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In der Affäre um die Datensammelpraxis der USA und Großbritanniens dringen Koalition und Opposition auf volle Aufklärung über entsprechende Medienberichte. Im Bundestag wiesen Vertreter von Union und FDP am Mittwoch, 26. Juni 2013, zugleich Vorwürfe aus den Reihen der Opposition zurück, die Bundesregierung schütze die Rechte der Bürger nicht hinreichend.
Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) betonte, die Aufregung in Deutschland über Presseberichte, wonach die USA und Großbritannien "angeblich flächendeckend pauschal Inhalte von Kommunikation speichern, analysieren, ausspähen – und das Hand in Hand mit den Internetunternehmen", sei "sehr verständlich".
Deswegen stelle sich die Frage an die Amerikaner und Briten, was an diesen Presseberichten dran sei. Erste öffentliche Stellungnahmen wiesen darauf hin, dass diese Berichte "zumindest so, wie sie geschrieben sind, nicht zutreffen". Auch die deutschen Niederlassungen der Internetunternehmen hätten darauf hingewiesen, dass es nach ihrer Kenntnis niemals einen flächendeckenden Zugriff auf die Daten dieser Unternehmen gegeben habe.
Freiheit brauche Sicherheit, doch dürfe das Sicherheitsstreben nicht so weit überzogen werden, "dass die Freiheit Schaden nimmt", fügte Friedrich hinzu. Die Sicherheit sei durch organisierte Kriminalität und internationalen Terrorismus bedroht, und es sei auch US-Hinweisen zu verdanken, dass Deutschland in den vergangenen Jahren von großen Anschlägen verschont geblieben sei.
Es müsse aber immer sichergestellt werden, dass auch die Zusammenarbeit zwischen den Nachrichtendiensten auf Recht und Gesetz beruhe und "alles verhältnismäßig ist".
Wichtig sei, dass sich in den USA und Europa Behörden und Sicherheitsdienste immer an Recht und Gesetz zu halten haben und die Parlamente die Geheimdienste kontrollieren.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte, sollten die Berichte des amerikanischen Ex-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden zutreffen, dass US-Geheimdienste einen "beliebigen Zugriff" auf Verbindungsdaten und Kommunikationsinhalte über Internetfirmen wie Google haben, "britische Dienste 200 transatlantische Glasfaserverbindungen überwachen" und die Inhalte von Millionen Telefongesprächen, E-Mails und Videos überwacht und gespeichert werden, wäre dies "der umfassendste Eingriff in die Grundrechte deutscher Staatsbürger, den wir bisher erlebt haben".
Der "schrankenlose Zugriff" von Nachrichtendiensten auf die privaten Informationen von Bürgern sei illegal und verfassungswidrig. Die Bundesregierung habe die Pflicht, gegenüber der amerikanischen und der britischen Regierung "zu intervenieren und die Rechte deutscher Staatsbürger zu schützen". Von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwarte er, dass sie auf dem bevorstehenden EU-Gipfel das "britische Spähprogramm" anspricht. Notwendig sei eine "europäische Cyber-Sicherheitsstrategie" sowie eine Überarbeitung der europäischen Datenschutzrichtlinie.
Für die Linksfraktion betonte ihre Abgeordnete Ulla Jelpke, man habe es mit zwei Skandalen zu tun. Der eine bestehe darin, dass Großbritannien und die USA "seit Jahren großangelegte Überwachungsangriffe auf die Persönlichkeitsrechte" unbescholtener Bürger in aller Welt durchführten. Der andere Skandal sei, dass die Bundesregierung ihre Aufgabe, die Bürger davor zu schützen, "sträflich vernachlässigt hat".
Die westliche Welt entpuppe sich "als Raum der Überwachung". Notwendig seien "Schutzprogramme, um die Überwachung zu verhindern oder wenigstens ihren Preis massiv hoch zu treiben". Von der Bundesregierung erwarte Die Linke "klare Ansagen", was sie tun wolle, "um die Überwachungsangriffe aus den USA und Großbritannien" abzuwehren. Jelpke verwies zudem darauf, dass Snowden "schwerste Verfolgung durch die US-Behörden" drohe, nachdem er die "Schnüffelpraxis der USA und der Geheimdienste aufgedeckt", habe. Es wäre ein gutes Zeichen, ihm zu sagen, dass er "unsere Solidarität und unser Asyl" verdiene.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf mit Blick auf Snowden die Frage auf, wie es sein könne, "dass ein Land jemanden, der nur sagt, was er arbeitet, zum meistgesuchten Menschen der Welt macht". An Friedrich gewandt fragte Künast zudem, wo seine "Aktivitäten" gewesen seien, um "unser aller Rechte in Deutschland zu wahren". "Anlasslos und schwellenlos" werde vermutlich "alles an Daten gesammelt, was sich gerade aktuell im Netz tut".
Dies gehöre auch auf die Tagesordnung des EU-Gipfels in dieser Woche. "Wir wollen wissen, was passiert ist; wir wollen laut sagen, was rechtlich nicht geht", unterstrich Künast. Auch solle die Bundesregierung prüfen, welche rechtlichen Schritte man gegen die USA und Großbritannien unternehmen könne wie beispielsweise ein "Vertragsverletzungsverfahren wegen Missachtung und Verletzung des europäischen Rechts".
Der FDP-Abgeordnete Jimmy Schulz, sagte, sollten die Informationen stimmen, gehe es "um die größte anlasslose Massenbespitzelung" von wahrscheinlich deutschen Bürgern und der deutschen Wirtschaft. Dies wäre eine "eklatante Verletzung von Freiheitsrechten und Datenschutzregelungen". Notwendig sei "Aufklärung und Transparenz über diese Programme auf allen Kanälen".
Diese komme auch von der Bundesregierung, "die Briefe geschrieben hat und auf Antworten wartet", fügte Schulz hinzu. Man wolle keine inhaltlichen Details wissen, sondern, "auf welcher Rechtsgrundlage (...) diese Dinge" geschehen, welche Daten in welchem Umfang abgegriffen werden und ob Deutsche davon betroffen sind. Diese Transparenz sei "zwingend erforderlich für eine entwickelte Demokratie".
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU), bescheinigte der Bundesregierung, sie habe "schnell und besonnen gehandelt" und sich um Aufklärung bemüht. Auch wäre er "vorsichtig mit schnellen, voreiligen Schlussfolgerungen". In Deutschland gebe es "klare gesetzliche Grundlagen", und wenn "andere die nicht einhalten", werde nachgefragt und "in einen kritischen Dialog eingetreten".
Niemand könne angesichts der Aussagen von Snowden beruhigt sein. Vielmehr sei hier vollständige Aufklärung gefragt, die aber auch stattfinde. Die Bundesregierung werde Fragenkataloge erstellen und "gerade befreundete Staaten und Nachbarn auffordern, hier vernünftig Auskunft zu geben".
Man müsse im Interesse der Bürger in Deutschland einen "kritischen bilateralen Dialog" mit denjenigen führen, "die all das angeblich durchgeführt haben". Dies sei Aufgabe der Bundesregierung, "und diese Aufgabe erfüllt sie hervorragend". (sto/26.06.2013)