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Er gehörte zu den zehn besten Dauersprintern und wurde für den Olympia-B-Kader nominiert: Uwe Schummers Karriere als Profi-Sportler schien schon ausgemacht, dennoch wählte der ausgebildete Groß- und Außenhandelskaufmann aus dem niederrheinischen Willich die Politik: Er leitete unter anderem das Bundestagsbüro des früheren Arbeitsministers Norbert Blüm (CDU) und die Geschäftsstelle der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Seit zehn Jahren ist der 54-jährige CDU-Politiker Mitglied des Bundestages und tritt als Obmann im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung vor allem für eine Stärkung der beruflichen Bildung ein.
"Ausdauer, Schnelligkeit, Taktik — und die Willenskraft, zum Schluss noch einmal alle Reserven zu mobilisieren — diese Dinge müssen zusammenkommen, um ein erfolgreicher Dauersprinter zu sein", sagt Uwe Schummer. Er muss es wissen: 1981 gehörte er zu den zehn besten 400-Meter-Läufern in Deutschland. Über 30 Jahre später sitzt der Abgeordnete des Wahlkreises Viersen in seinem Büro gegenüber des Kanzleramtes in Berlin: Groß, inzwischen ein wenig runder um die Körpermitte, aber mit einem jungenhaften Grinsen erinnert er sich an seine aktive Zeit beim Sportclub Bayer Uerdingen 05.
Talentsucher hatten den jungen Willicher im Alter von 17 Jahren entdeckt. Drei Jahre lief er in der Bundesliga für Bayer Uerdingen, startete bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften, gehörte sogar zum B-Kader für die Olympischen Spiele 1980. Eine Profikarriere habe ihm offen gestanden, erzählt er: "Bayer hatte mir eine Stelle als Chemielaborant angeboten — aber das wollte ich nicht. So habe ich aufgehört und ging vom Leistungssport zur politischen Arbeit."
Die interessierte ihn schon früh. 1974 trat er bereits der CDU bei — im Alter von 15 Jahren, obwohl das Mindestalter für eine Mitgliedschaft bei 16 Jahren lag. "Die haben sich erst geweigert, mich aufzunehmen." Doch Schummer setzte sich durch. "Ich war ja schon in der CAJ." Die Christliche Arbeiterjugend und ihr Begründer, der belgische Geistliche Joseph Kardinal Cardijn, waren es auch, die ihn nachhaltig prägten: "Cardijn hat gesagt: ‚Jeder Mensch ist mehr wert, als alles Gold der Welt‘ — das hat mich begeistert."
Die katholisch-soziale Bewegung, für die unter anderem der Mainzer Bischof und Politiker Emmanuel von Ketteler sowie der Kölner Priester Adolph Kolping stehen, nennt er seine "geistige Heimat".
Heimat ist für Schummer vor allem aber die Kleinstadt Willich nahe der niederländischen Grenze. Eine besondere Verbindung hat er auch zur südaustralischen Stadt Adelaide: Hierhin waren seine Eltern ausgewandert; ihr Sohn Uwe wurde 1957 in der Küstenstadt am Saint-Vincent-Golf geboren.
Wenige Monate nach seiner Geburt kehrte die Familie wieder nach Deutschland zurück, doch die Erfahrung der Immigration hat Spuren hinterlassen, da ist sich Schummer sicher: "Man ist offener — offener für die Menschen, die selbst unterwegs sind."
Dass er auch als Politiker offen, nahbar und kommunikativ ist — eben einer zum Anfassen — den Eindruck vermittelt schon sein Büro: Jeder Zentimeter Wand ist mit Bildern, Widmungen, Urkunden oder Fotos gepflastert: Eines zeigt Schummer bei der Feuerwehr, ein zweites bei der Müllabfuhr, ein drittes mit Spritzbeutel beim Verzieren einer Torte.
"Einmal im Jahr mache ich ein Praktikum, arbeite zum Beispiel einen Tag beim Konditor, im Krankenhaus oder in der Landwirtschaft", erklärt er. Diese Idee stamme aus seiner Zeit beim CAJ. "Damals haben wir einen Tag im Jahr für andere gearbeitet —heute ist es für mich ein guter Weg, möglichst viele Berufe kennenzulernen."
Er selbst hat nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann abgeschlossen. Sein Traum sei das nicht gewesen, gibt er zu, eher ein Zugeständnis an den Vater: "Er war Eigentümer einer Firma für Armaturen und hätte es gern gehabt, dass ich die übernehme." Dem Sohn schwebte dagegen ein Job "im Medienbereich" vor.
Ein Wunsch, der sich erfüllt hat: 1989 wurde Schummer Pressesprecher der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), 1998 Chefredakteur der CDA-Monatszeitschrift "Soziale Ordnung". Bis zu seinem Einzug in den Bundestag 2002 war er zudem Geschäftsführer der "CDU-Sozialausschüsse", wie die CDA auch genannt wird.
Zum Vorbild in dieser Zeit wurde Norbert Blüm, dessen Bundestagsbüro Schummer von 1987 bis 1989 leitete. Der damalige Bundesarbeitsminister war auch Bundesvorsitzender des CDA und beeindruckte Schummer gleichermaßen durch Reformwillen und Standvermögen: "Norbert Blüm hat zusammen mit Heiner Geißler, Rita Süssmuth und Richard von Weizsäcker eine neue soziale Frage entwickelt — jenseits des betonierten Konflikts zwischen Arbeit und Kapital."
ür die Einführung der Pflegeversicherung habe er bewusst den Kampf mit den Lobbygruppen aufgenommen. "Man braucht in der Politik Rückgrat — und ein festes Wertefundament. Das habe ich von Blüm gelernt."
Dachte er damals schon daran, einmal selbst Parlamentarier zu werden? "Nee, das ist ein Bonustrack", beteuert der bekennende Karaoke-Fan und lacht. 2002 war es trotzdem soweit: Als der vorherige Abgeordnete aus dem Kreis Viersen bei der Bundestagswahl nicht mehr antreten wollte, warf Schummer seinen Hut in den Ring. Doch damit war er nicht allein — vier andere traten ebenfalls an. Große Hoffnungen hatte Schummer also nicht: "Ich dachte, so ein Herz-Jesu-Typ hat eh keine Chance."
Doch die Vorstellung, für seine politischen Überzeugungen auch mit dem eigenen Namen einzustehen, reizte ihn: "Ich habe jahrelang Reden für andere verfasst, warum ab jetzt nicht für mich selbst?" Seine erste Rede als Kandidat jedenfalls wurde ein Erfolg. Der Mitgliederentscheid ging zu seinen Gunsten aus: "Ich bin als Minderheitskandidat rein und als Mehrheitskandidat wieder raus", erinnert sich Schummer. Auch den Wahlkreis gewinnt er schließlich direkt — wie seitdem bei jeder Bundestagswahl.
Einen Platz im favorisierten Arbeitsausschuss aber konnte der Abgeordnete, im Bundestag angekommen, nicht für sich sichern. Also wurde Schummer Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Bereut hat er diese Wahl nicht: "Der Ausschuss war meine zweite Option — mit dem Schwerpunkt berufliche Bildung. Der war mir wichtig." Zehn Jahre ist Schummer inzwischen im Bundestag. Stolz ist er im Rückblick besonders auf einen "Coup", den das Parlament 2004 landen konnte: die Berufsbildungsreform.
"Wir haben es geschafft, aus der Opposition heraus überfraktionell ein Gesetz auszuarbeiten und schließlich einstimmig zu verabschieden." Bis es soweit war, brauchten alle Beteiligten Verhandlungsgeschick — und viel Ausdauer. Für den früheren Dauersprinter kein Problem: "Ich habe erlebt, dass man sehr gut über Fraktionsgrenzen hinweg zusammenarbeiten kann. Das Gesetz war nur aus dem Parlament möglich. Ich bin froh, dass wir es gewagt haben." (sas/05.09.2012)