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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 14. November 2011)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
Evangelos Antonaros, Abgeordneter der griechischen konservativen Partei Nea Demokratia, warnt vor einem Austritt Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung: „Die von manchen Kreisen befürwortete Politik der Ausgrenzung mancher Länder aus der Euro-Zone ist falsch und würde unser gemeinsames Haus Europa um Jahrzehnte zurückwerfen“, sagt Antonaros im Gespräch mit der Zeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 14. November 2011).
Das von einer Großen Koalition getragene Übergangskabinett von Premier Lucas Papademos stehe vor der Aufgabe, den europäischen Partnern zu signalisieren, „dass wir auf Kurs bleiben, indem wir die Beschlüsse des EU-Gipfels vom 26. Oktober umsetzen“, sagt Antonaros. Bei den Reformen der bisherigen Regierung Papandreou sei am falschen Ende gekürzt und gespart worden. „In den letzten zwei Jahren wurden immer wieder die Durchschnittsverdiener und die Rentner zur Kasse gebeten – mit fragwürdigen Ergebnissen, was die Verbesserung der Steuereinnahmen betrifft.“ Durch die Minderung der Kaufkraft sei die Rezession schlimmer geworden, Zusatzeinnahmen aus der angehobenen Mehrwertsteuer seien ausgeblieben, betont Antonaros. Der Abgeordnete und frühere Regierungssprecher fordert zudem ein „Umdenken und ein Aufbrechen der alles bremsenden Bürokratie“, die heute noch um die eigenen Pfründe kämpfe. Auf lange Sicht müsse außerdem das Problem der Steuerhinterziehung angegangen werden: Diese sei jahrzehntelang geradezu als „Volkssport“ geduldet worden. „Nur wenn der Bürger den Eindruck gewinnt, dass alle gleichmäßig und gerecht besteuert werden, wird er auch den eigenen Beitrag zur Bekämpfung dieser Unsitte leisten. Aber das wird ein relativ langer Prozess sein“, betont Antonaros.
Das Interview im Wortlaut:
Was will eine Große Koalition jetzt anders machen als Papandreous Kabinett? An den Sparauflagen aus Brüssel ändert sich doch nichts.
Antonaros: Wir von der Nea Demokratia haben von Anfang klipp und klar gesagt, dass wir die Zielsetzung der Reformen unterstützen. Defizit und Schulden müssen abgebaut werden. Daher haben wir im Parlament mehr als die Hälfte der eingebrachten Gesetzvorlagen mitgetragen. Nur: Wir haben ebenfalls eindeutig gesagt, dass die Mischung der – übrigens wenn überhaupt halbherzig umgesetzten – Maßnahmen die Ziele verfehlt. Das ist auch der Fall gewesen.
Die Regierung hat Gehälter und Renten gekürzt, Steuern drastisch erhöht. Welchen Spielraum gibt es überhaupt noch für weiteres Sparen?
Antonaros: Bisher wurde am falschen Ende gekürzt und gespart. In den letzten zwei Jahren wurden immer wieder die Durchschnittsverdiener und die Rentner zur Kasse gebeten – mit fragwürdigen Ergebnissen, was die Verbesserung der Steuereinnahmen betrifft. Die Leute haben die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreicht. Durch die Minderung der Kaufkraft wurde die Rezession immer schlimmer, so dass die Erwartungen auf Zusatzeinnahmen aus der Mehrwertsteuerbereich unerfüllt geblieben sind. Auf der anderen Seite wurde bei den mit großem Trommelschlag angekündigten Privatisierungen so gut wie nichts unternommen. Hatte die Regierung Papandreou im Mai vergangenen Jahres die Privatisierung von Staatsfirmen in der Höhe von fünf Milliarden Euro bis zum Jahresende in Aussicht gestellt, so ist bisher keine einzige Firma verkauft worden. Da gibt es großen Nachholbedarf.
Die großen Parteien haben sich auf Neuwahlen Anfang 2012 geeinigt: Das hört sich eher nach Wahlkampf im Kabinett an als nach einem großen Wurf.
Antonaros: Als Papandreou völlig unerwartet und ohne Rücksprache mit unseren europäischen Partnern ein Referendum ankündigte, stand Griechenland über Nacht am Abgrund. Die für uns strategisch wichtige Europa-Bindung des Landes stand aus parteitaktischen Überlegungen der regierenden PASOK zur Diskussion. Daher hat unser Parteichef Antonis Samaras sofort die Bildung einer Übergangsregierung vorgeschlagen. Das neue Kabinett hat eine doppelte Aufgabe: Einmal soll es die Unsicherheit der griechischen Bürger mit Blick auf Europa und unseren Verbleib in der Eurozone beenden. Zum anderen soll es unseren Partnern in der Union signalisieren, dass wir auf Kurs bleiben, indem wir die Beschlüsse des EU-Gipfels vom 26. Oktober umsetzen. Dass am Ende dieses Prozesses, der relativ kurz sein muss, ein Urnengang stehen muss, versteht sich von selbst. Sonst werden die arg gebeutelten Bürger, die mit der aktuellen Zusammensetzung unseres Parlaments eindeutig nicht einverstanden sind, noch misstrauischer werden als sie es zur Zeit schon sind.
Abgeordnete wurden mehrfach auf offener Straße angegriffen. Wie wollen Sie den tiefen Graben zwischen Bürgern und politischer Klasse überbrücken?
Antonaros: Obwohl die Bürger sehr differenziert denken und handeln, hat sie der tägliche Kampf um ihren Alltag zornig gemacht. Ihre Lebensplanung ist über den Haufen geworfen worden, sie wissen einfach nicht, wie es weitergehen soll. Daher gibt es häufig Überreaktionen. Gerade aus diesem Grund geht es darum, durch vernünftiges Handeln, bescheidenes Auftreten, viel Überzeugungsarbeit und mit einer glaubwürdigen Zukunftsperspektive den Graben zu überbrücken.
Ökonomen schätzen, dass dem Staat jährlich zweistellige Milliardenbeträge durch Steuerhinterziehung entgehen. Wie wollen Sie die Bürger zur mehr Steuerehrlichkeit bringen, wenn diese dem Staat doch offenbar nicht vertrauen?
Antonaros: Obwohl mir manche Schätzungen zu hoch vorkommen, ist es eindeutig, dass das griechische Finanzamt seinen Aufgaben nicht gewachsen ist. Auf der anderen Seite ist die Steuerhinterziehung - und zwar auf fast allen Ebenen - unter anderem auch wegen der Unzulänglichkeit der bestehenden Eintreibungsmechanismen über Jahrzehnte als eine Art „Volkssport“ regelrecht geduldet worden. Nur wenn der Bürger den Eindruck gewinnt, dass alle gleichmäßig und gerecht besteuert werden, wird er auch den eigenen Beitrag zur Bekämpfung dieser Unsitte leisten. Aber das wird ein relativ langer Prozess sein.
Die Staatsverschuldung liegt heute bei rund 160 Prozent. Welchen Handlungsspielraum haben griechische Regierungen überhaupt noch in den nächsten Jahren?
Antonaros: Der Handlungsspielraum ist sehr groß. Es geht vor allem darum, das noch nicht voll genutzte Potenzial Griechenlands voll anzuzapfen, Wirtschaftsbereiche zu erschließen, die noch unterentwickelt sind, den Sprung von der tiefen Rezession ins Wachstum zu schaffen. Es wird darauf ankommen, wie phantasiereich und innovativ die künftigen Regierungen agieren. Ohne ein radikales Umdenken und ein Aufbrechen der alles bremsenden Bürokratie, die eigentlich um die eigenen Pfründe kämpft aber auf verlorenem Posten steht, kann dieser Sprung nach vorne nicht gelingen.
Fast jeder zweite junge Grieche ist arbeitslos. Wie wollen Sie verhindern, dass junge und gut ausgebildete Menschen das Land verlassen?
Antonaros: Griechenland verfügt über ein weitgehend im europäischen Ausland ausgebildetes, hochqualifiziertes Jungakademiker-Potenzial, das zur Zeit kaum Beschäftigung findet. Um diese jungen Leute im Land zu halten, muss man ohne Zeitverlust die Wirtschaft ankurbeln, damit die Beschäftigungsaussichten deutlich besser werden. Griechenland kann sich diesen Aderlass auf Dauer nicht leisten.
Haben Sie Verständnis dafür, dass andere europäische Länder mit Blick auf Griechenland sagen: Wir selbst müssen sparen, müssen aber jetzt denen helfen, die jahrelang über ihre Verhältnissen gelebt haben?
Antonaros: Übertriebene und klischeehafte Behauptungen von den angeblich "faulen Griechen" treffen nicht zu. Sie vergiften unnötig die traditionell sehr gute Verständigung zwischen Griechen und Deutschen. In Griechenland gibt es erheblich weniger Feiertage als in Nordeuropa, griechische Arbeitnehmer werden viel weniger oft krankgeschrieben als etwa ihre deutschen Kollegen, mit einem Durchschnitt von 62 Jahren treten die Griechen später als die meisten Europäer ins Rentenalter ein. Die große Mehrheit meiner Landsleute hat Verständnis dafür, dass unsere europäischen Mitbürger, insbesondere in Deutschland, große Opfer aufbringen, um uns im Sinne der europäischen Solidarität unter die Arme zu greifen. Wir sind dafür dankbar und haben uns verpflichtet, die nötigen, gemeinsam vereinbarten Strukturreformen vorzunehmen. Es trifft auch nicht zu, dass Griechenland ein Sonderfall ist. Schnell hat sich gezeigt, dass die angeblich besser gemanagten Wirtschaften Irlands und Portugals doch viel größere Probleme zu meistern haben als zunächst angenommen - und ich stelle dies ohne die geringste Schadenfreude fest. Auch Italien ist gefährdet. Wir haben ein europäisches Problem. Es geht nun darum, gemeinsam nach dauerhaften und nicht nach halben Lösungen zu suchen. Die von manchen Kreisen befürwortete Politik der Ausgrenzung mancher Länder aus der Euro-Zone ist falsch und würde unser gemeinsames Haus Europa um Jahrzehnte zurückwerfen.
War es aus heutiger Sicht ein Fehler, dass Griechenland bereits 2001 der Euro-Zone beigetreten ist? Und wäre eine Rückkehr zur Drachme überhaupt eine Option?
Antonaros: Kein anderes europäisches Volk bekennt sich so offen zu Europa wie die Griechen –selbst in dieser schwierigen Situation. Eine Alternative dazu kann und wird es nicht geben. Der Austritt aus der gemeinsamen Währung ist keine Option. Fehlkonstruktionen in der Währungspolitik, die bei der Einführung des Euro entstanden sind, müssen wir alle gemeinsam beheben.
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