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Am Mittwoch, 5. März 2014, hat in Berlin die jährliche Internationale Tourismusbörse (ITB) begonnen. Traditioneller Gast auf dieser Reisemesse ist der Tourismusausschuss des Deutschen Bundestages. Im Mittelpunkt seines Besuchs steht am Donnerstag, 6. März, das parlamentarische Frühstück mit den Vertretern der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), die im Ausland für das Reiseland Deutschland wirbt. Offizielles Partnerland der ITB ist in diesem Jahr Mexiko. Im Interview nimmt Heike Brehmer (CDU/CSU), direkt gewählte Abgeordnete des Wahlkreises Harz in Sachsen-Anhalt, als Vorsitzende des Tourismusausschusses Stellung zu aktuellen Trends im Tourismus und zum Programm während des ITB-Besuchs. Das Interview im Wortlaut:
Frau Brehmer, in der vergangene Sitzungswoche wurde der 17. Tourismuspolitische Bericht der Bundesregierung debattiert. Darin steht, dass der Tourismus in Deutschland zurzeit boomt. Die Tourismusindustrie ist mit rund 2,9 Millionen Beschäftigten einer der größten Industriezweige der deutschen Wirtschaft und erwirtschaftet nahezu 100 Milliarden Euro an Wertschöpfung. Woran liegt das?
Unsere Reisebranche ist insgesamt hervorragend aufgestellt. Wir überzeugen im Preis-Leistungs-Verhältnis durch Qualität und durch exzellenten Service. Daran haben viele in den letzten Jahren gearbeitet. Hinzu kommt, dass die Reisebranche für jeden etwas zu bieten hat. Wir sind in Deutschland sehr breit aufgestellt: Es gibt Angebote für alle Preislagen, Angebote für Familien mit Kindern, Sporturlaub, Wanderurlaub, barrierefreies Reisen, Fitness- oder Wellnessurlaub. Der Gesundheitstourismus ist inzwischen auch ein Thema in der Branche. Da hat sich in den letzten Jahren wirklich viel getan. Die Anbieter haben sich sehr engagiert und erkannt, dass sie nur am Markt bestehen können, wenn sie investieren.
Glauben Sie, dass die Bedeutung dieses Wirtschaftszweigs trotzdem verkannt wird?
Tourismus wird leider oft nur mit Spaß und Freizeit gleichgesetzt, dabei arbeiten die Touristiker hart, damit die Gäste einen schönen Urlaub verbringen können. Dieses Missverständnis spiegelt sich im Image der Branche wider. Tourismus bedeutet eben nicht nur Erholung, sondern auch Broterwerb. Vielen Menschen ist die Bandbreite der Tourismusbranche auch gar nicht bekannt. Sie reicht vom Kanu bis zum Kreuzfahrtschiff, vom Campingplatz zum Fünf-Sterne-Hotel und vom Drachenfliegen zum Weltraumtourismus, um nur einige Bereiche zu nennen. All das trägt zu den erfreulichen Zahlen bei, die Sie ja bereits schon angeführt haben. Tourismus ist ein harter Wirtschaftsfaktor. Dies müssen wir noch mehr nach außen tragen.
Sie haben dieses Jahr den Tourismusausschuss als neue Vorsitzende übernommen. Wie sind Sie dazu gekommen und welche Rolle spielt Reisen für Sie persönlich?
Der Tourismusausschuss ist für mich ja nicht komplett neu, ich bin dort schon seit 2009 Mitglied. Als ich damals in den Bundestag kam, habe ich darum gekämpft, in den Ausschuss zu kommen, denn der Tourismus ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in meiner Heimat. Ich vertrete den Wahlkreis Harz, und der Harz trägt zu ungefähr 40 Prozent des gesamten Tourismus in meinem Bundesland bei. Außerdem ist Tourismus für mich auch persönlich wichtig, da ich aus den neuen Bundesländern stamme. In der DDR konnten wir damals nur beschränkt reisen, und jetzt steht uns die Welt offen. Das hätte ich mir damals vor vielen Jahren nicht ausgemalt. Deswegen ist Reisen für mich auch immer noch ein Stück Freiheit. Nach der Wahl im vergangenen Jahr wurden die Aufgaben neu verteilt und ich wurde zur Vorsitzenden ausgewählt. Hier will ich die gute und harmonische Arbeit der letzten Jahre weiterführen. Ich freue mich wirklich, dass ich mit Klaus Brähmig einen kompetenten Stellvertreter habe. Er hat sehr viel Erfahrung im Tourismusbereich, und wir können uns da gut ergänzen.
Was für einen Schwerpunkt haben Sie sich für Ihr Engagement in diesem Ausschuss gesetzt?
Als Ausschussvorsitzende werde ich die Ziele des Tourismusausschusses, gute Rahmenbedingungen für die deutsche Tourismusbranche zu schaffen und globale Trends aufzugreifen, natürlich weiterhin verfolgen. Dazu gehört auch, dass wir uns als Ausschuss mit den Herausforderungen für die Branche in den kommenden Jahren beschäftigen und immer wieder aktuelle Themen aufgreifen. Für mich persönlich, weil ich aus Sachsen-Anhalt komme, sind die Lutherdekade und das Bauhaus-Jubiläum in den nächsten Jahren zentrale Themen.
Sie sprachen gerade die Herausforderungen der Tourismusbranche an. Welche sind das?
Wichtige Herausforderungen für uns in Deutschland sind die Finanzierung des Tourismus, die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und der Mobilität, gerade im ländlichen Raum, und die Frage, ob wir weiterhin noch mehr innovative und spannende Angebote schaffen können. Was eine besonders große Herausforderung für die Tourismusindustrie sein wird, ist der demografische Wandel und damit verbunden der Ausbildungs- und Fachkräftemangel. Viele Lehrstellen in der Tourismusbranche können wir aufgrund des demografischen Wandels insbesondere in den neuen Bundesländern zum Teil gar nicht mehr besetzen. Für viele ist es unattraktiv, dann zu arbeiten, wenn andere frei haben. Gerade in der Hotellerie oder Gastronomie arbeiten die Leute am Feierabend und an den Wochenenden. Ich habe selbst in der Gastronomie gelernt und weiß, dass es nicht so einfach ist, in dieser Branche zu arbeiten.
Was, glauben Sie, kann man tun, um die Attraktivität der touristischen Berufe zu erhöhen?
Da müssen wir die Branche mit einbinden und überlegen, wie wir die Berufe besser darstellen können. Die Vorteile sind ja da, flexible Arbeitszeiten, abwechslungsreiche Beschäftigung und ein schönes Arbeitsumfeld. Da lässt sich schon etwas machen. Gerade in der Hotellerie hat bereits ein Run auf die besten Köpfe begonnen. Viele nutzen Praktiker- und Schnuppertage in den Schulen und machen dort Werbung. Das lässt sich noch verstärken. Ich denke da immer an das Beispiel des Kochs. Das war zum Beispiel noch vor vielen Jahren ein nicht so beliebter Beruf. Aber dann kamen die ganzen Kochsendungen auf und die Menschen begannen, sich dafür zu interessieren. Mittlerweile ist Koch ein sehr gefragter Job.
Gerade ist das Programm zur Stärkung des Tourismus im ländlichen Raum zu Ende gegangen, und das Ergebnis wurde im Ausschuss vorgestellt. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden und sollte das Programm verlängert werden?
Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden und befürworte die Verlängerung des Programms. Allerdings finde ich es schade, dass aufgrund der finanziellen Gegebenheiten nur zehn Roadshows veranstaltet werden konnten. Hier sollte noch mehr passieren, und wir müssen mit dem Programm mehr an die Öffentlichkeit. Deshalb haben wir in unserem Entschließungsantrag zum Tourismuspolitischen Bericht der Bundesregierung gefordert, dass diese Veranstaltungen in diesem Jahr fortgesetzt werden. Die neue Tourismusbeauftragte der Bundesregierung und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Iris Gleicke (SPD), schien im Ausschuss davon auch angetan zu sein, deshalb hoffe ich, dass wir da etwas erreichen können.
Frau Brehmer, am 5. März beginnt in Berlin die Internationale Tourismusbörse (ITB). Was macht für Sie den Reiz dieser Messe aus?
Das Besondere an der Messe ist das Kennenlernen zahlreicher völlig unterschiedlicher Länder und Kulturen. Auf der ITB ist die Welt zu Hause, wie es so schön heißt. Schließlich sind dort Vertreter aller möglichen Länder zugegen. Eine solche Veranstaltung darf man sich nicht entgehen lassen, egal in welcher Funktion. 2004 bin ich als Landrätin zum ersten Mal zur Messe gefahren und war seitdem jedes Jahr auf der ITB. Dieses Jahr besuche ich die Ausstellung als Ausschussvorsitzende, deshalb steht mein Besuch natürlich im Zeichen des gegenseitigen Kennenlernens. Es liegen zahlreiche Anfragen ausländischer Tourismusminister vor und ich will versuchen, so viele Gesprächstermine wie möglich wahrzunehmen.
Was plant der Ausschuss zur ITB?
Wir werden uns am Donnerstag, 6. März, mit den Ausschussmitgliedern zum traditionellen Austausch mit der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) treffen. Die DZT vermarktet den Reisestandort Deutschland im Ausland, und das haben sie sehr engagiert gemacht in den letzten Jahren. Danach ist ein Rundgang über die Messe geplant, bei dem die tourismuspolitischen Sprecher der Fraktionen und ich gemeinsam die Stände zahlreicher Länder besuchen werden. Darüber hinaus wird der Ausschuss am Nachmittag zum 13. Mal einer Persönlichkeit aus der Tourismusbranche die Bleikristallkugel des Tourismusausschusses verleihen.
Welche Trends erwarten Sie von der Messe?
Auf der Messe werden zahlreiche aktuelle Trends der Tourismusbranche vorgestellt. Immer mehr Reisende, vor allem aus den Schwellenländern, besuchen Deutschland, und immer mehr Deutsche machen eine Fernreise. Dazu passt, dass Mexiko dieses Jahr offizielles Partnerland der ITB ist. Ein weiterer Trend ist das Aufkommen immer zielgruppenspezifischerer und erlebnisorientierterer Angebote. Die Menschen fahren eher kürzer, dafür aber öfter im Jahr auf Reisen. All diese Trends greift die ITB mit ihrem Programm auf. Auch barrierefreies Reisen nimmt immer mehr zu, deshalb veranstaltet die ITB am Freitag, 7. März, den Tag der Barrierefreiheit. Der Tourismusausschuss unterstützt diese Aktivitäten und setzt sich dafür ein, dass auch Menschen mit Behinderungen sich frei entscheiden können, wo sie ihren Urlaub verbringen.
(jbb/04.03.2014)