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Von seinem anfänglichen Zögern, Deutschland zu besuchen, ist in Berlin nichts mehr zu spüren. Mit der ihm eigenen fröhlichen Offenheit ging Reuven Rivlin bei seinem viertägigen Besuch in Deutschland vom 26. bis 29. Juni 2012 in die Gespräche und zeigte sich gleich am ersten Tag sehr bewegt — an dem Mahnmal Gleis 17. Den 73-jährigen Vorsitzenden des israelischen Parlaments (Knesset) berührte, dass von Oktober 1941 bis Januar 1945 inmitten eines Stadtviertels die Deportation von Berliner Juden begann. Nicht etwa außerhalb hinter den Toren Berlins, wo die Nazis mit weniger Zeugen rechnen mussten. 50.000 Menschen wurden vom Grunewald aus in den Tod geschickt.
Die schreckliche Geschichte verbinde beide Länder auf besondere Weise, betonte der erfahrene Likud-Politiker und Parteifreund von Ministerpräsident Netanjahu. Doch inzwischen sei eine zweite Säule des gemeinsamen Fundaments hinzugekommen: die demokratischen Werte, die beide Länder miteinander teilten. Dies sei die Gegenwart und zugleich die Zukunft beider Länder. Wegen dieser einzigartigen Beziehungen würden sich Deutschland und Israel ganz besonders füreinander interessieren, bemerkte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert.
Wie aufmerksam dies geschieht, zeigte das jüngste Urteils des Kölner Landgerichts, das Beschneidungen an minderjährigen Jungen für grundsätzlich strafbar erklärte. Für Lammert ein klassischer Konflikt zwischen zwei Rechtsgütern: dem der Religionsfreiheit und dem des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit. Er erkenne jedoch keinen Grund für die Besorgnis, das Urteil könne die Religionsfreiheit einschränken, sehe vielmehr der weiteren juristischen Befassung mit Gelassenheit entgegen. Sein israelischer Gast hielt fest an dieser über dreitausendjährigen Tradition, fügte aber hinzu: "Gott zu achten ist mehr als nur Traditionen zu folgen, es bedeutet vor allem, seinen Glauben zu pflegen."
Rivlin bedankte sich bei Deutschland für die umfangreiche Hilfe, die Berlin Israel gewährt hat — ohne auf die jüngsten U-Boot-Lieferungen ausdrücklich einzugehen. Deutschland, als inzwischen guter Freund seines Landes, so Rivlin, dürfe selbstverständlich nicht nur anderer Meinung sein, sondern diese auch äußern, was Lammert tat, als er die israelische Siedlungspolitik ansprach.
Seiner Meinung nach ist der Stillstand im Nahostfriedensprozess jedoch weniger auf einzelne kritisierte Maßnahmen zurückzuführen als vielmehr auf einen wechselseitigen Mangel an Vertrauen der beiden Verhandlungspartner, was der Knesset-Chef bestätigte. Solange Israel das Existenzrecht abgesprochen werde, könne von gegenseitigem Vertrauen keine Rede sein. (sad)