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Mit dem Vorsitz der Deutsch-Zentralasiatischen Parlamentariergruppe hat sich für Dr. Dagmar Enkelmann ein Traum erfüllt. Schon lange ist die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Die Linke fasziniert von der Region, die im Westen zumeist auf ihre strategische Bedeutung für den Afghanistan-Einsatz reduziert wird. Zu Unrecht, wie Enkelmann findet. Kasachische Studenten, kirgisische Parlamentarier, Journalisten aus Tadschikistan: Die Gästeliste der deutsch-zentralasiatischen Parlamentariergruppe (PG) kann sich sehen lassen. "Wir sind eine der fleißigsten PGs im Bundestag", erzählt Dagmar Enkelmann stolz. Seit die heutige Vorsitzende der Deutsch-Zentralasiatischen PG 1991 mit der ersten Bundestagsdelegation des wiedervereinigten Deutschlands in der Mongolei war, ist sie fasziniert von dieser Region.
Und als nach der letzten Bundestagswahl im Herbst 2009 die Vorsitze der insgesamt 54 Parlamentariergruppen, die die außenpolitischen Beziehungen des Bundestages zu den Volkvertretungen anderer Staaten pflegen, dem Verhältnis der Fraktionen entsprechend neu vergeben wurden, hat Enkelmann wie eine Löwin um den Vorsitz der deutsch-zentralasiatischen Parlamentariergruppe gekämpft. "Irgendwann haben meine Kollegen gesagt: ‚Wenn jemand so heftig wirbt um diese PG, dann können wir gar nicht anders, als ihr den Vorsitz zu geben’", erinnert sich Enkelmann lachend.
Sie übernahm ein gut bestelltes Feld. Ihre Vorgängerin, Hedi Wegener (SPD), hatte als Vorsitzende der PG in den beiden vorhergehenden Wahlperioden bereits intensive Kontakte nach Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und in die Mongolei aufgebaut. Wobei die Mongolei in der PG Zentralasien eine gewisse Sonderrolle spielt. "So ganz passt sie nicht dorthin, nicht zuletzt, weil ihre Beziehungen zur Bundesrepublik auf einem ganz anderen Stand sind als die der anderen zentralasiatischen Länder", erklärt Enkelmann. "Die Mongolen möchten daher auch am liebsten eine eigene PG im Bundestag haben. Aber das ist nicht so einfach."
Doch auch die anderen zentralasiatischen Länder lassen sich beileibe nicht über einen Kamm scheren. "Sowohl mit Blick auf die demokratische als auch auf die wirtschaftliche Entwicklung hat Kasachstan in den letzten Jahren die größten Fortschritte gemacht", erzählt Enkelmann. Die dominante Rolle, die Kasachstan in der Region einzunehmen versuche, werde allerdings von den anderen Ländern keineswegs gutgeheißen. Und zwischen Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan gebe es heftige Auseinandersetzungen, vor allem was die Frage der Wasser- und der Energieversorgung betrifft.
Eine komplizierte Gemengelage also in einer Region, die für den Westen auch aufgrund des Afghanistan-Einsatzes aus strategischer Sicht von großer Bedeutung ist. Nicht zuletzt deshalb hatte die Bundesregierung bei der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands im ersten Halbjahr 2007 Zentralasien zum Schwerpunkt ihrer Außenpolitik erklärt und eine EU-Zentralasienstrategie entwickelt, die bis heute die Sicht auf die Region prägt.
"Ich glaube, eines der Hauptprobleme bei dieser Strategie ist, dass sie den Aspekt der Sicherheit zu sehr in den Fokus rückt. Dabei sollte es viel stärker auch um Themen wie die wirtschaftliche und demokratische Entwicklung oder das Problem des Drogenanbaus und -transports gehen", so Enkelmanns kritische Bilanz. Die 56-Jährige ist zugleich optimistisch, dass sich mit der neuen EU-Sonderbeauftragten für Zentralasien, der deutschen Diplomatin Patricia Flor, die EU-Zentralasienstrategie in diese Richtung weiterentwickeln lässt.
Die Hauptaufgabe der fünfköpfigen PG sieht Enkelmann vor allem darin, das Selbstbewusstsein der Parlamente und der Zivilgesellschaft in den zentralasiatischen Ländern zu stärken. Schließlich werden diese Länder autoritär geführt, zumeist von Familienclans, die fest im Sattel sitzen.
Dabei kann die PG durchaus Erfolge vorweisen. So wurde der inhaftierte kasachische Theaterregisseur Bolat Atabayev, der Ende August wegen seines Engagements für demokratische Strukturen und seine Verdienste um den deutsch-kasachischen Kulturaustausch in Weimar die Goethe-Medaille für sein Lebenswerk erhielt, Ende Juli freigelassen – nach heftigen Protesten aus dem Bundestag.
Auch Enkelmann hatte sich in dieser Sache an den Botschafter Kasachstans gewandt. "Das war sicher nur einer von vielen Bausteinen zu seiner Freilassung, aber ich weiß aus den Kontakten mit unseren Botschaftern in den zentralasiatischen Ländern, dass es schon wahrgenommen wird, wenn sich die PG für jemanden einsetzt", ist sie überzeugt.
Vom 7. bis 12. Oktober ist die PG in Kirgistan und Turkmenistan unterwegs. Mit dabei sind neben Enkelmann Manfred Grund und Karin Strenz (beide CDU/CSU), Ute Kumpf (SPD) und Cornelia Behm (Bündnis 90/Die Grünen). Die Abgeordneten interessieren sich unter anderem für die Zusammenarbeit in der Region und mit Deutschland, die Lage bei den Menschenrechten, Wasserfragen sowie für Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung.
Neben Gesprächen mit Vertretern der Parlamente, Regierungen und der Zivilgesellschaft trifft die Delegation auch mit Entwicklungs- und Nichtregierungsorganisationen und den vor Ort tätigen politischen Stiftungen zusammen. (nal/05.10.2012)