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Der Ausschussvorsitzende Tom Koenigs (Bündnis 90/Die Grünen) stellte eingangs anhand von Statistiken die Bedeutung des Themas heraus. Offiziellen Angaben zufolge kam es im Jahr 2010 in Deutschland zu insgesamt 1.498 Fällen von Menschenhandel, die gemeldet bzw. angezeigt worden waren. Vermutlich liegt die Dunkelziffer höher. Außerdem, so Koenigs, verschweige die Statistik, „dass die Opfer in Deutschland keine Hilfe erhalten; weder Aufenthaltsgenehmigung, noch Dolmetscher“. Deshalb stelle sich die Frage, folgerte Koenigs, wie sich in Deutschland der Menschenhandel verhindern und sich die Lage der Opfer verbessern lasse.
Als erste Expertin sprach Özlem Dünder-Özdogan, Koordinatorin von der Zentralen Koordinierungs- und Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel – KOBRA Phoenix e.V. Sie stellte heraus, dass weiblichen Opfern zumeist sexuelle Ausbeutung widerfährt. Oftmals würden sie sich mit HIV infizieren, weil sie zum ungeschützten Geschlechtsverkehr gezwungen werden. Die Opfer seien deshalb physisch und psychisch krank, führte Dünder-Özdogan aus. Deshalb forderte die Sachverständige, für die Zeit nach Abschluss des Strafverfahrens eine Aufenthaltsperspektive aufgrund der erlittenen Straftat zu schaffen. Den Betroffenen werde von den Tätern in der Regel ihr Pass bei der Einreise abgenommen. „Anträge bei dem Sozialamt wegen der Kosten der Passbeschaffung und Fahrtkosten werden nicht erstattet“, sagte Dünder-Özdogan.
Für das „Deutsche Institut für Menschenrechte“ sprach Dr. Petra Follmar-Otto, Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland/Europa. Sie befürwortete, dass die Opfer das Recht erhalten, nach einem Prozess in Deutschland bleiben zu dürfen. Dazu führte die Sachverständige aus, dass, wenn es zu einem Prozess und gegebenenfalls einer Verurteilung der Täter in Deutschland komme, oft Mittelsmänner in der Heimat die Opferfamilien oder aber die Opfer selbst nach ihrer Rückkehr bedrohten und angriffen. Deshalb forderte sie eine „grundlegende Erweiterung des Aufenthaltsrechts“. Als positives Beispiel nannte sie die Situation in Italien. Dort habe die Ausweitung des Aufenthaltsrechts zu mehr Anklagen und Verurteilungen geführt.
Die UNICEF-Expertin für Interessensvertretung und Politik, Jyothi Kanics, äußerte sich zu der allgemeinen internationalen Situation von Menschenhandelsopfern. Dabei hob sie die Lage von Kindern und Jugendlichen hervor, die oftmals als Drogenschmuggler eingesetzt würden. Man müsse, sagte Kanics, die Betroffenen vor Strafverfolgung schützen. Vor allem minderjährige Opfer sollten geschützt und als Kinder behandelt werden.
Die österreichische Bundesministerin a.D., Dr. Helga Konrad, war früher Sonderbeauftragte der OSZE für die Bekämpfung des Menschenhandels und Vorsitzende der Task Force gegen den Menschenhandel im Stabilitätspakt für Südosteuropa. Sie betonte, dass Menschenhandel seit Jahrzehnten bekannt sei, auch in Europa, und dass er stetig zugenommen habe: „In den letzten Jahren hat dieses kriminelle Geschäft durch die Globalisierung eine neue Dimension erhalten. Heute gehört der Menschenhandel zu den am stärksten globalisierten kriminellen Märkten unserer Zeit.“ Aufgrund der ebenfalls durch die Globalisierung geförderten weltweiten Migration sei es für Polizei und Einwanderungsbehörden oft sehr problematisch festzustellen, wer Opfer von Menschenhandel sei, sagte sie.
Dr. Robert Oberloher von der Hochschule der Polizei Hamburg ist Politologe und Kriminologe. Er führte Gesetzesunterschiede zwischen den Bundesländern an und sprach sich für eine einheitliche bundesweite Kooperation staatlicher und nichtstaatlicher Stellen aus.
Die Geschäftsführerin des KOK (Bundesweiter Koordinationskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess), Naile Tanis, sprach als letzte Rednerin in der öffentlichen Anhörung in erster Linie über die Themen Opferhilfe und Opferschutz und stellte in diesem Zusammenhang die die Problematik des fehlenden Zeugnisverweigerungsrecht in der Praxis der spezialisierten Fachberatungsstellen für Betroffene des Menschenhandels dar. In Deutschland, führte sie aus, gibt es etwa 50 Fachberatungsstellen (FBS) für Betroffene des Menschenhandels. Die Mitarbeiterinnen der FBS sind in der Regel Sozialarbeiterinnen. „Sie unterliegen zwar der Schweigepflicht, ein berufliches Zeugnisverweigerungsrecht gemäß der Strafverfahrensordnung steht ihnen jedoch nicht zu“, erklärte Naile Tanis. Ein profundes Vertrauensverhältnis zwischen Betroffenen und Beraterinnen sei elementar. „Es kommt jedoch immer wieder vor, dass Beraterinnen als Zeuginnen im Strafverfahren vorgeladen werden, um über das ihnen von den Klientinnen Anvertraute auszusagen“, fährt Tanis fort. Die Folge ist eine Belastung und Gefährdung des Vertrauensverhältnisses zwischen Beraterin und Klientin. Da die Beraterin die Klientin darauf hinweisen muss, dass sie zu allem, was ihr die Klientin anvertraut, eventuell vor Gericht aussagen muss, können wichtige Informationen verloren gehen. Dies ist auch nicht im Sinne der Strafverfolgung. Deshalb „ist dringend zu empfehlen, die strafprozessualen Möglichkeiten des Zeugnisverweigerungrechtes um die Berufsgruppe der Beraterinnen von Fachberatungsstellen zu erweitern“. Diese Ausführung der KOK-Geschäftsführerin wurden von den Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses sehr positiv aufgenommen.
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