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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 22. Oktober 2012)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
Bei dem politisch umstrittenen Thema, wie in Deutschland mit Abgeordnetenbestechung zu verfahren ist, deutet sich eine Lösung an. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Siegfried Kauder (CDU), sprach gegenüber der politischen Wochenzeitung „Das Parlament“ (Ausgabe vom 22. Oktober) von einer „möglicherweise schnellen Lösung“. In einem Doppelinterview mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber sagte Kauder: „Ich werde mich aktiv in die Diskussion einbringen und versuchen, einen eigenen Entwurf zu präsentieren.“ Damit könnte der Streit zwischen Koalition und Opposition um die Unterzeichnung einer entsprechenden UN-Konvention eine entscheidende Wende nehmen.
Gleichzeitig forderte Kauder mehr Transparenz bei Gesetzentwürfen aus Ministerien. Er regte an, dass künftig ersichtlich ist, wer dort einen Gesetzentwurf erarbeitet hat, um die Einflussnahme von Lobbyisten auszuschließen. Dieser Forderung stimmte Kelber grundsätzlich zu.
Mit einer schnellen Einigung bei der Frage, in welcher Form Nebentätigkeiten von Abgeordneten ausgewiesen werden müssen, rechnen beide Politiker hingegen nicht. Kelber beklagte eine Verzögerungstaktik der Koalition in der Rechtsstellungskommission des Deutschen Bundestages, die das Thema seit drei Jahren verschleppe und Vorschläge der Opposition nicht behandele. „Wir werden nicht ein weiteres halbes Jahr mit der Union verhandeln“, sagte Kelber und kündigte an, den Vorschlag seiner Partei im Plenum des Bundestages schon bald namentlich abstimmen zu lassen.
Das Interview im Wortlaut:
Herr Kauder, Herr Kelber, die SPD schlägt vor, dass Nebeneinkünfte von Abgeordneten künftig auf Euro und Cent angegeben und auch Auftraggeber und Veranstalter genannt werden müssen. Herr Kauder, was halten Sie davon?
Kauder: Das bringt doch nichts – außer mehr Aufwand für den Betroffenen. Ist es wirklich so entscheidend, ob ein Honorar 3.700 Euro oder 3.751 Euro und 22 Cent beträgt?
Kelber: Grundsätzlich ist es zunächst einmal gut, dass eine Debatte, die seit Jahren schwelt, wieder mehr Aufmerksamkeit erfährt. Denn Aufmerksamkeit ermöglicht immer, dass eines Tages Entscheidungen erzwungen werden. Ja, Transparenz nutzt allen, vor allem auch den Abgeordneten selbst. Neben Transparenz brauchen wir Bestrafung von Korruption und ein klares Lobbyisten-Register.
Wenn Sie auf die Aufmerksamkeit für das Thema hinweisen, Herr Kelber: Hat die SPD eigentlich damit gerechnet, dass die Nominierung ihres Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück diese Debatte auslöst?
Kelber: Darüber wurde gesprochen, aber die Geschwindigkeit, mit der die Entscheidung für die Kandidatur getroffen wurde, hat es unmöglich gemacht, alles im Detail vorzubereiten. Eines ist auch klar: Peer Steinbrück hat seine Nebeneinkünfte nach allen geltenden Regeln veröffentlicht. Regeln übrigens, die Rot-Grün 2005 noch im Alleingang durchgesetzt hat. Jetzt würden wir gern mehr machen. Jahrelang hat es in der Rechtsstellungskommission nicht geklappt, mehr Transparenz bei Nebeneinkünften durchzusetzen. Wir werden das aber jetzt vehement vorantreiben.
Kauder: Langsam. Haben Sie denn auch bedacht, dass es Berufsgruppen gibt, ebi denen Sie die Transparenz gar nicht erreichen können? Beispielsweise bei Rechtsanwälten, wie ich einer bin.
Kelber: Das ist doch nicht wirklich ein Problem: Wir machen eine Grundsatzregelung und zusätzlich Spezialregelungen für bestimmte Personengruppen. Aber auch Anwälte werden in Zukunft deutlich machen müssen, womit sie ihr Geld verdienen. Ich finde schon, dass beispielsweise ein Abgeordneter, der als Anwalt für einen Energiekonzern arbeitet, das erläutern muss, wenn er politisch im Energiebereich tätig ist.
Kauder: Das ist nicht zulässig, weil der Anwalt dann gegen den Mandantenschutz verstoßen würde.
Kelber: Mandantenschutz? Wieso das denn? Niemand verlangt, dass der genaue Auftraggeber preisgegeben wird. Wohl aber, um welche Branche es sich handelt.
Kauder: Ich bleibe dabei: Da könnte es Probleme geben, die nicht lösbar sind.
Kelber: Ich kann nur immer wieder bei Abgeordneten werben: Transparenz schafft Vertrauen. Ich mache das jetzt seit zwölf Jahren sehr nachvollziehbar auf meiner Website. Und wissen Sie, was passiert? Menschen begeistern sich für Politik, weil die gängigen Vorurteile entkräftet werden.
Kauder: Ja, ja, das ist alles schön und gut. Aber es geht auch um die, die einen Anwalt beauftragen und die Frage, wo deren Schutz bleibt. Ein Problem haben übrigens auch Anwalts-Gesellschaften. Wenn der Mitgesellschafter eines Abgeordneten nicht möchte, dass sein Einkommen publik wird, der Abgeordnete sein Einkommen aber veröffentlicht, lässt sich über die Verteilung der Anteile in der Kanzlei errechnen, wie viel der Mitgesellschafter verdient. Das geht doch nicht, da muss es Grenzen geben.
Kelber: Das sehe ich auch so. Diese Grenzen sind übrigens auch im SPD-Entwurf enthalten. Uns geht es um Abgeordnete, die – kaum im Bundestag – auf einmal zu Beratern von Firmen werden, mit denen sie in ihren Ausschüssen zu tun haben. Da reicht es dann nicht zu sagen: Kunde eins, Einkommensstufe drei. Das will ich dann genauer wissen.
Kauder: Wenn wir schon einmal dabei sind, sage ich Ihnen, was wir außerdem regeln müssen: Es wäre nicht schlecht, wenn aus Gesetzentwürfen der Ministerien hervorginge, wer die ausgearbeitet hat.
Kelber: Zunächst wäre es gut, wenn der Bundestag seine eigenen Regeln macht. Aber dann: Ja, wunderbar, ein Lobbyisten-Register gehört auch dazu. Haben wirklich Ministeriumsmitarbeiter oder irgendwelche Lobbyisten Gesetzentwürfe gemacht? Ist alles schon da gewesen. Und schließlich gehört das Stichwort Abgeordnetenbestechung noch in das Paket. Da habe ich mich über Sie, Herr Kauder, gefreut, als Sie ankündigten, Ihre bisherige Haltung zu überdenken. Denn es kann doch nicht wahr sein, dass Deutschland im Gegensatz zu 162 anderen Ländern die UN-Konvention nicht unterschreibt.
Kauder: Wenn wir den Begriff Abgeordnetenbestechung durch Vorteilsnahme ersetzen, kommen wir uns näher.
Kelber (lacht): Also wenn ein Jurist inhaltliche Zugeständnisse macht, wenn ich ein anderes Wort wähle, mache ich das als Informatiker gerne.
Kauder: Trotzdem macht das Ergebnis der Sachverständigen-Anhörung nicht viel Mut, dass es bei diesem Thema zügig vorangeht.
Kelber: Aber wir wissen doch, wie es bei Sachverständigen-Anhörungen zugeht: Die Gegner des Entwurfes benennen Experten, die in der Regel auch Gegner des Entwurfes sind. Da die Parteien, die bisher gegen die UN-Konvention waren, eine Mehrheit haben, stellen sie auch die Mehrheit der Experten in Anhörungen.
Kauder: Ich werde mich aktiv in die Diskussion einbringen und versuchen, einen eigenen Entwurf zu präsentieren, der ein bisschen anders ausschaut als das, was wir bisher hatten. Das Grundproblem ist nämlich, dass wir immer versuchen, an Korruptionsstraftatbestände anzudocken. Das kollidiert mit der Immunität und Indemnität von Parlamentariern, die Gemeinde- oder Kreisräte nicht haben. Es könnte sinnvoll sein, diese Bereiche zu trennen. Herr Kelber, dann kommen wir möglicherweise schneller zu einer Lösung als Sie denken.
Kelber: Wir sind froh, wenn wir einen weiteren Entwurf bekommen. Dann können wir über Kompromisse nachdenken. Außerdem sieht die Öffentlichkeit, welche Partei wofür steht - das Wesen parlamentarischer Arbeit.
Kauder: Man muss klar machen: Diese Aufgabe muss das Parlament lösen, auch wenn wir in eigener Sache tätig und damit gewissermaßen befangen sind. Das ist eine schwierige Ausgangslage, die aber mit gutem Willen zu meistern ist, wenn wir von dem Aufhänger Korruption wegkommen.
Zurück zu den Abgeordneten-Nebentätigkeiten. Herr Kauder, die Koalition hat die Debatte angezündet und gerät jetzt in die Defensive, weil die SPD offensiv damit umgeht und selbst neue Regeln vorlegt.
Kauder: Ach was. Das ist doch das übliche Spiel. Die Opposition drängt, die Regierungskoalition bremst. Ist auch gar nicht schlecht. Man kann das nicht aus dem Ärmel schütteln, denn die Themen Offenlegen der Nebeneinkünfte und Vorteilsannahme hängen doch irgendwie zusammen.
Kelber: Es geht doch nicht darum, irgendetwas aus dem Ärmel zu schütteln. Die gültigen Regeln sind 2005 mit Stimmen von SPD und Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP eingeführt worden. 2009 haben wir einen neuen Stufenmodell-Vorschlag eingebracht, um überhaupt einen Kompromiss erreichen zu können. Dieser Vorschlag wird jetzt seit drei Jahren in der Rechtsstellungskommission von Sitzung zu Sitzung vertagt, verschleppt, blockiert. Vor diesem Hintergrund wird das Spielchen gegen Peer Steinbrück initiiert, um ordentlich mit Schmutz werfen zu können. Und dann wundert sich die Koalition, dass wir die Zügel stärker anziehen? Nein, wir werden nicht ein weiteres halbes Jahr mit der Union verhandeln. Noch ein, zwei Gesprächsrunden, dann werden die Regeln im Plenum des Bundestages namentlich zur Abstimmung gestellt. Die Menschen im Land werden erfahren, wer für Transparenz ist und wer dagegen.
Kauder: Dann haben Sie doch unter dem Strich nichts erreicht und deswegen halte ich dieses Vorgehen nicht für klug. Man muss sich für ein Gesetzgebungsvorhaben Freunde, nicht Feinde schaffen.
Kelber: Herr Kauder, drei Jahre! Wenn Sie drei Jahre nicht vorwärts kommen, dann ist irgendwann Ende Gelände. Ich sage Ihnen aus meiner Erfahrung: Die Bürgerinnen und Bürger werden das richtig werten, denn sie empfinden Transparenz als ihr gutes Recht.
Anlass der Debatte waren Rede-Honorare für Herrn Steinbrück. Ist es in Ordnung, wenn sich Abgeordnete für Reden bezahlen lassen, oder gehört es nicht zu ihren originären Aufgaben, politische Standpunkte in der Öffentlichkeit kundzutun?
Kelber: Es ist die Aufgabe von Politikern, Reden in der Öffentlichkeit zu halten. Allein aus meinem Wahlkreis kenne ich ein Dutzend Beispiele, wo Herr Steinbrück das kostenfrei getan hat - in Schulen, in Vereinen oder anderswo. Etwas anderes ist es doch aber, wenn eine Bank für ihre Aktionärsversammlung einen Redner haben will. Dann ist es auch als Abgeordneter völlig legitim, dafür ein Honorar entgegenzunehmen. Ich habe bisher alle Angebote für bezahlte Reden abgelehnt. Ich habe da für mich etwas härtere Regeln aufgestellt als die, über die jetzt diskutiert wird, und würde beispielsweise alle Redetermine auf meiner Website veröffentlichen.
Kauder: Na ja, das ist schon eine Grauzone. Die Frage ist: An wen geht die Einladung? Geht sie an den Politiker, sollte er kein Honorar annehmen. Wird er als Rechtsanwalt oder Professor eingeladen, steht ihm ein Honorar zu. Kurz nachdem ich einmal die Messe der Spielautomatenhersteller eröffnet hatte, rief mich ein Journalist an, um zu erfahren, ob ich dafür ein Honorar bekommen habe. Ich war völlig baff. Ich war dort als Vorsitzender des Rechtsausschusses, nicht als Anwalt. Also stand mir kein Honorar zu. Das habe ich auch nicht bekommen und nie verlangt.
Herr Steinbrück ist als ehemaliger Bundesfinanzminister, also als Politiker, eingeladen worden.
Kelber: Ja, aber nicht als amtierender, sondern als ehemaliger Finanzminister. Und wer eine dieser Reden erlebt hat, glaubt wirklich nicht, dass es eine bezahlte Gefälligkeitsrede war. Herr Steinbrück wäscht jedem den Kopf.
Wird der Trend zum Berufspolitiker, der die Bodenhaftung zum Leben außerhalb der Politik verloren hat, durch strengere Regeln für Nebeneinkünfte verstärkt?
Kelber: Nein, absolut nicht. Ein Beispiel aus der CDU: Friedrich Merz. Jeder wusste, dass Merz eine Reihe von Aufsichtsratsmandaten hatte und ab und zu beim Besuch von Veranstaltungen in Zeitnot geriet. Die Bürgerinnen und Bürger in seinem Wahlkreis haben das akzeptiert und ihn trotzdem mit einem besseren Ergebnis als zuvor wieder in den Bundestag gewählt. Das heißt: Die Wähler können das durchaus einordnen. Dafür brauchen sie aber die Fakten. Noch einmal: Transparenz schafft Vertrauen.
Kauder: Aber die Höhe der Einkünfte haben die Bürger offensichtlich weniger interessiert als die Frage, in welchem Aufsichtsrat er ist.
Kelber: Richtig, und beiden Sachen gehören zusammen. Wir wissen, dass es Aufsichtsräte in dieser Republik gibt, in denen bei minimalem Aufwand höchste Gehälter fließen. Das muss man veröffentlichen. Wenn ich als Umweltpolitiker zum Beispiel im Aufsichtsrat eines Energiekonzerns wäre und für vier oder fünf Sitzungen im Jahr das doppelte Gehalt eines Abgeordneten bekäme, dann müssten mich die Menschen in meinem Wahlkreis fragen dürfen: Bist du eigentlich noch frei in deinen energiepolitischen Entscheidungen?
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