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Übereinstimmend attestierten alle Sachverständigen, dass im Bereich der Familienpflege Handlungsbedarf besteht. Zum einen entspreche es dem Wunsch der meisten Deutschen, im Fall einer Pflegebedürftigkeit im familiären Umfeld gepflegt zu werden. Dies werde zugleich jedoch von einer Reihe demografischer und gesellschaftlicher Entwicklungen erschwert. So werde der Anteil der 65-Jährigen und Älteren im Verhältnis zu den 20- bis 64-Jährigen von 33,7 Prozent im Jahr 2008 auf 67,4 Prozent im Jahr 2060 ansteigen, rechnete der Hochschulprofessor Eberhard Wille von der Universität Mannheim vor. Zugleich steige aber auch kontinuierlich der Anteil der Berufstätigen, vor allem durch die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen, und der Fachkräftebedarf der Wirtschaft. Hinzu kommen nach Aussagen der Experten die erhöhten Mobilitätsanforderungen auf dem Arbeitsmarkt, die Familien räumlich oftmals trennen.
So groß die Übereinstimmung bei der Beschreibung des Problems ausfiel, so unterschiedlich waren aber auch die Einschätzungen, ob der vorgelegte Gesetzentwurf geeignet ist, Abhilfe zu schaffen. Einer der Hauptstreitpunkte entzündete sich an der Frage, ob für die Familienpflegezeit ein Rechtsanspruch formuliert werden soll. Der Gesetzentwurf sieht einen solchen nicht vor. Während die beiden Vertreterinnen der Gewerkschaftsseite, Hannelore Buls von der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und Anja Weusthoff vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), den fehlenden Rechtsanspruch scharf kritisierten, wurde dies für die Arbeitgeberseite von Birgit Schweer vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und Cornelia Upmeier vom Deutschen Industrie und Handelskammertag (DIHK) begrüßt. Gegen den Rechtsanspruch argumentierte auch Martin Albrecht vom Forschungs- und Beratungsinstitut IGES. Einig waren sich Arbeitnehmer und –geberseite jedoch in der Einschätzung, dass der Gesetzentwurf kaum mehr Möglichkeiten biete als die bereits bestehenden Möglichkeiten von freiwilligen Vereinbarungen zwischen Firmen und ihren Angestellten.
Kritisch beurteilten den nicht vorhandenen Rechtsanspruch Margot Jäger vom Deutschen Caritasverband, Johanna Possinger vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge (DV) und Bert Rürup, Hochschulprofessor für Finanz- und Wirtschaftspolitik von der Universität Darmstadt. Sein Kollege Wille schlug vor, den Rechtsanspruch zunächst nicht zu verankern, das Gesetz aber zu einem späteren Zeitpunkt zu evaluieren. Sollte sich dann zeigen, dass die Familienpflegezeit in der Praxis am Widerstand der Arbeitgeber scheitert, dann könne der Rechtsanspruch auch noch nachträglich in das Gesetz aufgenommen werden.
Zu unterschiedlichen Ergebnisse kamen die Experten auch bei der Frage, ob ein Zeitraum von zwei Jahren für die Familienpflegzeit ausreicht. Die durchschnittliche häusliche Pflegezeit betrage je nach Studie zwischen drei und acht Jahren, meinte Johanna Possinger (DV). Rürup hingegen argumentierte mit Verweis auf andere Zahlen, dass zwei Jahre ausreichend seien. Possinger und ihre Kollegin Jäger (Caritas) wünschten sich vor dem Ausschuss zudem, dass das Gesetz nicht nur für die Pflege durch nahe Verwandte gelten soll, sondern auch für Freunde oder Nachbarn. Dies entspreche den gesellschaftlichen Realitäten. Schon heute würden zehn Prozent aller Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege durch Freunde oder Nachbarn betreut.
Von DGB- und Verdi-Seite wurde außerdem moniert, dass die abzuschließende Versicherung zur Familienpflegezeit durch den Arbeitnehmer abgeschlossen werden soll, obwohl damit das Ausfallrisiko des Arbeitgebers beziehungsweise des Staates abgesichert werde. Alexander Hoffmann vom Versicherungsdienstleister Genworth plädierte dafür, dass die Familienpflegeversicherung in jedem Fall zertifiziert sein sollte. Dieser Forderung schloss sich auch Rürup an. Da es sich letztlich um eine Pflichtversicherung handle, sei dies geboten, um den Versicherten zu schützen.
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