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Die Bundesregierung soll sich nach dem Willen des Bundestages bei den Vereinten Nationen dafür einsetzen, dass der bestehende Weltflüchtlingstag am 20. Juni "um das Gedenken an die Opfer von Vertreibung erweitert wird, und nach dieser Entscheidung dieses Gedenken auf nationaler Ebene" begangen wird.
Einen entsprechenden Antrag der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion (17/13883) verabschiedete das Parlament am Donnerstag, 13. Juni 2013, mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalitionsmehrheit bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke, während sich die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielten.
In dem Beschluss wird zugleich das vor 60 Jahren in Kraft getretene Bundesvertriebenengesetz als "eine der tragenden gesetzlichen Grundlagen für die Rechte der deutschen Flüchtlinge, Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler" gewürdigt. Seine Leistungen seien Teil der Politik der Kriegsfolgenbewältigung durch die Bundesrepublik.
Dabei habe Kriegsfolgenbewältigung mehrere Aspekte: Von "übergeordneter Bedeutung" sei die "Versöhnung und Wiedergutmachung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus und der von Deutschland ausgehenden Aggressionskriege". Daneben stehe die Solidarität mit den Deutschen, "die wegen ihrer Volkszugehörigkeit ein besonders schweres Kriegsfolgenschicksal erlitten haben".
Gegen die Stimmen der Linksfraktion verabschiedete der Bundestag zudem einen Gesetzentwurf des Bundesrates (17/10511) zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes in modifizierter Fassung (17/13937). Danach sollen Familienangehörige eines Spätaussiedlers in dessen Aufnahmebescheid auch ohne Grundkenntnisse der deutschen Sprache aufgenommen werden können, wenn sie diese wegen Krankheit oder Behinderung nicht erlernen können.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wertete das Bundesvertriebenengesetz in einer Regierungserklärung als Dokument nationaler Solidarität in Deutschland. Er erinnerte daran, dass nach dem Zweiten Weltkrieg fast zwölf Millionen Deutsche aus ihrer Heimat vertrieben worden seien. Zwei Millionen hätten "auf der Flucht, bei Vertreibung oder Deportation den Tod" gefunden.
Trotz der Trauer um die verlorene Heimat hätten die Vertriebenen eine "große Geste des Friedens" ausgesendet, fügte Friedrich hinzu und bescheinigte ihnen mit Verweis auf die Charta der Heimatvertriebenen von 1950 "Versöhnungsbereitschaft" statt "Rachegedanken". 60 Jahre nach Inkrafttreten des Bundesvertriebenengesetzes könne man "hinsichtlich der Integration unserer deutschen Landsleute von einer Erfolgsgeschichte sprechen", betonte der Minister. Die Vertriebenen dürften sich "unserer Solidarität, unserer Anerkennung und des nationalen Gedenkens sicher sein".
Auch der SPD-Parlamentarier Rüdiger Veit würdigte die Integration der Vertriebenen und Spätaussiedler als "großartige Erfolgsgeschichte". Veit kritisierte zugleich, dass der Koalitionsantrag "hinter dem, was heute geboten wäre, weit zurück" bleibe. Forderungen, sich für eine gesellschaftliche Anerkennung des Schicksals der Heimatvertriebenen auszusprechen, könnten angesichts der erfolgreichen Integration von mehr als zwölf Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen und mehrerer Millionen Spätaussiedler "nur als absurd bezeichnet werden".
Zwar enthalte die Vorlage "auch einige richtige Aussagen", doch würde er sich wünschen, dass die Koalition sie auch umsetze. So setzte sich die Koalition in dem Antrag dafür ein, Vertreibung weltweit zu ächten. Wenn sie dies ernst nehme, müsste sie bereit sei, in Deutschland mehr Flüchtlinge aufzunehmen. In dem Antrag gebe es "wohlklingende Worte", doch vermisse er bei der Regierungskoalition die entsprechenden Taten.
Für Die Linke äußerte ihre Abgeordnete Ulla Jelpke scharfe Kritik am Bund der Vertriebenen (BdV). Man müsse unterscheiden "zwischen der Masse der Vertriebenen und denjenigen, die sich als ihre Fürsprecher ausgeben". Statt zu versöhnen, habe der BdV "immer wieder Wunden bei unseren europäischen Nachbarn aufgerissen, die deutsche Kriegsschuld geleugnet und die Nachkriegsordnung angefochten". Die Charta der Heimatvertriebenen von 1950 sei ein "Dokument des Revanchismus".
So heiße es darin, dass die Heimatvertriebenen die "vom Leid der Zeit am schwersten Betroffenen" seien. Damit würden die Opfer "des Vernichtungskrieges der Wehrmacht und des Holocausts auf unglaubliche Weise verschwiegen und verharmlost". Jelpke wandte sich zugleich gegen den Koalitionsvorstoß zur Erweiterung des Weltflüchtlingstags. Wer diesen Tag ernst nehme, habe schon bisher aller Menschen gedacht, die vor Gewalt fliehen mussten. Bei einer Erweiterung des Weltflüchtlingstags um ein spezielles Gedenken für die Heimatvertriebenen würde "in Deutschland nur noch an die Heimatvertriebenen erinnert".
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, begrüßte dagegen den Vorschlag der Koalition. Er sei froh, dass sich diese Position in der Koalition durchgesetzt habe gegen den Vorschlag der BdV-Präsidentin Erika Steinbach (CDU/CSU), als Gedenktag den Jahrestag der Verabschiedung der Charta der Heimatvertriebenen am 5. August zu wählen. Diese Charta sei eine "Charta eine Nichtanerkennung des geschichtlichen Kontexts, des Verdrehens von Geschichte" gewesen.
Es sei ein gutes Signal, dass man sich "von diesem Tag als Bezugspunkt an die Erinnerung des Unrechts der Vertreibung" verabschiede. Dabei herrsche Einigkeit darüber, dass Vertreibung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sei. Dies gelte auch "für die Vertreibung der Deutschen", an die man sich "im Kontext der Geschichte" erinnern müsse. Der Vertreibung sei "der verbrecherische Angriffskrieg der Nazis" sowie der Holocaust an den Juden und der Völkermord an den Sinti und Roma in Europa vorausgegangen.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte, die Botschaft von Vertriebenen aus ganz Europa sei es gewesen, dass man alles daran setzen müsse, damit etwas wie die nationalsozialistische Herrschaft nicht noch einmal passiere. Die Vertreibung habe damit begonnen, dass "die Juden aus ihrer Heimat vertrieben und dann in den Tod geschickt wurden", sagte er. Aber auch seine Mutter, die den Nationalsozialismus verachtet habe, sei als Vertriebene eine Leidtragende gewesen.
Sie habe auch darunter gelitten, dass sie nicht über ihr Leid habe sprechen können, ohne dass ihr vorgeworfen worden sei, das Leid von Juden relativieren zu wollen. Die allermeisten Vertriebenen seien sich bewusst gewesen, "was Ausgangspunkt ihres Dramas war". Dies sei "das verbrecherische nationalsozialistische Regime" gewesen, aber das Leid von Menschen sei "nicht teilbar".
Steinbach unterstrich, die Vertriebenen hätten "immer und immer wieder manifestiert, dass sie Verständigung wollen". Der BdV habe als erster in Deutschland mit einer Ausstellung an das Schicksal der vertriebenen Polen und anderer Vertriebener in Europa erinnert.
Der FDP-Abgeordnete Serkan Tören sagte, mit dem Bundesvertriebenengesetz seien die Weichen für die Aufnahme und erfolgreiche Integration von zwölf Millionen deutschen Flüchtlingen gestellt worden. Das Gesetz sei auch die rechtliche Grundlage für die Aufnahme von 4,5 Millionen Spätaussiedler, die nach dem Kalten Krieg vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik gekommen seien. Auch sie seien "im Großen und Ganzen gut integriert".
Tören verwies darauf, dass der Grund für die Vertreibung "in der deutschen Geschichte gesucht werden" müsse. Gerade unter Berücksichtigung der Geschichte und dem Schicksal der Heimatvertriebenen sei den Deutschen bewusst, welches Leid mit Vertreibung verbunden sei. Es sollte daher ein besonderes Anliegen sein, weltweit jegliche Art von Vertreibung zu ächten. Deshalb sei es der Koalition wichtig, den Weltflüchtlingstag um das Gedenken an die Opfer von Vertreibung zu erweitern.(sto/13.06.2013)