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Wehrbeauftragter Königshaus übergibt Jahresbericht 2010 © DBT/Hill
Der vorliegende Bericht ist der 52. in der Reihe der Jahresberichte der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages. Er versteht sich, auch wenn er die Erkenntnisse und Ergebnisse der Arbeit eines ganzen Jahres zusammenfasst, als Teil einer kontinuierlichen Unterrichtung des Deutschen Bundestages, insbesondere des Verteidigungs- und des Haushaltsausschusses.
Der Bericht behandelt nicht nur das zurückliegende Jahr. Angesichts der bevorstehenden weiteren Reform der Bundeswehr richtet er den Blick auch nach vorn und spricht Herausforderungen an, die sich aus der Aussetzung der Wehrpflicht und der abermaligen deutlichen Verkleinerung der Streitkräfte ergeben. Das ist nach meinem Verständnis vom Amt und den Aufgaben des Wehrbeauftragten geboten.
Nach der Verfassung ist der Wehrbeauftragte ausdrücklich zum Schutz der Grundrechte der Soldaten berufen. Wo die Verletzung dieser Rechte infrage steht, ist der Wehrbeauftragte gefordert. Das schließt die Prüfung ein, ob die Soldatinnen und Soldaten gut ausgebildet in die Einsätze gehen und mit geeigneter Ausrüstung und tauglichem Material ausgestattet sind.
Ihre Grundrechte, insbesondere der Anspruch auf Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit, würden verletzt, wenn etwa Fragen der politischen Opportunität oder Wirtschaftlichkeit Vorrang vor dem Schutz der Soldatinnen und Soldaten hätten. Aus diesem Grunde widmet sich der Bericht ausführlich der Frage der Bewaffnung, Ausrüstung und Ausbildung im und für den Einsatz.
Der diesjährige Jahresbericht hat drei Schwerpunkte. Besonders eingehend behandelt er das Thema "Vereinbarkeit von Familie und Dienst“, das beinahe zu allen Einzelproblemen als übergeordnete Fragestellung hinzutritt. Daneben widmet er sich, wie schon in den Jahren zuvor, eingehend den Einsätzen und den fortbestehenden Problemen im Bereich des Sanitätsdienstes.
Mängel und Defizite in der Ausrüstung stehen im Mittelpunkt des Kapitels über die Auslandseinsätze. Sie reichen von der persönlichen Ausstattung bis hin zur Frage nach der Bewaffnung und Eignung des eingesetzten Geräts. Verbesserungen in diesem Bereich sind unverkennbar, sie dürfen aber nicht über noch bestehende Mängel und Defizite hinwegtäuschen.
Zu den Problemen im Einsatz gehört auch der Aspekt der Fürsorge. Einsatzdauer und Verlässlichkeit der Einsatzplanung, Kommunikation mit der Heimat sowie Betreuung und Versorgung während und nach dem Einsatz sind die Stichworte, die die Problemfelder kennzeichnen.
Auch wenn die Streitkräfte vom Einsatz her gedacht werden müssen, geht ihr Auftrag darüber hinaus. Zu ihm gehören weiterhin auch die Landes- und Bündnisverteidigung.
In Zukunft wird es in der Bundeswehr keine Wehrpflichtigen mehr geben. Das macht die Nachwuchsgewinnung schwieriger und teurer, das jedenfalls ist die Erfahrung derjenigen Länder, die die Wehrpflicht bereits ausgesetzt oder abgeschafft haben. Qualitativ und quantitativ ausreichenden Nachwuchs wird die Bundeswehr nur gewinnen, wenn der Dienst in den Streitkräften attraktiv bleibt.
Attraktivität hat viele Facetten, auch negative wie die Belastung durch die Einsätze. Das schließt die Frage nach der Absicherung und Versorgung der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, aber auch ihrer Familien ein.
Abgesehen von den Einsätzen muss der Dienst in den Streitkräften an sich attraktiv sein. Dazu gehören unter anderem attraktive Laufbahnen und realistische Karrierechancen. Das ist nicht überall der Fall, worauf Soldaten in Eingaben und Gesprächen immer wieder hinweisen, wenn sie über fehlende Planstellen und Beförderungsstaus klagen. Der Bericht geht darauf ausführlich ein.
Darüber hinaus muss der Dienst im Einklang mit den Erwartungen und Bedürfnissen der Familie zu bringen sein. Eine heimatnahe Stationierung und Ausbildung ist ein wichtiger Attraktivitätsfaktor. Auch das machen zahlreiche Eingaben deutlich. Vor dem Hintergrund der einschlägigen Klagen sollte der Dienstherr die Chance der Strukturreform unbedingt nutzen, Truppengattungen wie beispielsweise die Instandsetzung oder die Pioniere regional zu konzentrieren, um das Pendeln zum Dienstort und lehrgangsbedingte Trennungen von der Familie so weit wie möglich zu reduzieren.
Ein besonders dringendes Problem im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Dienst ist nach wie vor die Kinderbetreuung. Das Angebot des Dienstherrn in diesem Bereich reicht nicht aus. Bisher gibt es nur einen Betriebskindergarten, und zwar auf dem Gelände des Bundesministeriums der Verteidigung in Bonn.
Auch der Wunsch vieler Soldatinnen und Soldaten nach eigener Betreuung der Kinder kann nicht immer erfüllt werden, weil es an Vertretungen für familienbedingte Vakanzen fehlt und Tele- und Teilzeitarbeit trotz hoher Nachfrage immer noch ein Nischendasein führen. Dabei darf es nicht bleiben. Die Vereinbarkeit von Familie und Dienst ist keine Frage von ein bisschen mehr oder weniger Fürsorge. Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der Verfassung. Das gilt erst recht, wenn der Staat selbst Dienstherr ist.
Sorge bereitet schließlich weiterhin der Sanitätsdienst. Trotz Einrichtung zusätzlicher Dienstposten, Erhöhung von Stellenzulagen und früheren Facharztzusagen konnte der Mangel an Ärzten und Pflegepersonal nicht ausgeglichen werden. Seit mehreren Jahren kann der Sanitätsdienst seinen Auftrag nicht mehr ohne Rückgriff auf zivile Ressourcen, namentlich Vertragsärzte und Fachabteilungen ziviler Krankenhäuser, über die die Bundeswehr selbst nicht mehr verfügt, erfüllen.
Wenn die Streitkräfte vom Einsatz her gedacht werden müssen, dann muss der Sanitätsdienst in der Lage sein, die sanitätsdienstlichen Leistungen, die zur Versorgung der Soldatinnen und Soldaten erforderlich sind, aus eigener Kraft zu erbringen.