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Dr. Helmut Born vom Deutschen Bauernverband forderte ein „behutsames Vorgehen“ bei der Umsetzung der Novelle. Deutsche Landwirte würden durch zu scharfe Regelungen im globalen Wettbewerb einseitig benachteiligt. Er forderte, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzen soll, dass die selben Tierhaltungsstandards in allen EU-Mitgliedstaaten gelten. Dem möglichen Verbot des Schenkelbrandes erteilte Born eine Absage, „denn es ist ein Kulturgut“. Seiner Ansicht nach würde das Setzen des Brandzeichens nicht mehr Stress bei Fohlen verursachen als das sogenannte Chippen. Stattdessen forderte er, alternativ zum Chippen den Schenkelbrand weiterhin zu erlauben, wie es auch das EU-Recht vorsehe.
Thomas Schröder vom Deutschen Tierschutzbund widersprach und setzte sich für ein Verbot des Schenkelbrandes ein. Denn aus Sicht des Tierschutzes gebe es keinen Grund, der für das Brandzeichen spreche. Die Methode sei veraltet und unsicher. Beim Brennen entstünden deutliche Gewebeschäden und die eingebrannten Zeichen seien später selbst von Experten schwer zu entziffern. Im Vergleich zur Transponderkennzeichnung, die auch einen Schmerzreiz verursache, sei das Brennen aufgrund der länger beobachtbaren Reaktionszeit als stärker Schmerz zu beurteilen. Des Weiteren kritisierte Schröder den schleppenden Vollzug bereits geltender Gesetze zum Schutz von Tieren. „Das muss verbessert werden“, sagte er. „Sonst sei das Gesetz nur gut gemeint.“
„Ein Verbot des Schenkelbrandes ist nicht sachgerecht“, befand hingegen Prof. Dr. Volker Steinkraus vom Dermatologikum Hamburg. Die äußere Haut von Säugetieren sei evolutionsbedingt auf Verletzungen vorbereitet. Aus wissenschaftlicher Sicht sei der Heißbrand als komplikationsfreie und artgerechte Kennzeichnungsmethode zu bewerten. Hingegen seien die kurz- und langfristigen Auswirkungen des Chips auf Gesundheit und Psyche der Pferde unbekannt. Die Implantation von Chips könne zu erheblichen Komplikationsraten führen.
Der Einzelsachverständige Jochen Dettmer sprach sich gegen die Ferkelkastration ohne Narkose aus. Das Gesetz sieht ein Verbot nicht vor dem Jahr 2017 vor. Die betäubungslose Ferkelkastration ist aus seiner Sicht nicht mehr notwendig, weil wirtschaftliche Technologien als Alternativen am Markt seien, die schonende Eingriffe ermöglichen. Der Arbeitsaufwand sei zwar höher, aber würde zur Schmerzreduzierung führen.
Der Jurist und Einzelsachverständige Dr. Thorsten Gerdes blickte rechtsphilosophisch auf die Bedingungen der Tierhaltung. Der moderne Verfassungsstaat ruhe laut seiner Stellungnahme auf der Prämisse einer qualitativen Unterscheidung von Mensch und Tier. Tierquälerei sei im Wesentlichen Ergebnis ökonomischer Sachzwänge und deshalb sei eine Intensivierung der Tierschutzbemühungen wünschenswert. Probleme sah er in der unzureichenden strafrechtlichen Ahndung der Tierquälerei. Gerdes forderte den „Ausbau behördlicher Tierschutzbeauftragter“ und die Ermöglichung der Verbandsklage in Tierschutzfragen.
Dr. Manfred Liebsch vom Bundesinstitut für Risikobewertung begrüßte die Novellierung in den Belangen des Schutzes von Versuchstieren. Bereits durch die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz als Staatsziel sei eine Werterhöhung erreicht worden, heißt es aus seiner Stellungnahme. Das habe zu einer stärkeren Rechtfertigungsbedürftigkeit von Handlungen geführt, die Tiere belasten. Zudem befördere es das staatliche Bemühen um wissenschaftliche Erkenntnisse zu Fragen des Tierschutzes. So reduziere zum Beispiel der verstärkte Einsatz bildgebender Verfahren den Eingriff bei Versuchstieren, führte er im Ausschuss aus.
Dass in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern deutlich schärfere Tierschutzregeln gelten, stellte der Sachverständige Prof. Dr. Steffen Hoy fest. Er betonte, dass die Diskussionen um Tierwohlaspekte sehr emotional geführt würden, obwohl nicht klar sei, was darunter zu verstehen ist. Hoy zählte als wichtigste Tierwohlkriterien unter anderem eine niedrige Sterblichkeitsrate, geringe Erkrankungshäufigkeit, physiologische Kenngrößen, wie die Herzfrequenz, und das Verhalten der Tiere auf.
Prof. Martin Lohse stellte fest, dass „die Wissenschaft mit dem Gesetzentwurf leben kann“. Er führte aus, dass jeder Mensch das Recht auf körperliche Unversehrtheit habe. „Wir erwarten, dass der Staat alles dafür tut, Diagnostik und medizinische Verfahren zu verbessern.“ Aus diesem Grund müsse hinsichtlich des den Versuchstieren zugefügten Leides eine Abwägung stattfinden, um letzten Endes heilen zu können. „Wenn für die Rechte der Tiere die Verbandsklage ermöglicht werden soll, dann muss das Verbandsklagerecht auch für die Rechte der Patienten eingeführt werden“, gab Lohse zu bedenken.
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