Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2010
Die UN-Resolution soll weltweit - wie hier in Darfur - die Rechte der Frauen stärken. © picture alliance
"Es fehlt keinesfalls am Know-how, sondern schlicht und einfach am Bewusstsein für die Thematik." Kerstin Müller (Bündnis 90/Die Grünen) fasste zusammen, was alle Teilnehmer der öffentlichen Sitzung des Unterausschusses "Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit" des Auswärtigen Ausschusses dachten. In einer öffentlichen Anhörung zogen die Mitglieder des Unterausschusses im Bundestag am Montag, 13. Dezember 2010, Bilanz zum Thema "Zehn Jahre Resolution 1325 'Frauen, Frieden und Sicherheit' des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und erreichte Fortschritte".
Dabei standen unter Vorsitz von Joachim Spatz (FDP) den Abgeordneten vier Expertinnen Rede und Antwort: Stefanie Babst, beigeordnete Nato-Generalsekretärin für Public Democracy, Monika Hauser, Gründerin der Frauenrechtsorganisation medica mondiale und Trägerin des Alternativen Friedensnobelpreises, Heidi Meinzolt, Mitglied der Steuerungsgruppe des Frauensicherheitsrates und Nahostkoordinatorin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit sowie Dagmar Schumacher, Direktorin des Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen (UNIFEM).
Hintergrund: Die vom UN-Sicherheitsrat einstimmig verabschiedete Resolution fordert dazu auf, dass die Rechte von Frauen und Mädchen in gewaltsamen Konflikten besonders geschützt werden. Sie sollen gleichberechtigt in Friedensverhandlungen und Schlichtungen einbezogen und mehr in Friedensmissionen eingesetzt werden.
Darüber hinaus wird gefordert, dass alle Kriegsverbrechen gegen Frauen verfolgt werden.
Zwar stimmten die versammelten Teilnehmer darin überein, dass die Resolution zur Stärkung der Frauenrechte einerseits ein bedeutender Fortschritt innerhalb der zivilen Krisenprävention sei, andererseits jedoch den Schritt in die politische Praxis noch nicht geschafft habe.
Kerstin Müller begrüßte, dass eine Anhörung zu diesem Thema überhaupt stattfinde, schränkte aber ein: "Es wäre schon auch wünschenswert, diese Veranstaltung im Verteidigungsausschuss stattfinden zu lassen." Dieses Thema müsse in der Außen - und Sicherheitspolitik verankert werden.
Dieses fehlende Bewusstsein sei allerdings keinesfalls das "Privileg" der aktuellen Bundesregierung, sondern sei auch unter Rot-Grün ein Problem gewesen, betonte Müller.
Ähnlich selbstkritisch sah dies die Sozialdemokratin Uta Zapf. “Die Resolution ist schon zehn Jahre alt, aber wir haben bisher noch nicht hinbekommen, sie auf den Aktionsplan zu setzen. Ich bin da auch ein Stück weit ettäuscht von mir selbst”, räumte sie ein.
Genau dies müsse auch die Schlussfolgerung aus dieser Anhörung sein - dass fraktionsübergreifend ein Vorschlag für einen entsprechenden Aktionsplan gemacht werde.
Dagmar Schumacher, Direktorin des Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen (UNIFEM), sagte, ein entscheidendes Problem bei der Umsetzung der Resolution sei, dass Frauen in Krisenregionen kaum an Friedensverhandlungen beteiligt werden. Dies gehe aus verschiedenen Studien hervor.
Stefanie Babst, beigeordnete Nato-Generalsekretärin für Public Democracy, sprach sich dafür aus, den Anteil der deutschen Soldatinnen zu erhöhen in Einsätzen, die auch die Rolle des "Gender Advisors", speziell für Fragen der Frauenrechte, übernehmen könnten.
Monika Hauser, Gründerin der Frauenrechtsorganisation medica mondiale, sagte, das größte Hindernis zur Umsetzung der Resolution 1325 sei der Umstand, dass der Kampf um mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern noch immer als Nebenschauplatz gelte und längst noch nicht im Bewusstsein entscheidender Verantwortungsträger angekommen sei.
Auch hierzulande sei kein politischer Willen erkennbar, klagte sie. Dies zeige sich auch an der fehlenden Ausstattung durch finanzielle Mittel und Personal, die für eine Umsetzung der Resolution erforderlich seien.
Insbesondere das Beispiel Afghanistan zeige, dass die Bundesregierung keine kohärente Strategie bei der Umsetzung der Resolution verfolge. Dies räche sich nun, wie sich am gegenwärtigen Zustand des Landes mühelos erkennen ließe.
Zwar enthalte dort die Verfassung entsprechende Artikel zur Regelung von Geschlechterfragen, diese seien den Richtern vor Ort jedoch oft nicht bekannt.
Heidi Meinzolt, Mitglied der Steuerungsgruppe des Frauensicherheitsrates und Nahostkoordinatorin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit, teilte Hausers Kritik: "Es heißt immer, in Deutschland werde so viel für die Stärkung der Frauenrechte in Krisengebieten getan. In Wirklichkeit ist Deutschland im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn Schlusslicht."
Damit bezog sich Meinzolt auf Länder wie die Schweiz, die als erstes europäisches Land einen eigenen Aktionsplan zur UN-Resolution 1325 entwickelt hat. Meinzolt machte sich außerdem stark für ein Programm, um Kindersoldatinnen mit ihren ganz spezifischen Problemen wieder ans Leben heran zu führen.
Große Defizite gebe es auch in Fragen der Abrüstung sowie der Rüstungskontrolle. Abrüstung sei aber die Voraussetzung für die Umsetzung der Resolution, sagte sie.
Zwar seien aus der Vergangenheit auch sehr erfreuliche Fortschritte erzielt worden, wie das Parlament von Ruanda mit über 50 Prozent Frauenanteil belege. Ein Grund, sich zurückzulehnen, sei dies jedoch nicht, sagte sie.
"Im Gegenteil: Es ist wichtig, insbesondere den Amtsträgern und Verantwortlichen in den entsprechenden Ländern mit der Umsetzung der Resolution wie ein Moskito im Ohr zu liegen: Einer im Raum reicht ja normalerweise aus, um die Mehrheit vom Schlaf abzuhalten." (jmb)