Stability Facility (EFSF) zu bedienen.
Zur Reaktion der Börsen auf die europäischen Rettungsmaßnahmen für Irland sagte Schäuble, die Märkte würden offenbar ”zweifeln, ob das die Lösung ist“. Der Minister sprach sich dafür aus, an Stelle des am 30. Juni 2013 endenden Rettungsschirms EFSF, über den ein Teil der Kreditvergaben an Irland erfolgen wird, eine Dauerlösung zu setzen. Diese Dauerlösung solle sehr nahe an den Regeln des heutigen EFSF sein. Schäuble verteidigte die Position der Bundesregierung, dass Gläubiger von Staatsanleihen im Krisenfall in marktschonender Weise einbezogen werden müssten. Es könne nicht sein, dass die Ertragschancen bei den Investoren blieben, während der Steuerzahler einspringen müsse, wenn die Risiken realisiert würden. Bis zum Europäischen Rat am 16. und 17. Dezember müsse ein Konsens über die Beteiligung von Gläubigern erreicht werden, forderte der Minister.
Für die CDU/CSU-Fraktion zeigt sich durch die irische Finanzkrise, dass es richtig gewesen sei, den europäischen Rettungsschirm zu spannen. Damit könne mit der irischen Problematik ganz anders umgegangen werden als noch im Fall Griechenland. Die Situation in beiden Ländern sei nicht zu vergleichen.
Die Linksfraktion wies darauf hin, dass die jetzt besonders auffälligen irischen Banken bei einem europaweiten Banken-Stresstest vor wenigen Monaten nicht aufgefallen seien. Aus Unterlagen der Bundesregierung geht hervor, dass Irland neben der Anhebung der Mindestkapitalanforderungen für Banken eine Verkleinerung des Bankensektors anstrebt. Nicht lebensfähige Banken, vor allem die Anglo Irish Bank und die Irish Nationwide Building Society (INBS) sollten abgewickelt werden. ”Es ist wahrscheinlich ,dass die Halter nachrangiger Anleihen massive Abschläge (”haircut“) hinnehmen müssen“, heißt es in der Unterrichtung.
Auch unterwegs aktuell informiert mit der kostenlosen App "Deutscher Bundestag" und unter m.bundestag.de.
Deutscher Bundestag, PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Verantwortlich: Hans-Jürgen Leersch
Redaktion: Sibylle Ahlers, Dr. Bernard Bode, Michaela Hoffmann, Michael Klein, Kata Kottra, Hans-Jürgen Leersch, Johanna Metz, Monika Pilath, Helmut Stoltenberg, Alexander Weinlein, Dr. Thomas von Winter