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Grundlage der Anhörung war der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung einer Markttransparenzstelle für den Großhandel mit Strom und Gas (17/10060). Darin schreibt die Regierung, es fehle ein Gesamtüberblick über das Marktgeschehen, der mögliche Manipulationen aufdecken könne. Zur Beobachtung der Preisentwicklung an Tankstellen heißt es, das Bundeskartellamt habe Wettbewerbsdefizite aufgrund der hohen Marktkonzentration festgestellt. „Wegen dieser unverändert fortbestehenden oligopolistischen Marktstruktur sowie der Homogenität von Kraftstoffen und der hohen Transparenz der Preise für Wettbewerber ist es gerechtfertigt, dass eine Behörde die Preisveränderungen im Tankstellensektor eingehender betrachtet“, heißt es in dem Entwurf.
Der BDI verlangte in seiner Stellungnahme, das Transparenzsystem müsse europaweit abgestimmt sein. Sonst würden doppelte Berichtspflichten gelten, warnte die Industrie mit Blick auf die seit November letzten Jahres geltende europäische Transparenzverordnung REMIT (Europäische Verordnung über Energiemarktintegrität und -transparenz): „Wenn der deutsche Sonderweg zu erheblichen weiteren Kosten für die Industrie führt, können hieraus auch höhere Energiepreise resultieren.“ Professor Fritz Helmedag (Technische Universität Chemnitz) erschienen die durch die Schaffung der Markttransparenzstelle erwarteten Effekte überzogen. Sie würden „nur in bescheidenem Maße“ zur Verbesserung der Marktergebnisse beitragen.
Der Verband der Strom- und Gashändler (EFET), der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der Verband der industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) hielten die Einführung einer nationalen Marktransparenzstelle vor der Hintergrund der REMIT-Verordnung für nicht erforderlich: „Im Gegenteil laufen nationale Stellen, deren Aufgabe die Sammlung von Daten ist, den Zielen von REMIT diametral entgegen.“ Deshalb lehnte auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) die Transparenzstelle ab, denn sie „widerspricht dem Leitgedanken eines europäischen Energiebinnenmarktes“. Wie der BDI beklagte die Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland (MEW) in einer schriftlichen Stellungnahme den hohen administrativen Aufwand mit Anfangsinvestitionen in einer Größenordnung von 200 Millionen Euro.
Für Professor Daniel Zimmer, den Vorsitzenden der Monopolkommission, ist die von der Regierung geplante laufende Marktbeobachtung des Kraftstoffmarktes mithilfe einer Marktransparenzstelle „recht wirkungslos“. Das Bundeskartellamt riet in diesem Zusammenhang dazu, nur die Preise der fünf günstigsten Tankstellen in einer Region zu veröffentlichen. Dies lehnte der Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen (UNITI) ab: „Totale Transparenz ist besser. “
Die Strombörse EEX erklärte zu der erwarteten preisdämpfenden Wirkung durch die präventive Abschreckungswirkung der Markttransparenzstelle, bisher sei kein Missbrauch festgestellt worden. Man halte es auch für einen Trugschluss, „dass lediglich durch eine verstärkte Aufsicht niedrige Preise zu erreichen seien“. Das Bundeskartellamt begrüßte zwar die Einrichtung der Transparenzstelle, beklagte jedoch den eheblichen bürokratischen Aufwand, der durch die vorgesehenen Meldepflichten entstehe. Positiv äußerte sich die Bundesnetzagentur, die der Bundesregierung im Gegensatz zu den Wirtschaftsverbänden bescheinigte, sie setze die REMIT-Verordnung „zielführend“ um. Auch UNITI setzte sich für ein kosteneffizientes und wenig Bürokratie verursachendes System der Preisbildung ein. Die Organisation „8KU“, eine Kooperation mehrerer Energieunternehmen, hielt die Einführung einer Markttransparenzstelle für einen wichtigen Schritt, Wettbewerbseinschränkungen und -verzerrungen im Stromerzeugungsmarkt einzudämmen, hat jedoch unter anderem wegen des hohen administrativen Aufwands „Zweifel an der Zielerreichung des Gesetzentwurfs“.
„In jedem Fall richtig und notwendig“ ist die Markttransparenzstelle aus Sicht von Professor Uwe Leprich (Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes): „Vor dem Hintergrund der bestehenden Marktmacht und der Erfahrungen, wie mit dieser Marktmacht in der Vergangenheit umgegangen worden ist, ist nach wie vor erhebliches Misstrauen gegenüber den marktmächtigen Unternehmen angezeigt.“
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