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Prof. Dr. Bernd Hirtz vom Deutschen Anwaltverein, Köln, verwies auf die zum Teil beträchtlichen Unterschiede in der zeitlichen Behandlung von Rechtssachen. So dauerte in der Verwaltungsgerichtsbarkeit die erste Instanz beim Verwaltungsgericht in Rheinland-Pfalz im Jahr 2008 durchschnittlich 5,1 Monate, im Land Brandenburg durchschnittlich 32,0 Monate.
Man dürfe daher von der Justizverwaltung und den für die Haushalte der Länder verantwortlichen Stellen auch erwarten, dass der im Gesetzentwurf vorgesehene Anspruch auf Entschädigung zum Anlass genommen werde, die Ressourcen der Justiz zu verbessern.
Nach Auffassung von Generalstaatsanwalt Clemens Lückemann, Bamberg, sind Verfahren mit überlanger Dauer in Deutschland eher die Ausnahme. Soweit diese Fälle auf einer Überlastung der Gerichte infolge unzureichender Personalausstattung beruhten, könnte die im Gesetzentwurf vorgesehene, der Klage auf Entschädigung vorausgehende ”Verzögerungsrüge" allenfalls zur Folge haben, dass das betroffene Gericht die jeweilige Sache ohne sachlichen Grund bevorzugt bearbeitet und dafür die Bearbeitung anderer Verfahren, deren Beteiligte sich vielleicht weniger ungeduldig zeigen, zurückstellt. Lückemann erwartet mit der Einführung des neuen Rechtsbehelfs eine große Zahl an Verfahren.
Prof. Dr. Michael Brenner von der Rechtswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität, Jena, sah hingegen in einer Untätigkeitsbeschwerde, wie sie auch in der Diskussion ist, gegenüber der jetzt vorgeschlagenen ”Verzögerungsrüge“ keinen sachlichen Mehrwert. Der Gesetzentwurf setze die Vorgaben der EMRK in hinreichender und praktikabler Weise um. Auch Monika Paulat, Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, begrüßte die Erhebung der ”Verzögerungsrüge" und die Möglichkeit einer Klage auf Entschädigung danach als sinnvoll und zielführend.
Dr. Ulf Kämpfer, Richter am Amtsgericht Kiel, warnte davor, das Spannungsverhältnis zwischen Schnelligkeit und Gründlichkeit einseitig zulasten der materiellen Gerechtigkeit von gerichtlichen Entscheidungen und der Gewährung rechtlichen Gehörs aufzulösen. Würde das geplante Gesetz dazu führen, dass Gerichte und Staatsanwaltschaften zur Vermeidung von Entschädigungsansprüchen gezwungen sind, die ihnen anvertrauten Verfahren ohne die gebotene Gründlichkeit zu bearbeiten, wäre dies ein nicht akzeptabler rechtspolitischer Kollateralschaden.
Prof. Dr. Christian Kirchberg, Vorsitzender des Ausschusses Verfassungsrecht der Bundesrechtsanwaltskammer, Karlsruhe, unterstellte dem Regierungsentwurf die ”unausgesprochene Erwartung oder Annahme“, die von einer überlangen Verfahrensdauer Betroffenen würden zum einen den Lauf des Ausgangsverfahrens nicht auch noch durch die parallele Erhebung einer Entschädigungsklage verzögern wollen und hätten zum andern nach Abschluss des überlangen Ausgangsverfahrens keine Lust, keine Kraft und möglicherweise auch keine finanziellen Mittel mehr, um jetzt auch noch eine Entschädigungsklage wegen unangemessener Verfahrensdauer anhängig zu machen.
Carsten Löbbert, Vizepräsident des Amtsgerichts Lübeck, kritisierte die zu allgemeinen Formulierungen des Gesetzentwurfs. Sie erlaubten es Bürgerinnen und Bürgern nicht, auch nur annähernd abzuschätzen, wann ihnen ein Anspruch zustehen könnte und wann nicht. Das Zeitempfinden der an Rechtsstreitigkeiten beteiligten Privatpersonen sei häufig völlig anders als das der professionell beteiligten Juristen. Die materiellrechtliche Regelung sollte deswegen eine konkrete Zeitdefinition des überlangen Verfahrens enthalten. Im Übrigen werde die ”Verzögerungsrüge“ die Justiz erheblich belasten. Da das Unterlassen einer Rüge den Anspruch auf Entschädigung ausschließen soll, wären Anwälte gehalten, immer vorsorglich die Rügen auszubringen, schon um nicht selbst regresspflichtig zu werden.
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