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Alterspräsident Konrad Adenauer bei seiner kurzen Ansprache in der konstituierenden Sitzung des Bundestages am 20. Oktober 1965 © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Das Amt des Alterspräsidenten ist parlamentarische Tradition und Teil der Geschäftsordnung des Bundestages. Ein Amt von hoher Würde, aber nur von kurzer Dauer. Es hat sich nach traditioneller Praxis mit der Wahl des neuen Bundestagspräsidenten erschöpft. Obwohl er nicht in sein Amt gewählt wird, sondern in seiner Eigenschaft als ältester Abgeordneter zu dieser Ehre kommt, ist es anerkannte Tradition, dass der Alterspräsident die erste Rede vor dem Plenum hält. Bisher haben alle Alterspräsidenten der Bundesrepublik von dieser Tradition Gebrauch gemacht und dabei eigene Akzente gesetzt.
1965 heißt der Alterspräsident des Deutschen Bundestages Konrad Adenauer (1876-1967). Als ältester Bundestagsabgeordneter hätte der "Alte aus Rhöndorf" zuvor bereits dreimal Anspruch auf dieses Amt gehabt. Als Bundeskanzler ließ er dem jeweils zweitältesten Abgeordneten den Vortritt. Adenauer ist zugleich der älteste Alterspräsident, der je eine konstituierende Sitzung des Bundestages eröffnet hat.
Doch am 20. Oktober 1965, zwei Jahre nach seinem Rücktritt, eröffnet er die konstituierende Sitzung des fünften Deutschen Bundestages. Wirtschaftlich deutet sich im bisherigen Wirtschaftswunderland eine Rezession an. Die andauernden Zuwachsraten der Wirtschaft gehen zurück.
Adenauer hält die bisher kürzeste Rede aller Alterspräsidenten, die im Kern aus drei Sätzen besteht: "Sie wissen, daß nach Artikel 38 des Grundgesetzes jeder Abgeordnete Vertreter des ganzen Volkes ist. Wir werden aller menschlichen Voraussicht nach während der nächsten vier Jahre schweren Zeiten entgegengehen. Ich hoffe und bin davon überzeugt, daß sich dann alle Mitglieder dieses Hauses dieser Gemeinsamkeit ihrer Verpflichtungen bewusst sind."
Hinter dem 89-Jährigen liegen zu diesem Zeitpunkt vierzehn Jahre Kanzlerschaft in denen er die wesentlichen Weichen für die Geschichte der Deutschen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gestellt hat. Als er 1963 mit der berühmten Bemerkung "Ich gehe nicht leichten Herzens" zurücktritt, sind die politischen Ziele aus seiner Regierungserklärung vom 20. September 1949 – Wiederaufbau und Westintegration, auch die Versöhnung mit Frankreich – im Wesentlichen erreicht.
Der deutsch-französische Freundschaftsvertrag ist unterzeichnet. Deutschland ist als Mitglied des Nordatlantikpakts und als Gründungsmitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft fester Bestandteil der westlichen Welt. Mit dem Luxemburger Abkommen ist eine erste Annäherung an Israel gelungen. Die demokratischen Strukturen sind gefestigt und Deutschland genießt als erfolgreiche Volkswirtschaft wieder Ansehen in der Welt.
Adenauer kann auf eine ungeheure Lebenserfahrung zurückblicken. Aufgewachsen in den Gründerjahren des Kaiserreichs hat er dessen Untergang, das Scheitern der Weimarer Republik und die Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus erlebt.
16 Jahre lang ist der studierte Jurist zwischen 1917 und 1933 Oberbürgermeister von Köln, zwölf Jahre von 1921 bis 1933 Präsident des preußischen Staatsrates. In der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wird er seiner Ämter enthoben und zeitweise inhaftiert.
1948/49 gestaltet er als Präsident des Parlamentarischen Rates das Grundgesetz des neuen Deutschlands mit. Dann ist er von 1949 bis 1963 14 Jahre lang Bundeskanzler dieses Deutschlands und vier Jahre, von 1951 bis 1955, auch Bundesminister des Auswärtigen.
Von 1949 bis zu seinem Tod 1967 gehört Adenauer dem Deutschen Bundestag an. Sein Mandat erhält er in allen fünf Wahlperioden als direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Bonn. Bis zu seiner Wahl als Bundeskanzler ist er für kurze Zeit Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag. Adenauer ist CDU-Gründungsmitglied und von 1950 bis 1966 Parteivorsitzender der CDU.
Auch seine letzten politischen Jahre bleiben durch sein besonderes außenpolitisches Engagement geprägt. In persönlichen Kontakten und Beziehungen setzt sich Adenauer weiterhin für gute deutsch-französische Beziehungen ein. Im Mai 1966 reist er zum ersten Mal nach Israel um ein Zeichen für die weitere Verbesserung der deutsch-israelischen Beziehungen zu setzen. Bei seiner letzten Auslandreise im Februar 1967 nach Spanien ruft er dazu auf, im Ringen um die europäische Einigung nicht nachzulassen.
Konrad Adenauer stirbt am 19. April 1967 im Alter von 91 Jahren. (klz/09.10.2013)