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Auf Ablehnung ist am Donnerstag, 17. Juni 2010, im Bundestag ein Antrag der Fraktion Die Linke nach einer umfassenden Kehrtwende auf dem Arbeitsmarkt und für Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von zehn Euro pro Stunde gestoßen. Bei der Abstimmung über das Papier mit dem Titel "Mit guter Arbeit aus der Krise“ (17/2396) enthielten sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Sie stimmten zwar der Kernforderung nach "guter Arbeit“ zu, hielten aber die Instrumente für realitätsfern. CDU/CSU und FDP sprachen in der rund 75-minütigen Debatte von "Forderungen aus der Mottenkiste“ und stimmten gegen den Antrag.
Nach dem Willen der Fraktion Die Linke soll Arbeitslosengeld I wieder 24 Monate gezahlt werden, um ein schnelles Abrutschen in Hartz IV zu verhindern. Mit einem Zukunftsprogramm sollen zudem zwei Millionen zusätzliche tariflich entlohnte Vollzeitarbeitsplätze und 500.000 öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden. Die Niedriglohnstrategie der Bundesregierung wird als gescheitert bezeichnet.
Die Arbeitsmarktexpertin der Linksfraktion, Luc Jochimsen, sagte, dass sich Deutschland nur mit guter Arbeit aus der Krise befreien kann. Derzeit arbeiteten 6,4 Millionen Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen. "So darf es nicht weitergehen“, sagte Jochimsen, die auch Präsidentschaftskandidatin der Linken für die Bundesversammlung ist.
Der Teufelskreis aus Armut und Ängsten müsse durchbrochen werden. Das von der Bundesregierung verabschiedete Sparpaket bezeichnete sie als Kampfansage an diejenigen Menschen, die ohnehin schon am wenigsten hätten.
Der SPD-Arbeitsmarktexperte Ottmar Schreiner versicherte, dass auch für seine Partei gute Arbeit ein Kernanliegen sei. Der Antrag der Linksfraktion enthalte einige brauchbare Vorschläge, aber auch viele Übertreibungen. Am Sparpaket der Bundesregierung kritisierte auch er die einseitige soziale Schieflage, die nur die Einkommensseite betreffe.
Deutschland habe schon jetzt mit 23 Prozent den größten Niedriglohnsektor im europäischen Maßstab. "Somit ist das Sparprogramm der Bundesregierung ein Frontalangriff auf gute Arbeit“, sagte Schreiner. Eine vernünftige Alternative sei, große Vermögen endlich mit einer Reichensteuer für die Finanzierung öffentlicher Aufgaben heranzuziehen.
"Das wäre die schmerzfreie Alternative zu einem Sparkurs der Bundesregierung, der ausschließlich auf dem Rücken der kleinen Leute ausgetragen wird“, sagte Schreiner.
Der CSU-Politiker Paul Lehrieder warf der Linksfraktion vor, mit ihrem Antrag ein Horrorszenario zu malen und ein Klima der Angst zu schaffen. Es gehe aber darum, den Menschen Mut zu machen und die Probleme auf dem Arbeitsmarkt anzupacken.
Im Bundeshaushalt 2010 gingen bereits die Hälfte der Ausgaben in den Sozialetat. Trotzdem setze Die Linke weiterhin einseitig auf den Ausbau von Sozialleistungen, kritisierte Lehrieder. Auch die Forderung nach Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen und einer Ausweitung des Kündigungsschutzes wies der Unionsabgeordnete zurück.
Der FDP-Arbeitsmarktexperte Pascal Kober warf der Linksfraktion vor, mit ihren Forderungen eine unüberwindbare Mauer um den Arbeitsmarkt herum errichten zu wollen. Damit würden Erwerbslose ihrer Chance auf Rückkehr in den Arbeitsmarkt beraubt, sagte er.
Zudem wolle die Fraktion Die Linke die Zeitarbeit abschaffen, die aber in Wahrheit eine sinnvolle Brücke für die Integration in den Arbeitsmarkt sei.
Die Sprecherin für Arbeitnehmerrechte der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Beate Müller-Gemmeke, forderte SPD und Linke auf, gemeinsam für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes zu kämpfen und nicht in einen gegenseitigen Überbietungswettbewerb über die Höhe zu treten. „Wir sollten an einem Strang ziehen“, sagte sie.
Der Regierungskoalition hielt sie vor, die Sorgen der Menschen im Land nicht ernst zu nehmen. Schon heute seien 47 Prozent aller neuen Beschäftigungsverhältnisse befristet. Müller-Gemmeke sprach sich wie die Fraktion Die Linke auch für das Prinzip "Gleicher Lohn bei gleicher Arbeit" in der Leiharbeit aus.
Die Abgeorndeten der Linken führen aus, dass mittlerweile sechs Millionen Menschen mit steigender Tendenz im Niedriglohnbereich arbeiteten. Als nicht hinnehmbar werden die so genannten aufstockenden Hartz-IV-Leistungen benannt, auf die 1,37 Millionen Erwerbslose wegen zu niedriger Löhne angewiesen seien.
In der Leiharbeit fordert die Fraktion gleichen Lohn, die Zahlung einer Flexibilitätsprämie und Ausweitung des Kündigungsschutzes auf alle Beschäftigten. Öffentliche Aufträge sollten nur an Unternehmen vergeben werden, die bestimmte soziale und ökologische Kriterien erfüllen.
Für Arbeitslose müsse zudem der Druck auf Annahme einer Beschäftigung verringert und die Zumutbarkeitsregeln müssten verbessert werden. Zudem habe jeder Erwerbslose in Zeiten der Krise Anspruch auf ein 24-monatiges Arbeitslosengeld I, "um einen schnellen Absturz in Hartz IV zu verhindern“.