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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 17. Januar 2010)
- bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung -
CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich hat sich gegen Überlegungen für ein Punktesystem für ausländische Fachkräfte ausgesprochen. Ein solches Punktesystem „führt dazu, dass Arbeitskräfte zu uns kommen, ohne dass gesichert ist, dass sie einen Arbeitsplatz haben und in diejenige Region kommen, in der sie gebraucht werden“, sagte Friedrich der Wochenzeitung „Das Parlament“. Der Bundestag debattiert an diesem Donnerstag über einen entsprechenden Antrag der Grünen-Fraktion. Zum Verweis auf Kanada als Vorbild für ein solches Punktesystem sagte Friedrich, Kanada und Deutschland seien „schon nach Größe und Einwohnerzahl kaum zu vergleichen. In Kanada finden trotz Punktwert und Berufsbedarf zudem viele Zuwanderer keine ihrer Qualifikation entsprechende Arbeit.“ Der großzügige Familiennachzug würde das Punktesystem weiter untergraben. Friedrich: „In Deutschland würde daraus ein Einfallstor zur Zuwanderung in die Sozialsysteme.“
Wo wirklich Fachkräfte in Deutschland gesucht würden, gelte, dass „Deutschland ein weltoffenes Land“ sei. Es müsse aber dabei bleiben, dass ein konkreter Arbeitsplatz nachgewiesen werden müsse. Und die Vorrangprüfung zugunsten einheimischer Arbeitnehmer müsse bleiben. Friedrich wandte sich gegen Pläne von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, die Verdienstschwelle von 66.000 Euro abzusenken, bei der Ausländer ohne Vorrangprüfung nach Deutschland kommen können. Friedrich: „Das halte ich für eine abwegige Diskussion. Das Argument, Deutschland müsse vor allem Hochqualifizierte gewinnen, passt nicht zur Forderung, die Verdienstgrenze weiter zu senken.“
Friedrich mahnte, die Wirtschaft müsse „junge Leute ausbilden und Ältere fortbilden. Und sie muss europäisch denken, das heißt etwas dafür zu tun, dass die 22 Millionen Arbeitslosen in Europa, davon drei Millionen Akademiker, eine Perspektive haben.“ Der CSU-Politiker sagte, es gebe „keinen Anlass, vor dem Stichdatum 1. Mai und dem Start der Freizügigkeit für die EU-Osteuropäer über irgendwelche rechtlichen Veränderungen auch nur zu diskutieren“.
Das Interview im Wortlaut:
Der Bundestag debattiert in dieser Woche über einen Antrag der Grünen-Fraktion, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, über ein Punktesystem die Einwanderung ausländischer Fachkräfte zu regeln. Was halten Sie davon?
Wir halten ein solches Punktesystem für ungeeignet. Es führt dazu, dass Arbeitskräfte zu uns kommen, ohne dass gesichert ist, dass sie einen Arbeitsplatz haben und in diejenige Region kommen, in der sie gebraucht werden. Auch würde dann nicht mehr geprüft, ob für die entsprechende Berufsgruppe möglicherweise schon arbeitsuchende Inländer auf den Arbeitsplatz dringend warten.
Kanada wird als positives Beispiel für ein solches Punktesystem genannt…
Kanada und Deutschland sind schon nach Größe und Einwohnerzahl kaum zu vergleichen. In Kanada finden trotz Punktwert und Berufsbedarf zudem viele Zuwanderer keine ihrer Qualifikation entsprechende Arbeit. Der großzügige Familiennachzug untergräbt das Punktesystem weiter. In Deutschland würde daraus ein Einfallstor zur Zuwanderung in die Sozialsysteme: Wer in Kanada wegen des Punktesystems etwa als Ingenieur einwandert, dort aber keine Arbeit in diesem Beruf findet, muss sehen, wie er sich bei McDonald´s oder als Taxifahrer durchschlagen kann. Wer in Kanada nicht arbeitet, muss entweder das Land wieder verlassen oder in Armut leben. Unser deutsches Sozialsystem dagegen ist darauf ausgerichtet, jeden zu fördern und zu fordern. Das Geld der deutschen Steuerzahler reicht aber mit Sicherheit nicht aus, den Rest der Welt zu fördern und zu fordern.
Aber es gibt derzeit Mangel in einigen Bereichen, so bei Ärzten, der IT-Branche oder auch Pflegekräften. Da muss doch etwas getan werden …
Wo wirklich Kräfte gesucht werden, gilt selbstverständlich: Deutschland ist ein weltoffenes Land und es ist klar, dass wir Arbeitskräfte und Fachkräfte willkommen heißen. Aber zweierlei ist nötig: Es muss ein konkreter Arbeitsplatz nachgewiesen werden. Und man muss prüfen, ob nicht genau so gut qualifizierte arbeitsuchende Inländer Vorrang haben. Dieses Vorrangprinzip muss weiter gelten und möglichst unbürokratisch durchgeführt werden. Wir hatten 2010 über 100.000 solcher Anträge auf Vorrangprüfungen, die zu weit über 90 Prozent genehmigt wurden. Wenn in einer Region oder Branche ein großer Bedarf an Fachkräften besteht, der nicht aus dem eigenen Potenzial gedeckt werden kann, gibt es auch noch die Möglichkeit, die Vorrangprüfung pauschal vorweg zu nehmen. Das ist Zuständigkeit der Bundesarbeitsministerin. Zudem können besonders Hochqualifizierte wie Hochschulprofessoren oder Leute, die mindestens 66.000 Euro verdienen, auch ohne Vorrangprüfung nach Deutschland kommen.
Nach den Plänen von Ministerin von der Leyen sollen Migranten auch kommen dürfen, wenn sie hier weniger als 66.000 Euro verdienen. Was sagen Sie dazu?
Das halte ich für eine abwegige Diskussion. Das Argument, Deutschland müsse vor allem Hochqualifizierte gewinnen, passt nicht zur Forderung, die Verdienstgrenze weiter zu senken. Hier geht es um eine spezielle Ausnahmevorschrift bei der Vorrangprüfung. Selbstverständlich kann jeder kommen, auch wenn er weniger als 66.000 Euro im Jahr verdient. Es muss nur ein entsprechender Arbeitsplatz nachgewiesen und eine Vorrangprüfung kurz und unbürokratisch durchgeführt werden. Auf diese Bedingungen wollen wir nicht verzichten. Ausnahmen von der Vorrangprüfung müssen sehr gut begründet sein und dürfen nur in einem sehr engen Anwendungsbereich Platz greifen.
Wie kann sichergestellt werden, dass es durch die Freizügigkeit von Osteuropäern ab Mai nicht zu weiterem Tarifabbau hierzulande kommt?
Dieses Thema beschäftigt oft die Koalition. Ich halte es für merkwürdig, dass dieselben Leute, die uns auffordern, Lohndumping in Deutschland zu verhindern, uns jetzt auffordern, die Schleusen für Zuwanderung von Ausländern zu öffnen. Wir wollen, dass die Freizügigkeit ab Mai begleitet wird durch eine Übertragung der deutschen Tarifbedingungen, auch was die Mindestlöhne angeht, auf Zeitarbeitskräfte aus Osteuropa.
Ihr Koalitionspartner FDP sträubt sich gegen Mindestlöhne bei der Zeitarbeit …
Wir sind mit der FDP in Verhandlungen. Umstritten ist nicht das Grundprinzip der Übertragung der deutschen tariflichen Mindestlöhne auf die Osteuropäer, sondern es geht um die gesetzgeberische Ausgestaltung. Wir halten das Entsendegesetz für einen einfachen und praktikablen Weg. Die FDP setzt auf das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Man kann auch dieses entsprechend ausgestalten, so dass es die gleiche Funktion erfüllt.
Kritiker argwöhnen, es gehe der deutschen Wirtschaft in der Debatte primär um Lohndumping zulasten der Arbeitnehmer…
Ich würde es ihr nicht pauschal unterstellen, auch wenn es wohl das ein oder andere schwarze Schaf gibt, das in diesen Kategorien denkt. Unsere Botschaft an die deutsche Wirtschaft heißt: Wir müssen unser eigenes Potenzial ausschöpfen! Zu bedenken geben wir dabei auch, dass jeder Mensch hierzulande ohne Arbeit unser Sozialsystem belastet, das die Wirtschaft mitbezahlen muss. Deshalb sagen wir: Die Wirtschaft muss junge Leute ausbilden und Ältere fortbilden. Und sie muss europäisch denken, das heißt etwas dafür zu tun, dass die 22 Millionen Arbeitslosen in Europa, davon drei Millionen Akademiker, eine Perspektive haben. Europa ist unsere gemeinsame Zukunft, auch ökonomisch und auf dem Arbeitsmarkt.
Apropos Ausschöpfen der Potenziale: Unter den Millionen Arbeitslosen hierzulande sind viele Langzeitarbeitslose, bei denen die meisten eher gering qualifiziert sind. Sehen Sie auch da viele Kandidaten für eine Weiterqualifizierung?
Es gibt viele Ansätze, Langzeitarbeitslose, die aus verschiedensten Gründen in dieser Situation sind, wieder ins Arbeitsleben zu integrieren. Die Zeitarbeit ist eine Möglichkeit. Eine zweite Möglichkeit sind spezielle Arbeitsförderungsprogramme, um so das Interesse der Wirtschaft an Langzeitarbeitslosen zu fördern. Wir haben auch Programme für Menschen, die weniger theoretisch, aber mehr im Praktischen begabt sind. Wir haben also viele Möglichkeiten, arbeitslosen Menschen zu helfen, wieder am Arbeitsleben entsprechend ihren Fähigkeiten teilzunehmen. Das müssen wir weiter ausarbeiten und differenzieren, damit diese Menschen einen Beitrag zu unserem Wohlstand leisten können. Sicher sind viele Stellen, die angeboten werden, für einen seit längerem Arbeitslosen eine zu große Herausforderung. Aber es gibt im Arbeitsleben genug Menschen, die schwierigere Aufgaben bewältigen können, als sie bisher haben – es ist auch eine Aufgabe der Wirtschaft, Arbeitsplätze und Arbeitsuchende zusammenzubringen.
Die CSU steht in der Frage Fachkräfte-Zuwanderung SPD oder Linkspartei näher als dem Koalitionspartner FDP, aber auch den CDU-Bundesministern von der Leyen und Schavan. Kann die CSU ihre Position in der Koalition beibehalten?
Wir sind Partner in einer Koalition. Die CSU hat eine klare Haltung in dieser Diskussion. Wir haben auch gute Argumente dafür, es ist keine Sturheit. Viele Experten teilen unsere Haltung. Selbstverständlich trägt die Politik einer Koalition immer die Handschrift aller Parteien. Insofern sehe ich überhaupt keinen Grund, unsere Position aufzugeben.
Wann könnte sich die Koalition in dieser Frage einigen?
Wir haben keinen Anlass, vor dem Stichdatum 1. Mai und dem Start der Freizügigkeit für die EU-Osteuropäer über irgendwelche rechtlichen Veränderungen auch nur zu diskutieren. Selbst die glühendsten Befürworter von Zuwanderungsplänen müssen sich dem Argument beugen, erst einmal den 1. Mai abzuwarten, um dann überhaupt qualifiziert über das Thema Zuwanderung diskutieren zu können. Insofern schlage ich vor, in einem Jahr darüber weiterzureden.
In der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“, Nr. 3, lesen Sie:
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