Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2010
In der ersten Lesung des Etats des Bundesministeriums des Innern (BMI) am Donnerstag, 16. September 2010, drehte sich die Debatte erwartungsgemäß vor allem um das Thema Integration. Als eine "der Kernfragen unserer Zeit" bezeichnete Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) Migration und Integration. "Ja, es gibt Defizite heute, ja, es gab Fehler in der Vergangenheit", sagte der Minister weiter. "Aber seit einiger Zeit arbeiten wir an Lösungen, und das lassen wir uns auch nicht nehmen."
Zufrieden zeigte er sich, dass es trotz der Einsparungen im Etat des BMI von insgesamt 105 Millionen Euro gelungen sei, für die Finanzierung der Integrationskurse im kommenden Jahr Mittel in gleicher Höhe zur Verfügung zu stellen wie 2010. Zugleich verwies er darauf, dass die Nichtteilnahme sanktioniert werden solle: "Wir haben hier kein Rechts-, sondern ein Vollzugsproblem", sagte de Maizière. Sein Ministerium plant für 2011 mit einem Etat von 5,39 Milliarden Euro.
Kritik an der Integrationspolitik der Bundesregierung kam von der Opposition. So sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Olaf Scholz, dass nicht alle, die an Integrationskursen teilnehmen wollten, es auch dürften. Es gebe nicht genügend Deutschkurse, die Wartezeiten bis zu einer Teilnahme seien mitunter lang.
Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) bemängelte, dass die Mittel für Migranten, die bereits länger hier lebten, gekürzt worden seien. Außerdem sei die Bezahlung und finanzielle Absicherung der Kursleiter viel zu gering.
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) hingegen warf den Grünen vor, sie hätten noch von Multikulti geschwärmt, als die Probleme der Integration längst sichtbar geworden seien.
Innenexperte Hartfrid Wolff (FDP) verlangte eine insgesamt neue Sichtweise in der Integrationspolitik: Statt nur über die Probleme der Zuwanderung zu reden, sollten endlich ihre Chancen in den Blick genommen werden. Die Betroffenen müssten aber auch bereit sein, sich den Anstrengungen der Integration zu stellen.
Kritik der Opposition entzündete sich an einzelnen Haushaltstiteln. So äußerte Steffen Bockhahn (Die Linke) mit Blick auf die aktuelle Diskussion um die CDU-Abgeordnete und Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, Unverständnis darüber, dass der Vertriebenenverband vom BMI gefördert werde.
Was dessen Arbeit mit der "Förderung des friedlichen Miteinanders mit den Völkern Ostmittel-, Ost- und Südosteuropas" zu tun habe - unter dieser Bezeichnung laufen die Bewilligungen für Spätaussiedler, Minderheiten und Vertriebene im Haushaltsplan des Ministeriums - erschließe sich ihm unter dem Eindruck der gegenwärtigen Debatte um Frau Steinbach nicht, sagte Bockhahn.
Gabriele Fograscher (SPD) nahm die Mittelkürzungen bei der Bundeszentrale für politische Bildung und den Stellenabbau beim Technischen Hilfswerk kritisch in den Blick. Politische Bildung sei die Voraussetzung für politische Teilhabe, befand die Parlamentarierin. Deshalb dürfe daran nicht gespart werden.
Florian Toncar (FDP) erinnerte hingegen daran, dass alle Ressorts zur Haushaltskonsolidierung hätten beitragen müssen und dass das Ministerium dies in vorbildlicher Weise getan habe. Auch de Maizière selbst hatte zum Auftakt der Debatte gesagt, mit einem Volumen von 5,4 Milliarden Euro - 105 Millionen weniger als in diesem Jahr – sei dem BMI ein "respektabler, spürbarer Beitrag zur Sanierung des Bundeshaushalts" gelungen. Das sei notwendig gewesen, wenn auch nicht in allen Bereichen ganz leicht umzusetzen.
Die Opposition nutzte die Debatte auch zu einem Angriff auf das ihrer Meinung nach zögerliche Handeln der Regierung in Sachen nachträgliche Sicherheitsverwahrung. So forderte Olaf Scholz Justiz- und Innenministerium auf, endlich einen Gesetzentwurf zur erforderlichen Neuregelung der nachträglichen Sicherheitsverwahrung vorzulegen.
Auch die Rolle des Bundesinnenministeriums beim umstrittenen Zusatzvertrag der Bundesregierung mit der Atomwirtschaft zu den längeren Laufzeiten von Atomkraftwerken nahm Scholz ins Visier. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Vertrag die Billigung der beiden Verfassungsressorts Innen und Justiz findet", sagte Scholz und forderte de Maizière und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) dazu auf, sich zu der Zulässigkeit des sogenannten Atomvertrags zu äußern. (nal)