Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
117 Seiten umfasst der Jahreswirtschaftsbericht 2013 der Bundesregierung (17/12070), 20 Minuten hatte der federführende Minister Dr. Philipp Rösler (FDP), um ihn dem Deutschen Bundestag mit einer Regierungserklärung vorzustellen. Genug, um dafür in der anschließenden Debatte am Donnerstag, 17. Januar 2013, heftige Kritik von der Opposition zu ernten.
Der Bundeswirtschaftsminister nannte es "ein Verdienst der Menschen in unserem Land", aber auch der Koalition aus Union und FDP, dass in Europa "Deutschland am besten durch die Krise gekommen ist". Die Regierung arbeite an der "Fortsetzung dieser Erfolgsstory", und der Jahreswirtschaftsbericht dokumentiere dies. Dass die Bundesregierung dort ihre Wachstumsprognose für 2013 auf 0,4 Prozent reduziert habe, liege an der weltwirtschaftlich bedingten Konjunkturdelle im letzten Quartal 2012.
Der FDP-Vorsitzende nutzte die Regierungserklärung zu heftigen Angriffen auf die Opposition. SPD und Grüne hätten zu ihren Regierungszeiten den europäischen Stabilitätspakt gebrochen. In Niedersachsen habe sich die rot-grüne Opposition geweigert, der Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung zuzustimmen. Rösler unterstellte Rot-Grün im Fall einer Regierungsübernahme in Hannover einen "Verfassungsbruch mit Ansage".
Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, erwiderte, Rösler habe sein Regierungsamt mit einem Wirtschaftswachstum von drei Prozent 2011 gestartet und sei nun bei 0,4 Prozent angekommen. "Sie haben das Wirtschaftswachstum noch stärker geschrumpft als die Umfrageergebnisse der FDP."
Jetzt komme die Krise auch über Deutschland. "Sie haben drei Jahre gute Konjunktur verfrühstückt, das ist das Ergebnis Ihrer Politik", hielt Heil der Bundesregierung vor. Deutschland brauche dringend einen Regierungswechsel, damit es weiter aufwärts geht.
Die angriffslustige Rede Heils führte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Dr. Michael Fuchs auf "Nervosität wegen schlechter Umfrageergebnisse" zurück. Deutschland könne positive Wirtschaftsdaten wie kein anderes EU-Land vorweisen, "Zahlen, die können Sie mit noch so viel, ich muss schon sagen, dümmlichem Geschrei nicht hinbekommen."
Seit dem Amtsantritt dieser Regierung seien 1,5 Millionen neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze hinzugekommen, "pro Tag mehr als hundert". Fuchs warnte aber davor, dass das weitere Wachstum durch hohe Energiekosten gefährdet werden könne.
Dr. Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion Die Linke, relativierte die von den Koalitionsrednern hervorgehobenen Stellenzuwächse. Diese seien allein auf eine Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse zurückzuführen. Es gebe mittlerweile 1,6 Millionen weniger Vollzeitstellen als beim Antritt der amtierenden Regierung.
Ein Viertel aller Beschäftigten arbeite im Niedriglohnsektor, 1,3 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seien Aufstocker, die vom Lohn allein nicht leben können, listete Gysi auf. Das sei ein Skandal. "Dass Vollzeitbeschäftigte von Armut betroffen sind, das hat es früher nicht gegeben."
Der FDP-Wirtschaftsfachmann und Bundestagsvizepräsident Dr. Hermann Otto Solms wies die von Gysi und zuvor auch Heil erhobene Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn zurück. In Ländern mit Mindestlohn sei die Arbeitslosigkeit "signifikant höher" als in Ländern ohne.
Die wirtschaftliche Eintrübung im vierten Quartal führte Solms darauf zurück, dass wenig investiert worden sei, weil das Vertrauen fehle. Jetzt ziehe aber die Konjunktur in Asien und den USA wieder an, und das biete die Chance, aus der Depression wieder herauszukommen.
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Kerstin Andrae, nannte es "hochrelevant" für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands, "ob wir die Energiewende schaffen". Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sei dafür eine wichtige Voraussetzung.
Es müsse reformiert werden, aber Wirtschaftsminister Rösler sperre sich gegen eine sinnvolle Reform. Ausnahmen von der EEG-Umlage für Unternehmen müssten zurückgeführt werden "auf diejenigen, die wirklich im internationalen Wettbewerb stehen". So könnten jährlich vier Milliarden Euro eingespart werden.
Der Jahreswirtschaftsbericht wurde an die Ausschüsse überwiesen. Er sieht nach einem schwachen Wachstum in diesem im kommenden Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent vor. Erwartet wird außerdem eine Zunahme der Einkommen der privaten Haushalte um 2,3 Prozent. Die Nettolöhne der Arbeitnehmer sollen um ein Prozent steigen. Die Preisentwicklung werde mit 1,8 Prozent "moderat" und die Arbeitslosenquote weitgehend unverändert bleiben.
Ebenfalls überwiesen wurde das Jahresgutachten 2012/13 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (17/11440). Es enthält eine etwas positivere Konjunkturprognose als der Jahreswirtschaftsbericht, allerdings war bei seiner Vorstellung im November der Einbruch im vierten Quartal noch nicht so absehbar. (pst/17.01.2013)