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Über die „Ehe für alle“, also die völlige Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften, hat der Bundestag am Donnerstag, 11. Juni 2015, in einer Aktuellen Stunde debattiert. Dabei zeigte sich deutlich, dass die Trennlinie zwischen Gegnern und Befürwortern nicht zwischen Regierung und Opposition verläuft, sondern zwischen Grünen, Linker und SPD auf der einen und der Unionsfraktion auf der anderen Seite, wie SPD-Redner Johannes Kahrs feststellte. Ebenfalls am 11. Juni hatten Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf (18/5098) in den Bundestag eingebracht, in dem sie die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare fordern.
Caren Lay (Die Linke) verwies auf das Referendum in Irland, in dem sich eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung für diese Gleichstellung ausgesprochen hatte. „Das schönste ist aber, dass dadurch die Debatte neu entfacht wurde. Es wird höchste Zeit, dass sich die Bundesregierung endlich für die Ehe für alle öffnet“, sagte Lay.
Sie warf der Union dogmatisches Denken vor, das sich im Klein-Klein verheddere und hinter den Einstellungen ihrer Wähler zurückbleibe. Die Ehe für alle tue niemandem weh, aber gleichgeschlechtlichen Paaren diese zu verweigern verletze den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, betonte die Linke-Abgeordnete.
Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) stellte klar: „Mein Menschenbild differenziert nicht nach geschlechtlicher Orientierung.“ Eine offizielle und dauerhafte Beziehung habe ihren Wert, unabhängig von sexueller Orientierung. Deshalb habe die Union in den vergangenen Jahren den Abbau von Ungleichheiten auf den Weg gebracht und verhindere keineswegs eine Debatte darüber.
Dennoch verwies sie auf den jahrhundertealten, kulturell geprägten Ehebegriff, zu dem die Verschiedengeschlechtlichkeit als Wesensmerkmal gehöre und äußerte Zweifel daran, diesen Begriff einfach umzuinterpretieren. Begriffliche Unterschiede seien nicht gleichzusetzen mit Diskriminierung, sagte Winkelmeier-Becker und plädierte für eine Aufwertung des Begriffs der Lebenspartnerschaft.
Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Anton Hofreiter, bezeichnete die Debatte innerhalb der Union als „bizarres Schauspiel“. Die Unionsfraktion druckse herum und wolle einfach nicht sagen, was sie gegen eine Öffnung der Ehe habe, weil sie wisse, dass sie im Unrecht sei. Es gehe nun darum, mit der Ehe für alle die „duldende Toleranz“ zu beenden und echte rechtliche Gleichberechtigung herzustellen, forderte Hofreiter.
Er warf der Union vor, ihr Widerstand basiere nicht auf Argumenten, sondern auf Vorurteilen. Diese Position stehe aber im krassen Widerspruch zu der Haltung der Mehrheit der Bevölkerung, die die Öffnung der Ehe befürwortete, sagte er.
Johannes Kahrs (SPD) appellierte an die Unionsfraktion, ihre ablehnende Haltung aufzugeben, da sie sonst von der gesellschaftlichen Entwicklung überholt werde. Lesben und Schwule hätten auf dieses Schauspiel keine Lust mehr, sagte er und warf der Union vor, sich aus rein taktischen Erwägungen und nicht aus Überzeugung gegen die Öffnung der Ehe zu stemmen.
„Frau Merkel bremst, das nehmen wir ihr persönlich übel“, sagte er und verlangte, wie auch Grüne und Linke, die Abstimmung über die Ehe für alle vom Fraktionszwang zu befreien. (che/11.06.2015)