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Deutsch-französischer Netzdialog: Abgeordnete Marian Wendt (CDU/CSU), Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda, Dr. Sarah Jacquier, juristische Leiterin der Hadopi, der Hohen Behörde für die Verbreitung von Werken und den Schutz von Internetrechten, und Gerold Reichenbach (SPD), stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses Digitale Agenda (v.l.) © DBT/Hesse
Es war der zweite Besuch aus Frankreich, den der Ausschuss Digitale Agenda (ADA) innerhalb von nur drei Wochen begrüßen durfte: Dr. Sarah Jacquier, die juristische Leiterin der Haute Autoritépour la diffusion des oeuvres et la protection des droitssurl'Internet (deutsch: Hohe Behörde für die Verbreitung von Werken und den Schutz von Internetrechten), kurz Hadopi.Anfang April war die Expertin zu Gast beim Deutsch-Französischen Kulturrat und nutzte ihren Aufenthalt in Berlin, um das Gespräch mit den Netzpolitikern des Deutschen Bundestages zu suchen. Die Einrichtung des ADA hatte international aufhorchen lassen, gibt es weltweit doch bislang kein vergleichbares parlamentarisches Gremium. Und so fragte Dr. Sarah Jacquierauch gleich zu Beginn danach, in welchen Themenbereichen der ADA sein künftiges Betätigungsfeld sehe.
Schnell hatten die Experten beider Seiten ein gemeinsames Anliegen identifiziert: den Schutz der Urheberrechte im Internet. Von großem Interesse war für die Mitglieder des ADA dabei natürlich auch die Hadopi. Die 2009 gegründete Organisation firmiert als öffentliche Behörde und unabhängige juristische Person, auf die die französische Regierung keinen Zugriff hat. In der Hauptsache agiert dieHadopimittels eines dreistufigen Mahnverfahrens gegen Urheberrechtsverstöße im Internet, wobei die pädagogische und aufklärerische Funktion einen Großteil ihres Wirkens ausmacht.
Innerhalb von Mahn- und Schlichtungsverfahren seien seit 2009 etwa 3 Millionen Verwarnungen ausgesprochen worden (Stufe 1), berichteteJacquier. Dabei habe es aber lediglich 20 Entscheidungen der Justiz gegeben –Geldbußen in Höhe von je 600 Euro (Stufe 2). Die größtmögliche Sanktion, den Internetzugang bei Urheberrechtsverletzungen durch Privatpersonen komplett zu kappen, wurde nach Aussage der französischen Expertin indes noch nie angewandt (Stufe 3).Jacquier führte weiterhin aus, dass die Hadopi auch auswerte, wie die Franzosen das Internet nutzten. Dabei habe sich gezeigt, dass etwa 50 Prozent Musikwebsites favorisierten. Die meisten französischen Nutzer bevorzugten kostenfreie Internetangebote. Diese Sites verdienten ihr Geld mit entsprechenden Inhalten, führten aber kein Geld an die jeweiligen Rechteinhaber ab. In diesen Fällen initiiereHadopidann ein Mahnverfahren, so Jacquier.
Die deutschen Netzpolitiker berichteten, dass der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vorsehe, künftig stärker bei den Diensteanbietern und weniger bei den Nutzern anzusetzen, wenn es um die Verletzung von Urheberrechten ginge. Man habe zu Zeiten der letzten Großen Koalition mit Internetsperren schlechte Erfahrungen gemacht und folge nun dem Motto "Löschen statt Sperren" – dies vor allem hinsichtlich von Websites mit kinderpornografischen Inhalten. Hier zeige sich inzwischen auch schon eine erfolgreiche Tendenz in Richtung Selbstregulierung der Akteure. Große Themen seien in diesem Zusammenhang derzeit die Providerhaftung und die Einschränkung des Haftungsprivilegs. Zudem führten die ADA-Mitglieder aus, dass Mahnverfahren in Deutschland privatrechtlich verfolgt würden. Dies sei inzwischen ein recht profitabler Markt beispielsweise für darauf spezialisierte Anwaltskanzleien. Beim Thema Kinderpornografie hingegen greife das Bundeskriminalamt Hinweise auf und führe ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren durch. Die deutsche Seite signalisiertezugleich, dass es für das französische "Three-Strikes-System" (Filesharer werden zwei Mal verwarnt, beim dritten Mal greift die Sperre ihres Internetzugangs) in Deutschland eher keine Mehrheit gebe.
Weitere Punkte des deutsch-französischen Expertengespräches waren der Datenschutz und das – auch aus europäischer Sicht – gerade wieder hochaktuelle Thema Netzneutralität. Das Europäische Parlament hatte just am Tag des Treffens zwischen ADA und Hadopiüber den Vorschlag der Kommission für einen Europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation zu entscheiden – und sprach sich mit großer Mehrheit für einen stärkeren Schutz der Netzneutralität aus.
Die deutschen Gesprächsteilnehmer berichteten der Hadopi-Vertreterin, dass es in Fragen der Netzneutralität selbst innerhalb der einzelnen Parteien unterschiedliche Positionen gebe. Vor allem die Differenzierung nach Diensteklassen sei unter den deutschen Parlamentariern umstritten. Gemeinsame Linie der Koalition sei aber, dass es keine unterschiedlichen Bezahlmodelle geben dürfe. Das bedeute, dass keine Privilegierung nach Inhalten vorgenommen werden solle und Diensteklassen nur dann eingerichtet werden dürften, wenn dies technisch notwendig und unumgänglich sei.
Die Gesprächsteilnehmer vereinbarten, den deutsch-französischen Dialog fortzuführen. Und wenn die Hadopi in naher Zukunft zugunsten eines Nationalen Rates für Internet, in dem dann Parlamentarier gemeinsam mit Wirtschaftsvertretern beraten,aufgelöst werden sollte, will der ADA zu gegebener Zeit auch Kontakt zu diesem neuen Gremium aufnehmen.
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