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Der FDP-Abgeordnete Patrick Döring hat den Kompromiss bei der Arbeitsweise der Kommission zur Vorbereitung der atomaren Endlagerfrage als eine kluge Lösung bezeichnet. In einem am Montag, 1. Juli 2013, erschienenen Interview mit der Wochenzeitung "Das Parlament" sagte Döring, Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert habe zu Recht bemängelt, dass stimmberechtigte Parlamentarier in der Kommission "zu einer Vermischung von Zuständigkeiten" geführt hätten. Mit der Kompromisslösung, wonach die Parlamentarier zwar Mitglieder der Kommission sind, als solche aber kein Stimmrecht haben, blieben die Politiker "frei und ungebunden in ihrer Entscheidung". Das Interview im Wortlaut:
Herr Döring, ist in den vergangenen Jahren beim Hochwasserschutz genug getan worden?
Ich finde es bedrückend, dass man jetzt in der Rückschau doch viele Fälle sieht, in denen zwar ausreichend Geld vorhanden war, aber die Umsetzung vor Ort gescheitert ist. Das muss die Menschen, die jetzt erneut Hab und Gut verloren haben, bedrücken, ärgern, ja wütend machen. Zumal es gerade einmal elf Jahre her ist, dass wir von einer Naturkatastrophe ähnlichen Ausmaßes betroffen waren. Daraus sollten wir die Lehre ziehen, für technischen Hochwasserschutz Planungsbeschleunigung anzustreben. Damit haben wir bei den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit gute Erfahrungen gemacht und Straße und Schiene schnell hergerichtet. Übrigens bin ich bei diesen Maßnahmen für Bürgerbeteiligung, aber nicht für Funktionärsbeteiligung von jenen, die hier in Berlin-Mitte in ihren Büros sitzen.
War es denn nicht gerade das Gegenteil, nämlich die weitgehende Eigenverantwortung der Länder, die viele Schutzmaßnahmen ineffektiv gemacht hat? Finden Sie, dass die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern richtig organisiert ist?
Nehmen Sie die Entwicklung an der Elbe. Da wird deutlich, dass viele Schäden hätten vermieden werden können, wenn eine gemeinsame Strategie über die Ländergrenze von Sachsen und Sachsen-Anhalt hinweg umgesetzt worden wäre. Der Fluss hat keine Grenzen. Deshalb plädiere ich dafür, dass die Finanzmittel, die der Bund jetzt zur Verfügung stellt, auch dafür eingesetzt werden, Strukturen zu schaffen, die eine koordinierte Vorgehensweise ermöglichen. Ja, wir brauchen mehr natürlichen Hochwasserschutz, mehr Flutungsflächen. Aber wir brauchen auch technischen Hochwasserschutz in den Städten, der schnell aufgebaut werden kann. Bei all dem ist mehr Flexibilität und Abstimmung nötig.
Wie weit darf der Staat da gehen? Bis hin zu Enteignungen?
Meine Erfahrung ist, dass viele Landwirte bereit sind, Flutungsflächen zur Verfügung zu stellen, wenn die Entschädigung dafür vorher geregelt wurde. Zum Beispiel hat das an der Havel wunderbar geklappt.
In der vergangenen Woche wurde das Endlagersuchgesetz verabschiedet. Einer der strittigsten Punkte ist die Aufteilung der Castor-Behälter. Aber genau der ist erst einmal vertagt worden. Ein Geburtsfehler, oder?
Ich fand es immer falsch, dass versucht worden ist, diese Frage im Gesetzgebungsverfahren zu klären. Niemand kann mit Gewissheit sagen, was mit den Castoren geschehen soll. Es gibt ein einziges genehmigtes Zwischenlager in Deutschland: Gorleben. Nicht alle Energieversorger, die Atomkraftwerke betrieben haben, sind von sich aus bereit, Anträge zu stellen, um einige ihrer Anlagen zu Zwischenlagern zu machen. Brunsbüttel als vormals genehmigtes Zwischenlager hat seine Genehmigung in diesen Tagen verloren. Wer heute den Eindruck vermittelt, er wisse, wo wie viele Castoren eingelagert werden, streut den Leuten Sand in die Augen. Schauen Sie, ich komme aus Niedersachsen und kann die Nöte und Sorgen der Menschen in Gorleben gut verstehen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Bundesregierung schwer sagen kann: Wir nehmen die Castoren nicht zurück, weil wir sie in Gorleben nicht mehr einlagern wollen. Das ist eine Position, die politisch nicht durchzuhalten ist. Der Debatte hätte von Anfang an mehr Ehrlichkeit gut getan. Deshalb bin ich froh, dass diese Frage vom Gesetzgebungsverfahren abgekoppelt ist.
In der vergangenen Woche hat die geplante Kommission zu Vorbereitung der Endlagerfrage zu deutlichen Meinungsverschiedenheiten geführt. Inzwischen gibt es den Kompromiss, dass die berufenen Politiker dort kein Stimmrecht haben. Was halten Sie davon?
Ich bin mit der Kommissionslösung bisher nicht warm geworden. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat natürlich Recht, wenn er sagt, stimmberechtigte Parlamentarier in der Kommission führten zu einer Vermischung von Zuständigkeiten. Deshalb ist der jetzt gefundene Kompromiss eine kluge Lösung. Alle Parlamentarier bleiben frei und ungebunden in ihrer Entscheidung. Auch solche, die Mitglied der Kommission sind. Wir werden sehen, wie sich das jetzt praktisch gestaltet.
Das Gesetz sieht auch die Einrichtung eines neuen Amtes für kerntechnische Entsorgung vor. Warum eine weitere Behörde? Es gibt doch das Bundesamt für Strahlenschutz.
Im Zuge der Diskussion über die Endlagerung von Atommüll ist bei betroffenen Bürgern nicht nur das Vertrauen in die Politik, sondern auch das Vertrauen in Behörden erschüttert. Jetzt startet ein neues, ein ergebnisoffenes Verfahren. Deshalb ist es klug, diesen Vorgang auch einer neuen, vom Vorwurf der Voreingenommenheit unbelasteten Verwaltungseinheit zu übergeben.
Die Stromkonzerne haben ein Gutachten vorgelegt, wonach die Finanzierung einer alternativen Endlagersuche verfassungswidrig sei. Im neuen Gesetzentwurf steht das Verursacherprinzip: Wer den Abfall verursacht, zahlt auch für die Lagerung. Richtig so?
Das Verursacherprinzip ist in umweltpolitischen Gesetzen etabliert. Deshalb können sich die Betreiber kerntechnischer Anlagen bei der Finanzierung nicht drücken. Klar ist aber auch, dass wir dieses Verursacherprinzip schon einmal für die Erkundung von Gorleben in Anspruch genommen haben. Jetzt geht es doch darum, ein Endlager zu finden, das über jeden Zweifel erhaben ist. Allein der Umstand, dass es im Bundestag einen Untersuchungsausschuss zu Gorleben gegeben hat, zeigt, dass es bei Gorleben erhebliche Bedenken gibt. Das ist ausdrücklich keine Wertung der Qualität des Standortes oder der Anlage. Wir suchen ergebnisoffen und unvoreingenommen. Am Ende dieses Prozesses ist deshalb nicht auszuschließen, dass sich Gorleben als der geeignetste Standort herausstellt.
Es ist zu befürchten, dass im August die Umlage für das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das EEG, deutlich ansteigen wird. Wie erklären Sie das im Wahlkampf?
Wir Liberale wollen raus aus dem Subventionskarussell EEG. Wir wollen hinein in ein marktwirtschaftliches Modell, in dem der Staat nicht mehr die Preise festlegt, sondern nur noch die Mengen, also wie viel erneuerbare Energien im Markt sein müssen. Natürlich ist die nun drohende Preissteigerung ärgerlich und schädlich, wir haben davor immer gewarnt. Da sie alle gleichermaßen betrifft, haben auch alle ein Interesse daran, dass die Politik die Kraft findet, das EEG zu überwinden. Bundesumweltminister Altmaier und Wirtschaftsminister Rösler haben Vorschläge zur Strompreisbremse gemacht. Sozialdemokraten und Grüne haben dazu im Bundesrat ihre Unterstützung verweigert. Im Wahlkampf geht es jetzt um die Frage, wer energiepolitisch die richtigen Ansätze hat: diejenigen, die weiter planwirtschaftlich arbeiten wollen, oder wir mit unseren marktwirtschaftlichen Vorschlägen.
Wenn Sie sagen, Sie wollen aus dem Subventionskarussell raus: Betrifft das auch die Befreiung von der Umlage für energieintensive Betriebe?
Auf dem Prüfstand stehen auch die Befreiungen von der EEG-Umlage. Allerdings sage ich ausdrücklich: Es war richtig, energieintensive, im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen von der EEG-Umlage zu befreien. Und es war richtig, den Kreis dieser Betriebe um mittelständische Unternehmen zu erweitern. Dass es Fehlentwicklungen gibt, dass offenkundig die Verkehrsbetriebe deutscher Großstädte nicht im internationalen Wettbewerb stehen und deshalb wohl eher zu Unrecht befreit sind, das ist anerkannt und sollte auch geändert werden. Aber wir dürfen industrielle, energieintensive Arbeitsplätze nicht aufs Spiel setzen, nur um einen sehr kurzfristigen, sehr kleinen Preiseffekt zu erzielen.
(jbi/as/01.07.2013)