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Mit den Vorlagen reagierten die Abgeordneten auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 2008, in dem der Gesetzgeber verpflichtet wurde, das Wahlrecht „spätestens bis zum 30. Juni 2011“ zu reformieren. Wie die Karlsruher Richter in ihrer Entscheidung (Az: 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07) urteilten, verstößt das Bundeswahlgesetz punktuell gegen die Verfassung, weil „ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem Verlust an Sitzen der Landeslisten oder ein Verlust an Zweitstimmen zu einem Zuwachs an Sitzen der Landeslisten führen kann“. Dieser paradoxe Effekt des sogenannten negativen Stimmgewichts tritt im Zusammenhang mit Überhangmandaten auf, die Parteien erhalten, wenn sie in einem Land mehr Direktmandate erringen, als ihnen laut Zweitstimmenergebnis zusteht.
Nach dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen soll die bisher mögliche Verbindung von Landeslisten einer Partei abgeschafft werden. Damit könnten die in einem Bundesland errungenen Zweitstimmen einer Partei nicht mehr mit den in einem anderen Land erzielten Zweitstimmen verrechnet werden. Durch den Verzicht auf Listenverbindungen werde die Häufigkeit des Auftretens des negativen Stimmgewichts „erheblich reduziert". Ergänzt werden soll die Neuregelung laut Koalitionsvorlage „um eine Sitzverteilung auf der Grundlage von Sitzkontingenten der Länder, die sich nach der Anzahl der Wähler in den Ländern bestimmen".
Ist die Zahl der Zweitstimmen einer Partei, die in den 16 Ländern nicht zu einem Sitz geführt haben, größer als die im Bundesdurchschnitt für ein Mandat erforderliche Stimmenzahl, sollen dem Entwurf zufolge zum Ausgleich weitere Mandate vergeben werden. Nach einem mit den Stimmen der Unions- und der FDP-Fraktion im Ausschuss angenommenen Änderungsantrag der Koalition sollen dabei diese weiteren Sitze zunächst den Landeslisten einer Partei zugeteilt werden, auf die Überhangmandate entfallen sind.
Die CDU/CSU-Fraktion betonte in den Ausschussberatungen, durch die Änderung werde eine tendenzielle Reduzierung der Überhangmandate erreicht. Nur der Reformvorschlag der Koalition erfülle die Bedingungen, das negative Stimmgewicht zuverlässig zu beseitigen und auch ansonsten verfassungskonform zu sein. Zwar sei die Überschreitung der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist ärgerlich, doch habe man einen guten Entwurf vorgelegt. Auch die FDP-Fraktion bedauerte, dass das Gesetzgebungsverfahren so spät beendet werde. Wie die Unionsfraktion wies sie die Vorschläge der Opposition zur Reform des Wahlrechts zurück. Mit dem Koalitionsentwurf werde dagegen das Problem ohne gravierende Wahlrechtsänderungen gelöst.
Die SPD-Fraktion kritisierte, der Koalitionsvorschlag werde den Karlsruher Vorgaben nicht gerecht, mache das Wahlrecht komplizierter und beseitige das negative Stimmgewicht nicht. Sie hielt zugleich der CDU/CSU-Fraktion vor, diese habe die Überhangmandate erhalten wollen. Auch die Linksfraktion lehnte den Koalitionsvorschlag ab und warb für eine umfassendere Reform des Wahlrechts. Die Grünen-Fraktion wandte sich gleichfalls gegen den schwarz-gelben Gesetzentwurf und betonte mit Blick auf das Bundesverfassungsgericht, entschieden werde der Streitfall „in Karlsruhe“.
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