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Der Regierungsentwurf „zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung“ (PNG) sieht eine Erhöhung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte auf 2,05 Prozent – bei Kinderlosen auf 2,3 Prozent – vor. Mit den zusätzlichen Mitteln in Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro sollen unter anderem Demenzkranke besser unterstützt und neue Wohnformen in der Pflege gefördert werden.
Die Koalitionsfraktionen wollen zudem die private Pflege-Zusatzvorsorge finanziell fördern. Wer privat mit einer Pflegetagegeldversicherung vorsorgt, soll nach dem Willen der Unions- und der FDP-Fraktion eine staatliche Zulage von fünf Euro pro Monat erhalten. Voraussetzung dafür ist unter anderem die Vollendung des 18. Lebensjahres. Wer den „Pflege-Bahr“ haben möchte, muss selbst mindestens zehn Euro monatlich in die Versicherung einzahlen. Ausgenommen von der Zulage sind Personen, die bereits Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen oder bezogen haben. Die Versicherungsunternehmen können dem Entwurf zufolge für die Leistungsgewährung eine Wartezeit von bis zu fünf Jahren vereinbaren. Eine Gesundheitsprüfung, Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse sind nach dem Willen der Koalition nicht zulässig.
Die Oppositionsfraktionen kritisierten das PNG im Ausschuss scharf. Insbesondere das Fehlen eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und der „Pflege-Bahr“ stießen auf deutliche Ablehnung. Aus Sicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen habe die Reform nicht mit einer dringend notwendigen nachhaltigen Finanzierung der Pflege zu tun. Die Fraktion Die Linke sprach von einer „Pflege nach Kassenlage“. Die SPD-Fraktion monierte, die Koalition habe mit dem vorliegenden Gesetzentwurf „eine große Chance“ verpasst, die Situation der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen wirklich zu verbessern. Beim „Pflege-Bahr“ gehe es vor allem darum, der privaten Versicherungswirtschaft „eine Tür zu öffnen“. Vertreter der Koalitionsfraktionen sowie de Bundesregierung wiesen die Kritik zurück. Mit dem PNG würden deutliche Verbesserungen insbesondere für Demenzkranke und pflegende Angehörige erreicht. Die Förderung der Pflegezusatzvorsorge erleichtere den Menschen, die Lücke zwischen den Leistungen der Pflegeversicherung und den für die Pflege notwendigen Aufwendungen zu schließen.
Mit dem PNG hat der Gesundheitsausschuss auch eine Reform der Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft verabschiedet. Die Regelungen sollen von der Reichsversicherungsordnung (RVO) in das Fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V) überführt werden. Ferner soll der Anspruch auf ambulante Entbindung ausdrücklich geregelt werden. Als mögliche Geburtsorte werden in der Vorlage das Krankenhaus, eine von einer Hebamme oder einem Entbindungspfleger geleitete Einrichtung, eine ärztlich geleitete Einrichtung, eine Hebammenpraxis sowie die Hausgeburt genannt. Außerdem dürfen Krankenkassen künftig in ihren Satzungen zusätzliche von Hebammen erbrachte Leistungen aufnehmen.
Der vom Gesundheitsausschuss gegen die Stimmen der SPD und der Linksfraktion bei Enthaltung der Grünen verabschiedete Gesetzentwurf zur Reform des Arzneimittelrechts sieht unter anderem Maßnahmen vor, das Eindringen gefälschter Arzneimittel in die legale Lieferkette wirksamer zu verhindern, etwa indem die Handelswege transparenter gemacht werden. Grundlage hierfür ist eine EU-Richtlinie. Weiteres Ziel ist die Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Pharmakovigilanz. Damit ist die Überwachung von auf dem Markt befindlichen Arzneimitteln auf Nebenwirkungen gemeint, die beispielsweise in den Zulassungsstudien noch nicht entdeckt wurden. Auch hierzu liegen EU-Richtlinien vor.
Während die Oppositionsfraktionen die hierzu eingeschlagenen Schritte im wesentlichen billigten, kritisierten sie vor allem die mit dem Entwurf geplante Liberalisierung des Heilmittelwerbegesetzes. Dabei geht es etwa um die Lockerung des Werbeverbots für nicht verschreibungspflichtige Schlaf- und Beruhigungsmittel. Dagegen votierten die Abgeordneten einstimmig für einen Änderungsantrag der Koalition zur ambulanten Palliativversorgung. Danach dürfen Ärzte künftig in speziellen Notfallsituationen sterbenskranken Patienten in der ambulanten Behandlung Betäubungsmittel zur Verfügung stellen.
Die Linke konnte sich mit ihrem Vorstoß, den Medikamenten-Versandhandel auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu beschränken, nicht durchsetzen. Die SPD-Fraktion kritisierte, dass die Abgabe von Arzneimitteln über sogenannte Pick-up-Stellen, etwa in Drogeriemärkten, nicht verboten werde. Die Koalitionsfraktionen machten im Ausschuss deutlich, dass mit dem Gesetzentwurf ein wichtiger Beitrag zur Sicherheit von Arzneimitteln geleistet werde.
Mit dem Gesetzentwurf soll auch das Arzneimittelneuordnungsgesetz (AMNOG) geändert werden. Danach können Pharmafirmen für ein Medikament eine neue Nutzenbewertung beantragen, wenn der Zusatznutzen wegen fehlender Nachweise als nicht belegt gilt. Dies könne insbesondere dann der Fall sein, wenn das pharmazeutische Unternehmen von der vom Gemeinsamen Bundesausschuss genannten zweckmäßigen Vergleichstherapie abgewichen ist, heißt es in der Begründung. Die Möglichkeit zur erneuten Nutzenbewertung soll nur übergangsweise gelten.
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