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Die Novellierung des Arzneimittelgesetzes mit dem Ziel, den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft so gering wie möglich zu halten, hat der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in einer öffentlichen Anhörung unter Vorsitz von Hans-Michael Goldmann (FDP) am Mittwoch, 28. November 2012, diskutiert.
In ihrer Stellungnahme erklärte die Bundestierärztekammer, sie unterstütze die Forderung nach einer zentralen Datenbank zur Erfassung des Antibiotikaeinsatzes in der Landwirtschaft. In solch einer Datenbank sollen Informationen über den Medikamente verordnenden Tierarzt, den behandelten Tierbestand und die Arzneimittel enthalten sein. Darüber hinaus sollten Abgabe- und Anwendungsdatum, verabreichte Mengen, behandelte Tiere, Indikation, Dosierung und Behandlungsdauer in Tagen erfasst werden.
"Immer besser, immer nachhaltiger muss die Formel für die Lebensmittelproduktion sein", sagte Dr. Thomas große Beilage als Vertreter der Kammer. Er machte darauf aufmerksam, dass Deutschland aufgrund seiner Lage als Transitland bei der Pflege der Tiergesundheit vor besonderen Herausforderungen stehe. Ein direkter Vergleich mit anderen EU-Ländern sei aus diesem Grund schwierig, weil das Verbreitungspotenzial von Krankheiten höher sei.
Der Tierarzt plädierte dafür, den Fokus auf Impfungen von Tierbeständen zu setzen, um besser vorbeugen zu können. "Aber es muss auch die Einsicht einkehren, dass Antibiotika keine Betriebsmittel sind." Mängel in Haltung oder Management dürfen nicht mit Antibiotika korrigiert werden, auch wenn es betriebswirtschaftlich günstiger sei.
Dr. Hans-Joachim Götz vom Bundesverband praktizierender Tierärzte warnte hingegen, dass mit der Einrichtung einer neuen Datenbank "nur eine neues Überwachungsinstrument" geschaffen wird. Doch seien die Überwachungsbehörden derzeit nicht in der Lage, die ohnehin vorgesehenen Aufgaben zu erfüllen.
In seiner Stellungnahme stellte Götz fest, dass eine Verbesserung hinsichtlich der Besatzdichten in Ställen und der Futterqualität schnell zur Verbesserung der Tiergesundheit beitrage. Solche Maßnahmen würden mit steigenden Produktions- und Lebensmittelkosten einhergehen.
"Eine staatliche Datenbank ist unverhältnismäßig und auch überflüssig", sagte Brigitte Wenzel vom Deutschen Bauernverband vor dem Hintergrund einer bereits eingerichteten Datenbank bei QS – ein wirtschaftsgetragenes Qualitätssicherungssystem der Ernährungswirtschaft für die Herstellung, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln.
"Die Landwirtschaft zeigt ihre ernsthafte Bereitschaft, sich diesem Problem mithilfe des QS zu stellen", sagte Wenzel. Auch den Bauernverband habe die verwendete Menge von 1.734 Tonnen Antibiotika im Jahr 2011 in der Landwirtschaft "nachdenklich gestimmt". Es müsse auf Impfstoffe gesetzt werden, die zu einem deutlichen Rückgang des Einsatzes von Antibiotika führen.
Doch kranke Tiere müssen behandelt werden können und sollten nicht dem "Diktat einer Minimierungsstrategie" unterliegen. Eine zusätzliche staatliche Datenbank wird nach Ansicht des Bauernverbandes den Bürokratieaufwand erhöhen und Kosten in dreistelliger Millionenhöhe ohne Erfolgsgarantie verursachen.
Dem entgegnete Peter Knitsch vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, dass der Einsatz von Antibiotika in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern viel zu hoch sei. Knitsch kritisierte den Gesetzentwurf der Regierung, weil dieser zu keiner nennenswerten Senkung der Antibiotikaanwendung führen werde. "Der Anwendungsbereich muss über die Mast drastisch auf den Aufzuchtbereich erweitert werden", sagte er. In diesem Sektor würden 70 bis 80 Prozent der Antibiotika angewendet.
Knitsch machte zudem eine "leistungsmäßige Überforderung der Nutztiere" in der Mast als Grund häufiger Erkrankungen aus. So werden nach seiner Stellungnahme "energetisch hochkonzentrierte Rationen" verfüttert, bei denen wichtige Rohfasergehalte auf das Minimum reduziert seien. Die Fütterung führe zu entzündlichen Veränderungen im Magen-Darm-Bereich. Dies führe zwangsläufig zum Einsatz von Antibiotika, um Ausfälle zu vermieden.
Für Dr. Dirk Freitag vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern ist die angestrebte Novellierung des Arzneimittelgesetzes "ein Schritt in die richtige Richtung". Freitag machte in seiner Stellungnahme auf die sogenannte "Restmengenproblematik" aufmerksam. Die Herstellung kleinerer "Gebinde" durch die pharmazeutische Industrie könnte eine "punktgenaue" Versorgung von Tierbeständen mit Antibiotika ermöglichen und würde zu weniger Resten führen.
Darüber hinaus solle unter anderem eine Festpreisbindung bei der Abgabe von Antibiotika geprüft werden, um eine mögliche Gewinnerzielungsabsicht des Tierarztes einzuschränken. Dadurch könnte ein Anreiz für den sparsameren Einsatz von Antibiotika geschaffen werden. Im Gegenzug sollen Beratungsleistungen bessergestellt werden.
"Wir sind offen für Datenaustausch", sagte Dr. Hermann-Josef Nienhoff von der QS Qualität und Sicherheit GmbH. Er erklärte die grundsätzliche Bereitschaft zu einer "Kopplung" der geplanten staatlichen Datenbank mit der QS-Datenbank. Nur dürfe es nicht zu einer doppelten Erfassung der Daten kommen. Anders als in der Novelle vorgesehen, sprach er sich dafür aus, dass auch Tierärzte relevante Daten in eine solche Datenbank eingeben müssen.
Aktuell seien insgesamt 4.059 Geflügelmastbetriebe und 25.227 landwirtschaftliche Betriebe mit Schweinemast in der QS-Datenbank registriert. Sämtliche Stammdaten für die Betriebe lägen bereits in der Datenbank vor. Für Geflügel erhebe QS die Antibiotikaverschreibungen seit April 2012. Bisher seien für 84 Prozent der Betriebe sämtliche Produktions- und Herdendaten erfasst. Für die Schweinemast würden die Daten seit September 2012 erfasst. Die Angaben zum Antibiotikaeinsatz würden von den behandelnden Tierärzten in die QS-Datenbank eingegeben. Aktuell seien 925 Tierärzte für die Dateneingabe registriert.
Für den Verbraucherzentrale Bundesverband machte Susanne Mauersberg deutlich, dass die Sorge der Verbraucher über die Zunahme von Antibiotikaresistenzen steigt. Immer mehr resistente Keime würden auf Produkten gefunden. Allein mit einer Änderung des Arzneimittelgesetzes werden die Haltungsbedingungen in der Nutztierhaltung nach Ansicht Mauersbergs nicht verbessert. Dadurch würden auch die Ursachen nicht bekämpft.
Deshalb dürfe der Einsatz von Antibiotika nur ausnahmsweise und nur nach tierärztlicher Untersuchung im Rahmen einer Therapie und bei nachgewiesener bakterieller Infektion zulässig sein. Der Verband forderte ein Anwendungsverbot von Antibiotika in der Tiermedizin für Mittel, die bei Menschen eingesetzt werden.
"Antibiotika sind ein wichtiges Instrument in der Hand von Arzt und Tierarzt und dürfen nicht verteufelt werden", sagte Prof. Dr. Jörg Hartung vom Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule.
Seiner Ansicht nach sind die Gesundheitslehre und die Tierhygiene der "Schlüssel" zur Lösung vieler bestehender Probleme. Die Gesundheitsvorsorge in den vielen unterschiedlichen Haltungssystemen in Deutschland hänge sehr stark von den Kenntnissen der Tierhalter ab. Insofern müsse auf die Ausbildung der Landwirte gesetzt werden, die sich bereits deutlich gebessert habe. (eis/28.11.2012)