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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 13. Februar 2012)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
Das Bundesumweltministerium dämpft Erwartungen auf eine schnelle Rückholung der 126.000 Fässer aus dem Atommüllager Asse II. „Das dauert noch“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Ursula Heinen-Esser (CDU), in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 13. Februar). Sie sei nach wie vor von der Rückholung überzeugt. „Allerdings wissen wir jetzt, dass es alles nicht so schnell geht, wie wir uns das gewünscht haben“, fügte die CDU-Abgeordnete hinzu.
Sie sagte, anfänglich sei man davon ausgegangen, die Rückholung „in einem Zeitraum von zehn Jahren“ zu schaffen. Jetzt wisse man, „dass die Zeit zu knapp bemessen war“. Auf einem Workshop des Bundesamtes für Strahlenschutz Mitte Januar sei „die Rede von 30 bis 40 Jahren“ gewesen. „Das kennzeichnet die Bandbreite, in der wir uns bewegen“, betonte Heinen-Esser.
Mit Blick auf ein neues Endlagergesetz sprach sich Heinen-Esser dafür aus, Gorleben als möglichen Standort zu erhalten. Gorleben dürfe „nicht aus politischen Gründen aus dem Prozess herausgenommen werden“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin.
Das Interview im Wortlaut:
Frau Heinen-Esser, Sie sind selbst schon unter Tage in dem Atommülllager Asse zehn Kilometer südlich von Wolfenbüttel in Niedersachsen gewesen. Wie sieht es dort eigentlich aus?
Die Asse ist ein altes Salzbergwerk mit kleinen Kammern. Mich hat überrascht, dass es dort unten sehr eng ist – beängstigend eng. Man sieht sehr deutlich, wo es Schäden im Bergwerk gibt: wo Wasser zutritt, wo Laugen aufgefangen werden, kurzum, wo die Probleme liegen.
Jeden Tag fließen 12.000 Liter Wasser in die Asse. Viele Bürgerinnen und Bürger befürchten, das Bergwerk könnte einstürzen. Welche Kenntnisse haben Sie über den aktuellen Zustand der Asse?
Die Grube im Ganzen ist standsicher. Das hat ein Workshop des Bundesamtes für Strahlenschutz Mitte Januar ergeben. Das Hauptproblem bleibt allerdings der Laugenzufluss.
Die Gretchenfrage aber bleibt doch, ob die Rückholung des Mülls überhaupt möglich ist?
Ich bin nach wie vor von der Rückholung überzeugt. Sie ist unter dem Aspekt der Langzeitsicherheit das Beste, was man machen kann. Allerdings wissen wir jetzt, dass es alles nicht so schnell geht, wie wir uns das gewünscht haben.
Ab wann könnten denn die 126.000 Fässer nach oben geholt werden?
Das dauert noch. Wir sind jetzt kurz davor, die erste Kammer anzubohren, um dort unter anderem mit einer Kamera hineinzuschauen. Nur so ist es möglich, sich einen Überblick zu verschaffen, in welchem Zustand die Fässer sind. Es gibt zwar noch einige Auflagen, die das Bundesamt für Strahlenschutz erfüllen muss, aber ich hoffe, dass wir in wenigen Wochen mit den Arbeiten beginnen können.
Frau Staatssekretärin, wie lange wird es noch dauern, bis die ersten Fässer ans Tageslicht kommen?
Wir sind am Anfang davon ausgegangen, die Rückholung in einem Zeitraum von zehn Jahren zu schaffen. Jetzt wissen wir, dass diese Zeit zu knapp bemessen war. Auf dem Workshop war die Rede von 30 bis 40 Jahren. Das kennzeichnet die Bandbreite, in der wir uns bewegen.
Was für Probleme sind das?
Wir müssen zum Beispiel einen weiteren Schacht bauen, was technisch sehr aufwändig ist. Und man muss immer bedenken: Es geht hier um den Umgang mit radioaktiven Stoffen. Man kann vermutlich die 126.000 Fässer nicht nur mit Hilfe von Robotern herausholen. Den Schutz der Menschen, die dort arbeiten, und den Schutz der Bevölkerung vor Ort müssen wir sicherstellen. Die Asse ist eben nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine große technische Herausforderung.
Mit wie viel Abfall rechnen Sie insgesamt in der Asse und wo wollen Sie diesen verstrahlten Müll überhaupt hinbringen?
In der Asse wurden 47.000 schwach und radioaktive Abfälle eingelagert. Die Behälter von damals sind wahrscheinlich heute zum Teil korrodiert, zerfallen oder zerborsten. Und durch das Zusammendrücken des Gebirges hat sich wahrscheinlich auch noch das Salzgestein auf den Abfällen abgelagert. Wir müssen dort mit allen möglichen Szenarien rechnen und gehen daher davon aus, dass mehr als 100.000 Kubikmeter ausgefördert werden könnten.
Was passiert dann mit den Abfällen aus der Asse?
Diese Abfälle müssen aufbereitet werden. Gleichzeitig muss ein Zwischenlager bereit stehen, das in der Lage ist, die Abfälle aufzunehmen. Bislang gibt es das aber noch nicht.
Die Oppositionsfraktionen haben in der vergangenen Woche im Bundestagsplenum gefordert, in der Asse das sogenannte Gefahrenrecht anzuwenden, um die Abfälle schneller herauszuholen. Ist das möglich?
Alle Beteiligten wollen das Verfahren beschleunigen. Man könnte das Gefahrenrecht anwenden. Das hieße, dass zum Beispiel Ausschreibungen beschleunigt würden, aber eventuell auch, dass die Öffentlichkeit weniger beteiligt würde.
Der neue niedersächsische Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz, Stefan Birkner (FDP) hat gefordert, ein eigenes „Asse-Gesetz“ zur Rückholung des Atommülls zu verabschieden. Könnte das ein Ausweg sein?
Es wird diskutiert, in das Atomgesetz Änderungen einzubauen, die nur die Asse betreffen – eine „Lex Asse“. Wir sollten dabei bedenken, dass die Standards aller Schutzziele für die Bevölkerung auf demselben hohen Niveau wie nach dem Atomrecht bleiben müssen. Ich halte gar nicht nichts davon, das Thema Asse zum Rechtsstreit zu machen.
Auch für die Abfälle der Asse wird ein Endlager gebraucht. Vergangene Woche hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) mit Vertretern des Bundes und der Länder erneut darüber gesprochen. Wie soll die Suche in der Praxis aussehen?
Wir sind dabei, einen gesetzlichen Verfahrensrahmen mit verschiedenen Stufen zu entwickeln. Zuerst müssen wir die wissenschaftlichen Grundkriterien betrachten wie Wirtsgesteine, die Frage der Rückholbarkeit oder Sicherheitskriterien. Dann sollen Regionen ausgesucht werden, die für eine obertägige Erkundung in Frage kommen. Und unter diesen Standorten werden dann einige ausgewählt, die schließlich unter Tage erforscht werden sollen.
Wie lange kann das dauern?
Das kann man im Moment noch nicht sagen. Aber es wird sicher länger als ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen.
Frau Heinen-Esser, Sie planen ein neues Bundesinstitut für Endlagerung. Gibt es dafür nicht schon das Bundesamt für Strahlenschutz?
Es soll eine rein wissenschaftliche Einrichtung werden, in der wir allen Fachverstand bündeln. Das Institut soll den wissenschaftsbasierten Ansatz liefern, auf dem dann die Endlagerentscheidung getroffen wird. Diese Behörde soll weisungsunabhängig arbeiten, damit sie eine klare Basis für die politischen Entscheidungen bietet.
Kritiker sagen, dass damit „durch die Hintertür“ das Bundesamt für Strahlenschutz entmachtet werden soll...
Das BfS arbeitet exzellent. Es geht uns einzig und allein darum, ein Instrument zu haben, in dem wissenschaftliche Expertise gebündelt wird.
Stichwort Gorleben. Die Opposition und Umweltverbände fordern, dass der Standort im niedersächsischen Wendland aus dem Gesetz herausgenommen wird. Er sei mit Vorfestlegungen belastet, so dass eine ergebnisoffene Suche nicht mehr möglich sei.
Wir sind uns einig, dass Gorleben nicht aus politischen Gründen aus dem Prozess herausgenommen werden darf.
Kann man die Bürger eigentlich wirklich an so schwierigen Fragen beteiligen?
Wir benötigen eine klare Öffentlichkeitsbeteiligung. Es ist wichtig, dass alle Entscheidungen nachvollziehbar sind. Die Bürgerbeteiligung bei der Asse ist für mich ein Vorbild, wie es gut funktioniert.
All das kostet viel Geld. Frau Heinen-Esser, wer trägt die Kosten und wie werden die großen Energieversorger zur Kasse gebeten?
Bei der Endlagerfrage ist gesetzlich geregelt, dass die Verursacher für die Kosten aufkommen müssen.
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