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Alterspräsident William Borm während seiner Rede am 20. Oktober 1969 © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Das Amt des Alterspräsidenten ist parlamentarische Tradition und Teil der Geschäftsordnung des Bundestages. Ein Amt von hoher Würde, aber nur von kurzer Dauer. Es hat sich nach traditioneller Praxis mit der Wahl des neuen Bundestagspräsidenten erschöpft. Obwohl er nicht in sein Amt gewählt wird, sondern in seiner Eigenschaft als ältester Abgeordneter zu dieser Ehre kommt, ist es anerkannte Tradition, dass der Alterspräsident die erste Rede vor dem Plenum hält. Bisher haben alle Alterspräsidenten der Bundesrepublik von dieser Tradition Gebrauch gemacht und dabei eigene Akzente gesetzt.
1969: In der Zeit des ersten großen Machtwechsels eröffnet der FDP-Abgeordnete William Borm (1895-1973) am 20. Oktober die konstituierende Sitzung des sechsten Deutschen Bundestages. Die CDU/CSU-Fraktion ist erneut stärkste Kraft im Parlament, doch nach der Großen Koalition stehen die Zeichen auf Veränderung. Gemeinsam verfügen SPD und FDP über eine Mehrheit im Parlament.
Mit einem Bekenntnis zu seiner Heimatstadt Berlin beginnt der fünfte Alterspräsident der Bundesrepublik seine Ansprache. Er sei der vierte Berliner als Alterspräsident; das sei natürlich in erster Linie eine Frage des Alters, gibt der 74-Jährige zu, aber dieser Tatsache wohne eine gewisse symbolische Bedeutung inne. Es sei der Wille aller Berliner im freien Teil dieser Stadt, dass wir "unverbrüchlich dem Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland angehören".
Unter dem Eindruck des nur knappen Scheiterns der rechtextremen NPD an der Fünf-Prozent-Hürde fordert der Liberale, dass die tägliche Arbeit die "Propaganda des Extremen" widerlegen müsse. Das Mittel dafür sei ein reformwilliges und leistungsfähiges parlamentarisches Regierungssystem. "Denken Sie daran, dass Ihnen die bitteren Erfahrungen der mittleren und älteren Generation erspart geblieben sind", sagt er an die junge Generation gerichtet. Als Teil dieser älteren Generation weiß er um die Verantwortung jedes Einzelnen für den Erhalt der Demokratie.
Borm gehört nach dem Krieg zu den Gründungsmitgliedern der LDP/FDP. 1950 wird er auf der Durchfahrt durch die DDR verhaftet und 1952 wegen angeblicher "Kriegs- und Boykotthetze" zu zehn Jahren Haft verurteilt. 1959 wird er vorzeitig entlassen.
Nach seiner Rückkehr aus der DDR-Haft übernimmt Borm 1960 den FDP-Landesvorsitz von Berlin, wird Mitglied im FDP-Bundesvorstand und ist Mitglied im Abgeordnetenhaus von Berlin. Als Landesvorsitzender unterstützt er 1963 in Berlin die sozialliberale Koalition mit dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt (SPD).
Wie Brandt tritt er für eine neue Ostpolitik und Verhandlungen mit der DDR ein. In der FDP bricht er damit ein Tabu. 1965 zieht er zum ersten Mal in den Bundestag ein und ist in dieser Zeit stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP. In der Zeit der Großen Koalition gehört der Linksliberale zu denjenigen, die die Deutschlandpolitik der FDP entscheidend mitprägen und verändern.
Als Alterspräsident hält er ein Plädoyer für den Weg der Annäherung gegenüber dem Osten und für eine Politik der schrittweisen Entkrampfung des Verhältnisses zur DDR. Er verlangt "Versöhnung und Ausgleich auch mit den Völkern im Osten".
1972 scheidet er aus dem Bundestag aus. Nach dem Ende der sozialliberalen Koalition tritt er 1982 aus der FDP aus. William Borm stirbt im September 1987 in Berlin. Bis zu seinem Tod genießt er hohes Ansehen und wird mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt.
Erst nach seinem Tod stellt sich heraus, dass Borm einer von neun bewusst für die DDR-Spionage tätigen Bundestagsabgeordneten war. Seit seiner DDR-Haft arbeitete William Borm für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS). Als IM "Olaf" berichtet er nachweislich aus den Ausschusssitzungen des Auswärtigen Ausschusses vom 11. Dezember 1969, 23. April 1970 und 5. November 1970, in denen er anwesend ist. (klz/09.10.2013)