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Konsequenzen aus dem Pferdefleischskandal, Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft, Barrierefreiheit im Fernbuslinienverkehr – nur drei von vielen unterschiedlichen Themen, zu denen die Abgeordneten insgesamt 65 Fragen für Fragestunde des Bundestages (17/12342) am Mittwoch, 20. Februar 2013, ab 13.55 Uhr eingereicht haben. Dr. Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, will sich dann erkundigen, wie die Bundesregierung zur Ankündigung Bayerns und Hessens steht, gegen den Länderfinanzausgleich zu klagen. Die beiden Landesregierungen hatten Anfang Februar angekündigt, gemeinsam vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Ihr Argument: Die geltenden Regelungen führten zu "erheblichen Fehlanreizen". Auch Troost hält eine Reform des Länderfinanzausgleichs für notwendig. Warum aber eine Klage seiner Meinung nach "unangebracht" ist, erklärt der Leipziger Bundestagsabgeordnete im Interview:
Herr Dr. Troost, schon lange kritisiert das Hauptgeberland Bayern den Länderfinanzausgleich. Nun will Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) gemeinsam mit seinem Kollegen Volker Bouffier (CDU) klagen. Sie sind Abgeordneter aus Leipzig, und Sachsen gehört zu den Nehmerländern des Finanzausgleichs. Was halten Sie von einer Klage?
Überhaupt nichts. Schließlich haben die finanzschwachen Bundesländer 2009 in der Föderalismuskommission II der Schuldenbremse nur zugestimmt, weil zugleich verabredet wurde, dass der Länderfinanzausgleich bis 2019 nicht in Frage gestellt wird. Insofern ist das, was Bayern und Hessen nun vorhaben, ein klarer Verstoß gegen diese Verabredung.
Warum drängen die Länder dennoch jetzt auf eine gerichtliche Klärung?
Sie tun das sicherlich aus wahltaktischen Gründen. In Bayern und Hessen finden im September Landtagswahlen statt. Und: Sie tun es mit völlig unzutreffenden Argumenten. So behaupten sie unter anderem, dass sich Nehmerländer wie Berlin oder Bremen Ausgaben leisteten, die es in Bayern oder Hessen nicht gäbe. Darum geht es aber beim Länderfinanzausgleich gar nicht. Da gibt es keine Berücksichtigung der Ausgaben. Der Länderfinanzausgleich versucht, möglichst gleichmäßig Steuereinnahmen je Einwohner zu verteilen.
Bayern und Hessen monieren, das System sei in "Schieflage" geraten und setze "Fehlanreize". Eine Kritik, die auch Ihre Fraktion schon geäußert hat. In einem Positionspapier heißt es, für Geber- wie Nehmerländer bestünden wenige Anreize, höhere Steuereinnahmen zu erzielen. Liegt die Linke mit Seehofer und Bouffier auf einer Linie?
Nein, gar nicht. Sicherlich ist die Frage der Anreize von Bedeutung – aber nicht so wie Bayern und Hessen das verstehen. Sie behaupten, dass man eine konservative, neoliberale Wirtschaftspolitik machen muss, um Wirtschaftswachstum und steuerliche Mehreinnahmen zu erzielen. Das werden viele Länder nicht erreichen. Wenn wir als Linke von fehlenden Anreizen sprechen, meinen wir dies in Bezug auf die Erhebung von Steuern. Bestimmte Länder, wie etwa Baden-Württemberg, haben lange argumentiert: ‚Warum sollen wir mehr Steuern von unseren Unternehmen einziehen, wenn das Geld anschließend im Länderfinanzausgleich landet.’ Da fehlen die Anreize.
Sie wollen in der Fragestunde erfahren, auch die Bundesregierung negative Handlungsanreize im gegenwärtigen System des Länderfinanzausgleichs sieht. Was bezwecken Sie mit Ihrer Frage?
Wir wollen, dass die Bundesregierung – die von den gleichen Parteien gestellt wird wie die Regierungen in München und Wiesbaden – klar sagt, dass diese Klagen jetzt nicht angebracht sind, und die Geschäftsgrundlage für die Schuldenbremse eine andere war. Gleichzeitig muss es in einer neuen, dritten Föderalismuskommission darum gehen, die Finanzströme zwischen Bund und Ländern zu überprüfen und vernünftig zu verteilen.
Welche Rolle sollte der Bund beim Länderfinanzausgleich spielen – Bayern und Hessen fordern ja, dass er die Finanzierung der Hauptstadt Berlin übernimmt.
Das ist schon richtig. In der Diskussion um den Länderfinanzausgleich ist es allerdings ein unzutreffendes Argument. Um es ganz provokant zu sagen: Selbst wenn ein Bundesland jedem Bürger einen goldenen Löffel schenken und sich dafür verschulden würde, bliebe der Länderfinanzausgleich davon unberührt. So ist das auch mit den hauptstadtbedingten Ausgaben Berlins. Ich bin durchaus der Meinung, dass der Bund dafür Gelder zur Verfügung stellen muss. Mit dem Länderfinanzausgleich hat dies aber nichts zu tun.
Sie kritisieren also das Vorhaben Bayerns und Hessen gegen die geltenden Regeln des Finanzausgleichs zu klagen, befürworten aber trotzdem Reformen?
Ja, es muss und es wird Reformen geben. Eine dritte Föderalismuskommission soll sich damit beschäftigen. Wir als Linke wollen gleichwertige Lebensverhältnisse überall in Deutschland. Deshalb ist für uns der Länderausgleich zwingend. Wir wollen aber auch Möglichkeiten finden, dass die Umverteilung in Stufe zwei des Länderfinanzausgleichs, über die vor allem gestritten wird, nicht mehr so umfangreich – und damit auch nicht mehr so merkbar ist.
Wie soll das konkret aussehen?
Der Länderfinanzausgleich besteht aus mehreren Stufen. Wir wollen, dass bereits auf der ersten Stufe – da, wo zunächst das gesamte Steueraufkommen in Deutschland zwischen Bund und Ländern aufgeteilt wird – ein stärkerer Ausgleich zwischen den Ländern gefunden wird. Bislang wird dafür nur ein Viertel der Umsatzsteuer herangezogen. Unserer Meinung nach sollte dieser Anteil deutlich aufgestockt werden und die Steuereinnahmen je Einwohner dort bereits auf mindestens 95 Prozent des Länderdurchschnittes ausgeglichen werden. Die Umverteilung in Stufe zwei, auf der der Ausgleich zwischen den finanzstarken und den finanzschwachen Ländern stattfindet, fiele dann geringer aus. Das würde wiederum zu einer Entpolitisierung des Länderfinanzausgleichs beitragen, weil die finanzstarken Länder weniger "abgeben" müssten. (sas/19.02.2013)