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Die 2010 vom Bildungsministerium in Auftrag gegebene „leo. Level-One Studie“ hat ergeben, dass in Deutschland rund 7,5 Millionen Analphabeten zwischen 18 und 65 Jahren leben. Sie können einzelne Sätze lesen oder schreiben, jedoch keine Texte. Rund vier Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten im engeren Sinne: Sie können einzelne Wörter lesen und schreiben, aber keine ganzen Sätze. Von ihnen sind laut Studie etwa 57 Prozent erwerbstätig. Wie Professor Anke Grotlüschen, die die Studie geleitet hat, dem Ausschuss mitteilte, sind dabei vor allem an- und ungelernte Arbeitnehmer betroffen. Das Berufsbildungssystem sei hingegen „einigermaßen erfolgreich“.
Dennoch gebe es auch unter den Auszubildenden funktionale Analphabeten, betonte Günter Lambertz vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Ein Großteil von ihnen bestehe jedoch die Prüfung am Ende der Ausbildung. Dies zeige, dass Hilfe und Druck durch Unternehmen durchaus Erfolg haben können. Jedoch wies Lambertz zugleich darauf hin, dass das Thema Analphabetismus im eigenen Betrieb bei zahlreichen Unternehmen auf Unverständnis stoße.
„Das Problem trifft die Mitte der Gesellschaft“, sagte Matthias Anbuhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund Bundesvorstand. Von dem Ziel der Weltalphabetisierungsdekade von 2003 bis 2012, die Zahl der Analphabeten zu halbieren, sei Deutschland weit entfernt. Die von Bund und Ländern beschlossene nationale Strategie begrüßte er nachdrücklich, betonte jedoch, dass sie hinter den Anforderungen zurückbleibe. Vor allem fehlten eigene Ansätze der Länder. Zudem sei die Bundesagentur für Arbeit in der Pflicht, die derzeit vor allem kurzfristige Hilfen finanziere. „Die Maßnahmen greifen ins Leere, wenn die betreffende Person nicht anständig lesen und schreiben kann“, betonte Anbuhl.
Bei der nationalen Strategie dürfe es nicht allein um das Lesen und Schreiben lernen gehen, betonte Ulrich Aengenvoort vom Deutschen Volkshochschul-Verband. Ziel müsse vielmehr sein, die volle berufliche, gesellschaftliche und ökonomische Teilhabe der Betroffenen zu gewährleisten. Ein flächendeckendes, wohnortnahes Grundbildungsangebot sei notwendig, das alle Lebensbereiche umfasse und von allen gesellschaftlichen Kräften getragen werde. Dazu seien unter anderem neue Kursleiter, ein gemeinsames Curriculum und Schwerpunkteinrichtungen nötig.
Die Länder müssten sich der Herausforderung stellen, bundesweit rund 100.000 Kursplätze zur Verfügung zu stellen, sagte Peter Hubertus, Geschäftsführer des Bundesverbands Alphabetisierung und Grundbildung. Wichtig sei zudem die Einrichtung von Clearingstellen, die die Aktivitäten von Bund und Ländern zusammenführen. „Es dürfen keine Parallelstrukturen aufgebaut werden“, betonte er. Zudem forderte er eine „verlässliche Grundbildungsinfrastruktur“. Bislang seien die Fördermaßnahmen vom Bund vor allem projektbezogen.
Jörg Maas von der Stiftung Lesen wies darauf hin, dass jeder fünfte 15-Jährige ein defizitäres Textverständnis habe. Diese Jugendlichen liefen Gefahr, irgendwann als Analphabeten in der Statistik aufzutauchen. Er forderte Kontinuität in der Alphabetisierung, die bereits bei der frühkindlichen Bildung anfangen müsse und nicht nur die 18- bis 65-Jährigen im Blick habe.
Auf das Thema Alphabetisierungsarbeit bei Migranten machte Carola Cichos vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufmerksam. Laut leo-Studie haben 4,4 Millionen Analphabeten Deutsch als Muttersprache, 3,1 Millionen haben eine andere Sprache als Erstsprache. Pro Jahr besuchten jedoch nur 12.000 von ihnen einen Alphabetisierungskurs, sagte Cichos. Da herrsche eine große Diskrepanz.
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