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In Zweifel zogen mehrere Experten die dem Gesetzentwurf der Koalition zugrunde liegenden Daten, nach denen in Deutschland jährlich zirka 400.000 bis 600.000 Patienten an so genannten nosokomialen Infektionen erkranken und schätzungsweise zwischen 7.500 und 15.000 Patienten daran sterben. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), die Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP) und der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) gehen in einer gemeinsamen Stellungnahme ”von einer Mindestzahl von 700.000 nosokomial erworbenen Infektionen pro Jahr aus“. Dementsprechend müsse auch die Zahl der daraus resultierenden Todesfälle ”nach oben korrigiert werden, wobei wahrscheinlich mit bis zu 30.000 Todesfällen pro Jahr zu rechnen ist“, heißt es weiter. Die Korrektur der Zahlen erscheine ”dringlich“, damit deutlich wird, dass Krankenhausinfektionen ”die größte infektiologische Herausforderung unter allen Infektionskrankheiten mit großer Bedeutung für die öffentliche Gesundheit sind“.
Nach Auffassung des Leiters der Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Essen, Professor Walter Popp, geht auch die im Gesetzentwurf geäußerte Erwartung, dass durch geeignete Maßnahmen 20 bis 30 Prozent der Krankenhausinfektionen zu vermeiden sind, ”völlig an der Realität vorbei“. Neuere Untersuchungen zeigten, dass bei konsequentem hygienischen Handeln bis zu 100 Prozent der Fälle vermieden werden können. Er forderte, eine weitergehende Zielsetzung in den Gesetzentwurf aufzunehmen.
Wie viele andere Verbände lobte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die vorgesehene Verpflichtung der Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen für die Einhaltung der Infektionshygiene. Gleichwohl sei es nicht nachvollziehbar, warum die Ausgestaltung den einzelnen Ländern überlassen bleiben soll, betonte der Leiter der Abteilung Medizin des GKV-Spitzenverbandes, Bernhard Egger. Der Facharzt für Mikrobiologie am Institut für Hygiene der Uni-Klinik Münster, Alexander Friedrich, betonte, ein wesentlicher Grund, weshalb etwa in den Niederlanden deutlich weniger Menschen an Krankenhausinfektionen erkrankten sei in der dort gegebenen höheren Personaldichte zu sehen. Zudem seien an jeder Klinik entsprechende Fachleute mit der Krankenhaushygiene befasst. ”Es geht um die Menschen, die wissen, wie es geht“, sagte Friedrich.
Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, Professor Winfried V. Kern, fügte hinzu, es gehe nicht ausschließlich um einen Mangel an Hygienefachärzten, sondern um den Mangel an Fachpersonal insgesamt, also auch an entsprechend geschultem Pflegepersonal oder Mikrobiologen. Kern plädierte für den Einsatz multi-professioneller Teams. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnte vor einer verpflichtenden Umsetzung etwa der Personalempfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene (KRINKO) ohne Übergangsfristen. Dies würde zu einem sofortigen Bedarf von rund 270 hauptamtlichen Krankenhaushygienikern, 1.800 hygienebeauftragten Ärzten und 1.300 Hygienefachkräften führen, schreibt die DKG in ihrer Stellungnahme und fährt fort: ”Entsprechendes Personal ist auf dem Arbeitsmarkt aber nicht verfügbar.“ DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum sagte in der Anhörung, die Gesamtpersonalkosten für Hygiene-Personal belaufe sich ”auf 400 bis 500 Millionen Euro“ jährlich. Das seien fast ein Prozent der gesamten Krankenhausausgaben.
Der Entwurf enthält neben Maßnahmen zur Verbesserung der Hygiene eine Reihe weiterer Regelungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung. So soll unter anderem mit der Einführung eines Schiedsverfahrens zu den Vergütungsverträgen zwischen den Krankenkassen und stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen ”ein geeignetes Instrument zur Schlichtung von Konflikten der Vertragspartner in Bezug auf die Höhe der Vergütung für stationäre medizinische Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen geschaffen“ werden.
Zudem sieht ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen eine Befugnisnorm für die Datenübermittlung zu Abrechnungszwecken etwa bei der hausarztzentrierten Versorgung vor. Auf Nachfragen der Oppositionsfraktionen sagte der schleswig-holsteinische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Thilo Weichert, er gehe davon aus, dass die ”geplante Regelung verfassungswidrig ist“.
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