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Nach der eingeschränkten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik dringt die Bundesärztekammer (BÄK) auf einen engen Anwendungsbereich. „Die Indikationen, bei denen die PID angewandt werden darf, müssen klar begrenzt sein“, sagte BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery der Wochenzeitung „Das Parlament“. Die Ärzteschaft wolle „auf jeden Fall verhindern, dass die PID zu einem Routineverfahren der In-Vitro-Fertilisation wird“. Montgomery fügte hinzu, er lehne es „völlig ab“, Embryonen auf Erbanlagen für Krankheiten zu testen, die in der Regel erst nach dem 30. Lebensjahr auftreten. „Da wird es wirklich gefährlich, auch weil wir nicht wissen, welche Therapien wir in 30, 40 Jahren haben. Außerdem können die Menschen mit entsprechenden Gendefekten Jahrzehnte ohne Erkrankung leben“, betonte der BÄK-Präsident.
Zugleich wandte er sich gegen eine Liste von Krankheiten, für die die PID zugelassen werden soll. Die Ärzte wollten keinen „vom Bundestag oder der Bundesregierung verabschiedeten Katalog haben, der zu einem Automatismus führt.“ Bei den Entscheidungen der geplanten PID-Kommissionen solle es „wirklich um Einzelfallprüfungen gehen“.
Zur Umsetzung des Parlamentsbeschlusses zum Umgang mit Embryonentests an künstlich erzeugten Embryonen sprach sich Montgomery für eine Orientierung an Frankreich aus. Dort gebe es drei zugelassene Zentren, an denen eine PID vorgenommen werden könne. Da der Gesetzgeber von wenigen hundert Paaren ausgehe, bei denen die PID in Frage kommt, reiche dies aus, sagte der BÄK-Präsident.
Mit Blick auf die im Bundestag diskutierte Reform des Transplantationsgesetzes plädierte Montgomery für die so genannte Entscheidungslösung. „Jeder Bürger sollte ein Mal im Leben erklären, ob er zur Organspende bereit ist“, sagte der Radiologe. Die Bundesärztekammer hoffe, „dass der Bundestag hier schnell zu Entscheidungen kommt“.
Das Interview im Wortlaut:
Herr Montgomery, wie hätten Sie im Bundestag beim Thema Präimplantationsdiagnostik (PID) abgestimmt?
Persönlich hätte ich den Gesetzentwurf für ein PID-Verbot unterstützt.
Warum?
In der PID ist immer auch ein Ansatz zur Selektion menschlichen Lebens angelegt. Diese lehne ich ab. Gleichwohl muss ich natürlich anerkennen, dass der Damm an anderer Stelle schon gebrochen ist. Die Pränataldiagnostik, also die Früherkennung in der Schwangerschaft, ist längst Standard und führt zur Abtreibung lebensfähiger Föten. Denken Sie allein daran, dass heute 95 Prozent der Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben werden. Ich sehe auch bei Gentests an künstlich erzeugten Embryonen die große Gefahr, dass am Ende alles gemacht werden könnte, was medizinisch-technisch möglich ist. Wir leben in einer Welt der Salami-Ethik, wo Stückchen für Stückchen abgeschnitten wird.
Der Bundestag hat sich – auch unter Verweis auf ein Memorandum der Bundesärztekammer – für den Gesetzentwurf entschieden, der eine begrenzte Zulassung der PID ermöglicht. Reichen die eingezogenen Beschränkungen aus?
Wir müssen jetzt genau darauf achten, wie wir das Gesetz umsetzen. Mit dem PID-Memorandum haben wir deutlich gemacht, dass die Ärzteschaft bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Wir möchten aber auf jeden Fall verhindern, dass die PID zu einem Routineverfahren der In-Vitro-Fertilisation wird. Die Indikationen, bei denen die PID angewandt werden darf, müssen klar begrenzt sein. Außerdem müssen die betroffenen Paare objektiv, unabhängig und sehr intensiv beraten werden, auch und gerade über das mühevolle und schwierige Procedere einer In-Vitro-Fertilisation. Diese ist – mit Hormonstimulation und operativer Entnahme von Eizellen – alles andere als ein einfacher Eingriff. Oft sind auch die Erwartungen zu hoch gesteckt. Selbst die besten Kinderwunschzentren kommen nicht über eine Erfolgsquote von 25 Prozent.
Künstlich erzeugte Embryonen sollen künftig auch auf schwere erbliche Krankheiten getestet werden können, die erst im Laufe des Lebens ausbrechen. Finden Sie das in Ordnung?
Ich lehne es völlig ab, auf Erbanlagen für Krankheiten zu testen, die in der Regel erst nach dem 30. Lebensjahr auftreten, etwa die Chorea Huntington. Da wird es wirklich gefährlich, auch weil wir nicht wissen, welche Therapien wir in 30, 40 Jahren haben. Außerdem können die Menschen mit entsprechenden Gendefekten Jahrzehnte ohne Erkrankung leben.
Mit der Entscheidung des Bundestags, die PID in Grenzen zuzulassen, ist eine hohe ethische Verantwortung für die Ärzte verbunden. Sind Sie mit dieser Rolle eigentlich glücklich?
Nein, glücklich sind wir mit der Rolle nicht. Aber ich glaube, dass man in unserer Gesellschaft Verantwortung übernehmen muss. Die Ärzteschaft ist dazu bereit.
Wie soll der Parlamentsbeschluss zur PID konkret umgesetzt werden?
Der Gesetzgeber geht von wenigen hundert Paaren aus, bei denen eine PID in Frage kommt. Dafür muss es nach meiner Auffassung nicht in jedem Bundesland ein eigenes PID-Zentrum geben. Wir sollten uns an Frankreich orientieren, wo es drei zugelassene PID-Zentren gibt. Dann bräuchte man auch nur drei PID-Kommissionen, die über jeden Einzelfall entscheiden.
Wer soll nach Ihrer Meinung in den Kommissionen sitzen?
Ärzte, die etwas von der Thematik verstehen, die aber nicht unbedingt selbst mit künstlichen Befruchtungen befasst sind, Theologen, Philosophen, Psychologen – wichtig ist, dass eine ausgewogene gesellschaftliche Bandbreite gewährleistet ist.
Drücken die Einführung der PID-Kommissionen nicht von vornherein ein Misstrauen gegen die Entscheidungskompetenz von Paaren aus, die Eltern werden wollen?
Das hat aus meiner Sicht weniger mit Misstrauen zu tun. In unserer Gesellschaft wird ein total überhöhter Wert auf die Erfüllung des eigenen Kinderwunsches gelegt. Ich wünsche mir, dass in den PID-Kommissionen mit den Paaren auch darüber geredet wird, ob die Erfüllung des Kinderwunsches das allein Seligmachende auf dieser Welt ist.
In der Bundestagsdebatte haben Befürworter der PID immer wieder darauf hingewiesen, dass es keinen Katalog an Krankheiten geben werde, für die die Methode zugelassen ist. Halten Sie das für wahrscheinlich?
Mancher wird seinen privaten Katalog im Kopf haben. Wir Ärzte wollen aber keinen vom Bundestag oder der Bundesregierung verabschiedeten Katalog haben, der zu einem Automatismus führt. Es soll wirklich um Einzelfallprüfungen gehen.
Was soll mit den befruchteten Eizellen gemacht werden, die nach einer PID nicht in die Gebärmutter eingepflanzt werden?
Es macht keinen Sinn, aussortierte Embryonen dauerhaft einzufrieren. Die Forschung an Embryonen ist in Deutschland zu Recht verboten. Man wird die überschüssigen Embryonen also sterben lassen müssen.
Herr Montgomery, im Bundestag geht es zurzeit um ein weiteres medizinethisches Thema: Diskutiert wird eine Änderung des Transplantationsgesetzes, um die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Ihre Haltung?
Für uns stehen ganz oben auf der Agenda Aufklärung und Information mit dem Ziel, den Menschen die Angst vor der Organspende zu nehmen. Außerdem muss die Organisationsstruktur in den Kliniken zur Organspende verbessert werden. Wir brauchen dringend mehr Transplantationsbeauftragte. In zweiter Linie sollte den Menschen eine Entscheidung für oder gegen eine Organspende erleichtert werden. Die Bundesärztekammer unterstützt die Initiative der Fraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder und Frank Walter Steinmeier, zu einer so genannten Entscheidungslösung. Jeder Bürger sollte ein Mal im Leben erklären, ob er zur Organspende bereit ist. Wir hoffen, dass der Bundestag hier schnell zu Entscheidungen kommt.
Wie stehen Sie zu der ebenfalls diskutierten Widerspruchslösung, nach der jeder automatisch Organspender ist, der dies zu Lebzeiten nicht ausdrücklich verneint hat?
Der Weg einer Widerspruchslösung wird von der Bundesärztekammer nicht verfolgt, weil wir glauben, dass das zu erheblicher Unruhe in der Bevölkerung führen und die Bereitschaft zur Organspende verschlechtern würde. Zwang hilft nicht weiter. Wir müssen die Menschen überzeugen, dass sie, wenn das Leben zu Ende ist, anderen mit einer Organspende zum Leben verhelfen können.
Die Organentnahme ist heute mit Zustimmung des Patienten oder seiner Angehörigen nach dem Feststellen des Hirntods erlaubt. An diesem Kriterium äußerten in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses kürzlich einige Sachverständige Zweifel. Müssen die medizinischen Richtlinien zur Hirntoddiagnostik verändert werden?
Natürlich müssen die medizinischen Richtlinien zur Hirntoddiagnostik alle paar Jahre an moderne technische Verfahren angepasst werden. Aber an dem Prinzip des Hirntods, nach dem alle Funktionen des Gehirns unwiderruflich erloschen sein müssen, gibt es in der Ärzteschaft keinen Zweifel. Ich halte diese Debatte im Übrigen für unwissenschaftlich und schädlich.
Wo sollte die Entscheidung für oder gegen Organspende dokumentiert werden?
Die elektronische Gesundheitskarte bietet dazu die technischen Möglichkeiten.
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