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Frau Vizepräsidentin, liebe Frau Hasselfeldt, lieber Kollege Hörster, Frau Prof. Recker, Herr Prof. Karpen, Herr Prof. Mertens, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zur Verleihung des Wissenschaftspreises des Deutschen Bundestages für Arbeiten zum Parlamentarismus 2006 an Herrn Prof. Mertens! Dass diese Veranstaltung hier im Deutschen Bundestag stattfindet, versteht sich fast von selbst - schließlich verleiht der Deutsche Bundestag diesen Preis. Für die diesjährige Preisvergabe wäre es ein doppeltes Ärgernis gewesen, wenn, aus welchen Gründen auch immer, diese Veranstaltung nicht hier hätte stattfinden können oder sollen, denn wir befinden uns hier gewissermaßen an einem der prominentesten "Tatorte", die Gegenstand der Studie sind, die Herr Prof. Mertens vorgelegt hat.
Bevor wir das Werk im Einzelnen würdigen, möchte ich mich zunächst ganz herzlich bei Ihnen, Frau Prof. Recker, und bei allen anderen Mitgliedern der Jury für Ihre Arbeit bedanken, ohne die diese Veranstaltung heute gar nicht hätte stattfinden können.
Die Vorstellung, der Präsident des Bundestages selbst müsste die eingegangenen Arbeiten erstens selber lesen und zweitens halbwegs sachkundig beurteilen, hat eine geradezu rührende Hilflosigkeit, wäre jedenfalls außerhalb jeder ernsthaften Vorgehensweise. Und deswegen bin ich Ihnen ganz persönlich, Frau Prof. Recker, aber auch allen Damen und Herren der Jury außerordentlich dankbar, dass Sie sich Jahr für Jahr dieser Arbeit unterziehen, von der ich hoffe, dass sie nicht nur anstrengend, sondern gelegentlich auch inspirierend ist und die uns jedenfalls überhaupt in die Lage versetzt, mit dem notwendigen Selbstbewusstsein am Ende nicht irgendeinen, sondern einen herausragenden Preisträger gefunden zu haben, dem wir diesen Wissenschaftspreis des Deutschen Bundestages verleihen.
Es freut uns, dass sich über die Jahre hinweg immer wieder herausgestellt hat, dass die Arbeiten, die mit dem Wissenschaftspreis des Deutschen Bundestages ausgezeichnet worden sind, aus welchen wissenschaftlichen Disziplinen sie auch stammten, sich als durchaus grundlegend für ihr Fachgebiet erwiesen haben. Nach allem, was ich höre und lese über die heute auszuzeichnende Arbeit, bestehen ja außerordentlich gute Aussichten, dass sich das Werk von Herrn Mertens, das in manchen Rezensionen schon als bahnbrechend bezeichnet wurde, nahtlos in diese Reihe einfügen wird!
Dass Sie, meine Damen und Herren, unserer Einladung gefolgt sind, nehme ich als Bestätigung sowohl für das Ansehen, das dieser Preis inzwischen genießt, als auch für das Ansehen der Arbeit der Jury.
Sie, sehr verehrte Frau Prof. Recker, gehören der Jury des Wissenschaftspreises seit ihrem Beginn an und Sie haben an der schwierigen Auswahl der Preisträger nun seit Jahren mitgewirkt. Sie geben jetzt den Vorsitz der Jury ab. Deswegen nehme ich diese Gelegenheit besonders gerne wahr, um Ihnen ganz herzlich für Ihre verdienstvolle Arbeit über viele Jahre hinweg zu danken. Ich hoffe sehr, dass Sie diese Arbeit nicht nur als lästig empfunden haben, was sie manchmal gewiss auch gewesen sein wird, sondern durchaus auch als Anregung und Bereicherung für die eigene Arbeit. Und dem Umstand, dass mit Herrn Prof. Karpen jemand den Vorsitz der Jury übernimmt, der dem Gremium ebenfalls seit Anbeginn angehört und schon bei der Jury des vorausgehenden Förderpreises dabei war, entnehme ich, dass man diese Arbeit wenigstens von Zeit zu Zeit durchaus auch als persönliche Erweiterung des Gesichtskreises empfindet.
Ich weise bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass als Nachfolger von Prof. Morsey Herr Prof. von Hehl als neues Mitglied in die Jury eingetreten ist, der heute leider nicht anwesend sein kann. Und da ich gerade bei denen bin, die heute leider nicht dabei sein können, möchte ich gerne, sicher auch in Ihrem Namen, Herrn Prof. Thaysen, der wegen Krankheit heute nicht dabeisein kann, unsere Genesungswünsche übermitteln.
Meine Damen und Herren, von dem großen Rechtsphilosophen Gustav Radbruch gibt es manche interessanten Zitate. Eines, dass mir für diesen Anlass besonders empfohlen wurde, lautet: Den Juristen sei das Schwierigste auferlegt, an ihren Lebensberuf zu glauben und zugleich in irgendeiner tiefen Schicht ihres Wesens immer wieder an ihm zu zweifeln. Ob das das Schwierigste ist, was einem im Leben zustoßen kann, muss heute morgen vielleicht nicht abschließend entschieden werden. Jedenfalls wird es die Juristen hoffentlich trösten, dass sie mit diesem Schicksal nicht alleine dastehen. Parlamentariern, Herr Oberreuter, geht es, wie Sie aus vielen Untersuchungen wissen, ziemlich ähnlich! Sie müssen schon an Ihre Aufgabe glauben und sie werden die Zweifel nie los, ob das, was sie tun, ihren eigenen Ansprüchen genügt, von denen der breiten Öffentlichkeit gar nicht zu reden, und dann lassen wir mal die besonders sensible Gruppe der Wissenschaftler im Augenblick aus der Betrachtung außen vor - dass wir deren Ansprüchen überhaupt nur äußerst selten genügen können, damit haben wir uns schon fast abgefunden! Jedenfalls bleibt für die einen wie für die anderen in der Erledigung ihres Berufs die Frage zentral, was wir sowohl inhaltlich wie vom Verfahren besser machen können, um den Aufgaben und gelegentlich vielleicht auch den Ansprüchen zu genügen, die sich mit diesen Aufgaben verbinden. Und um das nüchtern und wirklich ganz nah beurteilen zu können, brauchen wir auch den Spiegel konstruktiver wissenschaftlicher Kritik, die uns in historischen, politikwissenschaftlichen, rechtswissenschaftlichen Studien immer wieder Hinweise geben, aber auch Vergleichsfälle vortragen, mit denen man eine frühere mit der aktuellen Praxis vergleichen und die tatsächliche Erledigung der Aufgaben mit den zu Recht oder zu Unrecht erhobenen Ansprüchen in Relation setzen kann.
Wir werden gleich von Herrn Prof. Karpen als Laudator eine ausführlichere Würdigung der vorgelegten Studie von Herrn Prof. Mertens hören, der ich nicht vorgreifen möchte. Dennoch habe ich Anlass, mich für die Entscheidung der Jury in besonderer Weise zu bedanken, zumal ich die vorgetragene Begründung sofort einleuchtend, nachvollziehbar und überzeugend gefunden habe. Den meisten von Ihnen wird es so gehen wie mir, dass sie immer wieder gerne gut und interessant geschriebene Bücher lesen und sich gleichzeitig mehr oder weniger damit abgefunden haben, dass rechtswissenschaftliche Werke nicht immer zu dieser Kategorie gehören. Deswegen ist es ein besonders vielversprechender Hinweis, nicht nur der Jury, aber auch der Jury, dass es sich bei dem Buch von Bernd Mertens um ein besonders gut lesbares Buch handelt. Während ich sofort gerne einräume, dass ich bei anderen Gelegenheiten eher zögerlich mit der Empfehlung an die Teilnehmer umgehe, sich das heute preisgekrönte Werk möglichst bald zur eigenen Lektüre vorzunehmen, schließe ich mich ihr diesmal mit voller Überzeugung an. Die Begeisterung der Jury geht soweit, dass sie selbst die natürlich in solchen Fällen üblichen zahlreichen Anmerkungen und Fußnoten in die Kategorie "besonders lesenswert" eingestuft hat. Das versetzt einen fast schon in einen vorzeitigen Begeisterungstaumel und hat jedenfalls meine Neugier auf dieses Buch zusätzlich befördert. Im Übrigen stellt dieses Werk auch deswegen eine besonders willkommene aktuelle Verbindung zwischen der Rechtswissenschaft und der Arbeit des Gesetzgebers her, weil es eine Reihe der klassischen Fragen neu aufgreift, die sich mit parlamentarischer Arbeit und mit ihrem Kern, der Gesetzgebung, verbinden lassen.
Da ist zum einen die klassische Frage und Klage über die Gesetzesflut, also die offenkundig programmierte Neigung von Parlamenten und Parlamentariern, wenn es sie denn schon gibt, nichts mehr, nichts lieber, nichts häufiger zu produzieren als Gesetze. Eine Frage, die sowohl unter quantitativen wie qualitativen Gesichtspunkten vergleichende Betrachtungen verdient einschließlich der regelmäßig damit verbundenen Frage, ob ein Großteil oder jedenfalls ein beachtlicher, ein hinreichender Teil dieser tatsächlichen oder vermeintlichen Gesetzgebungsflut nicht verzichtbar, um nicht zu sagen überflüssig sei. Mein Eindruck ist, dass sich in den meisten Parlamenten, jedenfalls im Deutschen Bundestag, inzwischen ein Konsens herausgebildet hat, dass sich die Gesetzgebung auf das Wesentliche konzentrieren solle. Bleibt nur noch die Frage zu klären, was wesentlich sei. Und aus dem Umstand, dass es dazu nach wie vor höchst unterschiedliche Einschätzungen gibt, erklärt sich fast hinreichend die ungebrochene Neigung zu eifriger Gesetzgebungstätigkeit.
Eine weitere spannende Frage in diesem Zusammenhang, die das Werk auch behandelt, ist die der Verständlichkeit von Gesetzen. Man muss ja nicht bösartig sein, gelegentlich zu vermuten, dass es vielen Parlamentariern genügt, wenn die von ihnen produzierten Gesetze die meisten Juristen verstehen und sie die Vorstellung, dass der Kreis derjenigen, die sofort verstehen, was gemeint ist, größer werden könnte, eher für eine Bedrohung als für eine Errungenschaft halten. Jedenfalls gibt es auch unter diesem Gesichtspunkt durchaus Anlass, immer wieder darüber nachzudenken, ob überhaupt und in welcher Weise Parlamente und insbesondere der Deutsche Bundestag diesem Teil seiner Aufgaben nachkommen.
Und wenn ich mir zum Schluss noch eine ganz besondere Freude erlauben darf hier auszudrücken: mir gefällt natürlich an dieser Studie schon der Titel "Gesetzgebungskunst". Das freut nicht nur den Kulturpolitiker, sondern ist auch eine gewissermaßen jetzt in den Titel gesetzte Stütze des Selbstbewusstseins von Parlamentariern, dass das, was wir machen, jedenfalls in die Nähe anderer anspruchsvoller Tätigkeiten gerückt wird, unabhängig davon, ob die damit formulierten Ansprüche wieder im Einzelnen belegt werden können. Dass dies von der Aufklärung bis ins beginnende zwanzigste Jahrhundert untersucht wird, bestätigt die Bandbreite der Betrachtung und die Relevanz dieser Arbeit.
Ganz zum Schluss, meine Damen und Herren, möchte ich Ihnen noch ein Zitat anbieten, das von Goethe stammt, der, wie Sie wissen, nie Parlamentarier war, aber immerhin Staatsminister, und in dessen Maximen und Reflexionen sich folgender Satz findet: "Wer das Recht auf seiner Seite fühlt, muss derb auftreten. Ein höfliches Recht will gar nichts heißen." Das ist eine Bemerkung, die auch und gerade für Parlamentarier als Gesetzgeber manches Nachdenken anregt, zumal ich den Eindruck habe, dass bei der Arbeit an gesetzlicher Regelung von Sachverhalten bislang die Frage der Höflichkeit der Formulierung nur eine absolut nachrangige Rolle spielt und wir auch an der Stelle wieder mal Gefahr laufen, hinter den Ansprüchen zurück zu bleiben, die bedeutende Vorgänger in ähnlichen oder vergleichbaren Ämtern mit Gesetzgebung verbinden.
Mein herzlicher Glückwunsch, Herr Prof. Mertens, der nachher noch einmal mit der Verleihung der Urkunde bekräftigt wird, möge am Schluss dieser Begrüßung stehen!
Ich danke Ihnen allen fürs Kommen und ich übergebe nun noch einmal mit ganz besonders herzlichem Dank für Ihre langjährige Tätigkeit Ihnen, Frau Prof. Recker, das Wort.