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Die Digitalisierung verändert die Industrie tiefgreifend. In dieser Einschätzung waren sich die am Mittwoch, 6. Mai 2015, zu einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses Digitale Agenda unter Vorsitz von Jens Koeppen (CDU/CSU) geladenen Experten einig. „Die Industrie 4.0 stellt insbesondere den deutschen Mittelstand vor ungeheure Herausforderungen, bietet gleichzeitig aber auch große Chancen“, sagte Bertram Kawlath vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Um das vorhandene Wachstumspotenzial nutzen zu können, brauche es vor allem im Bereich der Bildung, des Breitbandausbaus, der Technologien und der Finanzierungen Unterstützung, betonte der mittelständische Unternehmer.
Angesprochen auf Studien, wonach fast die Hälfte der mittelständischen Unternehmen die Digitalisierung für nicht relevant hält, entgegnete Kawlath, es werde sehr oft Digitalisierung betrieben, ohne dass dies dem Mittelständler ausdrücklich bewusst sei. „Man muss uns da nicht mit dem Schuhlöffel hineinhelfen“, sagte der VDMA-Vertreter.
Einen solchen Schuhlöffel hatte zuvor Prof. Dr. Jörg Müller-Lietzkow von der Universität Paderborn empfohlen. Seine Erfahrungen zeigten ein gewisses Maß an Hilflosigkeit unter Mittelständlern beim Thema Digitalisierung. Dies habe auch damit zu tun, dass die Digitalisierung nur eines von vielen Themen sei, mit denen sich der Mittelstand beschäftigen müsse.
Müller-Lietzkow sprach zugleich von einer Theoriearmut beim Thema Industrie 4.0. Die meisten betriebswirtschaftlichen Theorien stammten schließlich aus einem anderen Industriezeitalter. Wissenschaft und Wirtschaft müssten enger verknüpft werden, so seine Forderung. Bislang werde kaum darüber diskutiert, wie etwa Sharing Economy für Mittelständler nutzbar gemacht werden könnte.
Dass der Mittelstand als Folge der mit der Digitalisierung einhergehenden Konzentrationsprozesse zugrunde gehen könnte, ist aus Sicht von Prof. Dr. Justus Haucap von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf nicht zu befürchten. Die Digitalisierung biete vielmehr auch die Chancen, Barrieren für den Markteintritt einzureißen, sagte er.
Cloud Computing etwa biete die Möglichkeit, hochwertige Software zu nutzen, die sich früher nur große Unternehmen leisten konnten. Haucap, Experte für Wettbewerbsrecht, sagte weiter, das Kartellrecht stehe angesichts der mit Industrie 4.0 einhergehenden Änderungen vor „großen Herausforderungen“. Insbesondere das Teilen von Informationen sorge für ein großes Spannungsfeld zwischen dem Datenschutz und dem Kartellrecht, sagte Haucap.
Mehr Mut zu rechtlichen Grauzonen forderte Prof. Dr. Leonhard Dobusch von der Freien Universität Berlin. Die Politik sollte sich in den meisten Fällen mit groben Leitlinien und Prinzipien begnügen, regte er an. Gleichzeitig sprach er aber von einem Regulierungsdefizit im Bereich der Netzneutralität. Je geringer die Netzneutralität geschützt sei, umso leichter könnten Unternehmen mit starker Marktmacht darüber entscheiden, „welche Innovationen überhaupt eine Chance bekommen“.
Handlungsbedarf sah Dobusch auch in Sachen „Flickenteppich“ beim Datenschutz und dem Urheberecht. „Es wird unterschätzt, welchen Standortnachteil Europa durch die fragmentierte Rechtslage in diesen Bereichen hat“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler.
Auf die Situation von Start-up-Unternehmen ging Robin Tech vom Alexander-von-Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft ein. Bislang, so seine Einschätzung, sei der Mittelstand eher inaktiv, was die Zusammenarbeit mit Start-ups angeht. Dies sei umso unverständlicher, als das junge Start-up-Unternehmen in aller Regel ebenso in Nischen erfolgreich seien, wie auch mittelständische Unternehmen, urteilte Tech. (06.05.2015)