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Nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 (17/11314) sollen sogenannte Streubesitzdividenden, die an ausländische Unternehmen gezahlt werden, steuerfrei sein. Das Gericht hatte die Erhebung der Abgeltungssteuer auf Dividendenzahlungen an ausländische Unternehmen untersagt, wenn die Beteiligung unter zehn Prozent liegt und damit die sogenannte „Mutter-Tochter-Richtlinie“ keine Anwendung findet. In diesen Fällen war bisher Kapitalertragsteuer von 25 Prozent einbehalten worden, bei Vorhandensein eines Doppelbesteuerungsabkommens 15 Prozent. Bei inländischen Unternehmen wurde zwar auch die Kapitalertragsteuer erhoben, sie wurde jedoch mit der Körperschaftsteuer verrechnet. Die unterschiedliche Behandlung in- und ausländischer Unternehmen war vom EuGH als Verstoß gegen europäisches Recht angesehen worden. Die betroffenen Körperschaften sollen eine Erstattung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragssteuer verlangen können.
Der Verband der Auslandsbanken begrüßte den Entwurf „ausdrücklich“ und regte an, auch eine Regelung für Bezüge und Gewinne bei Streubesitzbeteiligungen, die indirekt über Investmentvermögen gehalten würden, einzuführen. Zudem dürften Ausländer, die über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft Dividenden beziehen, nicht von der Erstattungsmöglichkeit ausgeschlossen werden. Genauso äußerte sich der Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften.
Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft lobte, der Gesetzentwurf führe „zu einer europarechtskonformen und zugleich den Haushalt schonenden Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH“. Auch die Unternehmensberatungsgesellschaft Ernst & Young sprach von einer „grundsätzlich richtigen Maßnahme“, und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft HLB unterstützte den Entwurf „insbesondere aus mittelständischer Sicht“. Der deutsche Fondsverband BVI zeigte sich erfreut, dass die vom Gericht beanstandete Ausländerdiskriminierung beseitigt werden soll.
„In der Sache erscheinen mir sowohl die Grundentscheidung für eine körperschaftsteuerliche Freistellung von Dividenden im Ganzen als auch der konkrete Inhalt des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen als insgesamt sinnvoll“, stellte Professor Ekkehart Reimer (Universität Heidelberg) in seiner Stellungnahme fest.
Kritisiert wurden unter anderem von der Kreditwirtschaft Vorschläge des Bundesrates, wonach das Urteil durch Einführung einer Steuerpflicht der Erträge aus Streubesitz für deutsche Unternehmen umgesetzt werden solle. „Die von Länderseite geforderte Steuerpflicht für Streubesitzdividenden führt zu einer systemwidrigen Mehrfachbesteuerung desselben Gewinns mit Körperschaftsteuer zusätzlich zur Gewerbesteuer und damit zu einer drastischen Steuererhöhung“, warnte die Kreditwirtschaft. Der Kaskadeneffekt führe zu einer Steuerbelastung von 75 Prozent bei Dividendenausschüttungen an Privatpersonen. Auch die Bundessteuerberaterkammer warnte vor einer Mehrfachbesteuerung, die zu einem Systembruch führen würde.
Dagegen hielt Jürgen Brandt, der Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages, sowohl den Koalitionsentwurf als auch die Vorstellungen des Bundesrates für geeignet, „die unionsrechtswidrige Diskriminierung durch das bestehende Recht zu beseitigen“. Die Entscheidung für oder gegen eine Steuerfreiheit von Streubesitzdividenden sei im Wesentlichen eine „politische“ Entscheidung. Eine Pflicht des Gesetzgebers zur Steuerfreistellung von Dividenden sei „weder aus unionsrechtlicher oder verfassungsrechtlicher Sicht erkennbar“. Auch habe das Gericht keine Vorgaben für eine Neuregelung gemacht. Stefan Breinersdorfer (Finanzministerium Rheinland-Pfalz) erklärte, aus steuersystematischer Sicht spreche mehr für die Besteuerung als dagegen, während Professor Dietmar Gosch (Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof) die Besteuerung als einen „Akt des Verböserns zu Lasten aller“ bezeichnete.
Professor Achim Truger (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) schätzte die zusätzliche Belastung der Wirtschaft bei einer Besteuerung der Streubesitzdividenden auf rund 500 Millionen Euro. Das sei „kein Riesenbetrag und verkraftbar“. Die Koalition geht davon aus, dass die Steuerbefreiung 2013 und 2014 zusammen rund drei Milliarden Euro Steuerausfälle nach sich ziehen wird. Die Summe wird zum Teil auf Erstattungen für frühere Jahre zurückgeführt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund übte scharfe Kritik an diesen Steuerausfällen.
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