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Viele Geringverdiener, klagt Hans-Joachim Hacker, sind "aus sozialen Gründen von Ferienerlebnissen ausgeschlossen". Diesen Bürgern fehle "schlicht das Geld", um sich Urlaub leisten zu können, so der SPD-Obmann im Tourismusausschuss des Bundestages im Interview. Die Regierung solle mehr Mittel bereitstellen, um betroffenen Kindern und Jugendlichen in größerem Umfang als bisher Ferienaufenthalte zu ermöglichen. Als "verkehrten Ansatz" lehnt Hacker indes eine Aufstockung der Hartz-IV-Sätze über die Einrechnung eines Urlaubsbudgets ab. Ein von der Linksfraktion unter dem Titel "Reisen für alle – Für einen sozialen Tourismus" vorgelegter Antrag (17/11588) liegt einer Plenardebatte am Donnerstag, 31. Januar 2013, zu dieser Thematik zugrunde, deren Reden allerdings zu Protokoll gegeben werden sollen. Das Interview im Wortlaut:
Die Deutschen gelten als "Reiseweltmeister". Wie passt zu diesem Bild der Befund, dass große Teile der Bevölkerung aus finanziellen Gründen von Urlaubsfreuden ausgeschlossen sind?
Das ist leider so, und das lässt sich leicht erklären. All jene, die zu den Geringverdienern zählen, die arbeitslos sind, die nur kleine Renten haben oder die Hartz IV beziehen, können sich nun mal Ferien kaum leisten. Ihnen fehlt schlicht das Geld, um einen mehrwöchigen Hotelaufenthalt bezahlen oder gar eine teure Luxusreise stemmen zu können. Das Kernproblem dieser Malaise: Die Einkommen sind zu niedrig.
In ihrem Antrag untermauert Die Linke ihre Kritik mit statistischen Erkenntnissen. Danach hat nur jede zweite Familie das nötige Geld für einen Urlaub, unter Geringverdienern kann sich nur jeder Fünfte eine Reise leisten. Das klingt ziemlich ernüchternd.
Es existieren diverse statistische Daten zu diesem Problemkreis. Auch ich kenne Umfragen, wonach 2013 über die Hälfte der Familien keine Ferien bezahlen kann. Nach anderen Erhebungen wiederum ist sich nur jeder fünfte Deutsche sicher, dass es dieses Jahr mit einem Urlaub nichts wird. Was immer die Statistiker im Detail herausfinden: Es führt kein Weg an der bitteren Erkenntnis vorbei, dass ein Teil der Gesellschaft aus sozialen Gründen von Ferienerlebnissen ausgeschlossen ist.
Hat dieses Problem auch damit zu tun, dass der Staat preiswerte Angebote unzureichend fördert – man denke etwa an Jugendherbergen, an Klassenfahrten in Schulen oder an Reisen, die von Gewerkschaften, Sozialverbänden und Kirchen organisiert werden?
In diesem Bereich geschieht Erhebliches, da ist viel Engagement zu beobachten, etwa seitens der Kommunen, aber auch bei Kirchen, sozialen Organisationen oder Gewerkschaften. Natürlich könnte noch mehr geschehen. Das gilt besonders für die Regierung: Die Koalition hat die Mittel für den Kinder- und Jugendplan gekürzt, eine inakzeptable Fehlentscheidung. Die SPD konnte bei der Verabschiedung des Bildungs- und Teilhabepakets immerhin durchsetzen, dass dort für Heranwachsende zehn Euro monatlich zur Feriengestaltung eingestellt wurden. Das ist nicht viel, aber auch nicht gering zu achten. Von dieser Maßnahme können 50.000 Kinder und Jugendliche profitieren.
Die mangelnde Teilhabe vieler Leute am Tourismus wird öffentlich kaum diskutiert. Woran liegt das? Fehlt Politik und Medien die Sensibilität? Mangelt es an Daten? Vermag eine kontinuierliche statistische Berichterstattung für Regierung und Bundestag zu helfen, dieses Thema aufzuwerten?
Letzteres könnte durchaus nützlich sein, zum Beispiel könnte die Regierung dieses Problem in ihre Armuts- und Reichtumsberichte integrieren, was die Koalition jedoch leider ablehnt. Den Vorwurf unzureichenden Interesses an dieser sozialen Malaise muss sich der Bundestag indes nicht machen lassen. Im Parlament wurde diese Frage vielmehr mehrfach diskutiert. In den Medien spielen Skandale oder Soaps bedauerlicherweise eine größere Rolle als unangenehme soziale Themen. Dabei wäre es der Ausschluss von Teilen der Bevölkerung vom Tourismus durchaus wert, medial skandalisiert zu werden.
Ist eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze über die Einrechnung eines "Ferienbudgets" ein sinnvoller Weg?
Nein, das ist ein verkehrter Ansatz, auf diese Weise wird das Problem nicht gelöst. Dann müsste man im Übrigen auch Niedriglöhnern, die als sogenannte Aufstocker auf zusätzliche Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, einen entsprechenden Zuschlag zugestehen. Es hilft nur eines: Hartz-IV-Empfänger müssen in richtige Arbeit gebracht werden, und Geringverdiener müssen endlich einen ordentlichen Lohn bekommen. Zentral ist dabei die Einführung eines Mindestlohns. Wenn die Einkünfte steigen, ist auch Geld für Urlaub da.
Nun wird es aber auch weiterhin viele Leute mit geringen Einkommen geben. Sollte der Staat bestimmte Projekte stärker unterstützen, damit Kinder und Jugendliche aus diesen Kreisen wenigstens hin und wieder in Ferien fahren können?
Keine Frage, da sollte mehr passieren. Bund, Länder und Kommunen könnten sich mit Zuschüssen stärker engagieren, um etwa mehr Aufenthalte in Jugendherbergen zu ermöglichen, die preiswert sind und gleichwohl einen guten Standard haben. Ich denke auch an eine bessere Unterstützung des deutsch-französischen wie des deutsch-polnischen Jugendwerks, da ist vor allem auch der Bund gefordert. Reisen im Rahmen dieser Einrichtungen dienen der Erholung und dem Vergnügen, zudem aber der Völkerverständigung.
(kos/24.01.2013)