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Haushalte mit geringem Einkommen dürfen sich ab 1. Januar 2016 über mehr Wohngeld freuen. Der Bundestag beschloss am Donnerstag, 2. Juli 2015, mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD die von der Bundesregierung vorgelegte Reform des Wohngeldrechts (18/5324), mit der der Mietzuschuss an die Entwicklung der Einkommen und Wohnkosten angepasst werden soll. Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke enthielten sich der Stimme. Zuletzt wurde das Wohngeld im Jahr 2009 erhöht.
Mit der Novelle soll das Wohngeld für einen Zwei-Personen-Haushalt von bisher durchschnittlich 112 Euro im Monat im Jahr 2012 auf durchschnittlich 186 Euro im Monat im Jahr 2016 steigen. Insgesamt sollen mehr als 866.000 Haushalte von der Reform profitieren, darunter auch 90.000 Haushalte, die bisher auf Leistungen aus der Grundsicherung angewiesen waren. Der Bund stellt 2016 730 Millionen Euro für das Wohngeld zur Verfügung, hundert Millionen Euro mehr als ursprünglich im Finanzplan vorgesehen.
Bundesbauministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD) betonte in der rund 40-minütigen Debatte, es sei „höchste Zeit“ gewesen, das Wohngeld an die zuletzt vielerorts stark gestiegenen Mieten anzupassen. „Das Wohnen in Deutschland muss bezahlbar bleiben“, erklärte sie. Durch die Reform würde das Wohngeld durchschnittlich um 39 Prozent steigen. Weil die Mieten in den Regionen sich sehr unterschiedlich entwickelten, sollen die Miethöchstbeträge, die für die Höhe des Wohngeldes ausschlaggebend sind, zudem regional gestaffelt und in Regionen mit stark steigenden Mieten überdurchschnittlich stark angehoben werden.
Hendricks ging auch auf die von vielen Sachverständigen in der Anhörung vom 10. Juni 2015 geforderte Dynamisierung des Wohngeldes ein und erklärte, dass eine automatische Anpassung der Leistung unter sozialen Gesichtspunkten „natürlich wünschenswert“ sei. Sie machte aber deutlich, dass Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) in dieser Frage eine andere Position vertritt.
Ausdrücklich begrüßte die Ministerin den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen (18/5400), in dem diese fordern, das Wohngeld nicht erst alle vier, sondern schon alle zwei Jahre zu überprüfen. Eine erste Evaluierung soll es daher schon zum 30. Juli 2017 geben, deutlich früher als im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen. Außerdem wird die Bundesregierung aufgefordert, zusammen mit den Ländern die Einführung einer Klimakomponente im Wohngeld prüfen.
Nicht durchsetzen konnte sich die Linksfraktion mit ihrem Entschließungsantrag (18/5401). Darin fordert sie die Bundesregierung auf, den Kreis der anspruchsberechtigten Personen zu erweitern und das Wohngeld in „ausreichender und bedarfsgerechter Höhe“ zur Verfügung zu stellen. So sollte sich der Wohngeldanspruch ihrer Ansicht nach aus der tatsächlich zu zahlenden Bruttowarmmiete ableiten. Menschen mit Anspruch auf Wohngeld sollten nicht mehr als 30 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Bruttowarmmiete aufwenden müssen.
Die baupolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heidrun Bluhm, bezeichnete die Wohngeldreform der Regierung als „Augenwischerei“. Zwar bekämen die Haushalte ab Januar 2016 mehr Wohngeld, aber damit werde „nur aufgeholt, was in den vergangenen Jahren abgespart worden ist“. Das Wohnen sei für viele Menschen seit der letzten Reform 2009 unbezahlbar geworden, gleichzeitig gehe die Zahl der Sozialwohnungen immer weiter zurück.
„Das ganze System hat einen grundlegenden Konstruktionsfehler“, konstatierte Bluhm. „Es schaut nicht nach vorn, schaut nicht in die Zukunft. Es heilt nur die schlimmsten Schäden der vergangenen sechs Jahre.“
Ähnlich urteilte Christian Kühn von Bündnis 90/Die Grünen. Seine Fraktion scheiterte im Plenum ebenfalls mit einem Entschließungsantrag (18/5402), in dem sie unter anderem die Wiedereinführung der 2011 abgeschafften Heizkostenkomponente und die Schaffung einer Klimakomponente gefordert hatte. Mit der Wohngeldreform habe die Regierung eine große Chance vertan, konstatierte Kühn und fügte hinzu: „Die Novelle trägt die Handschrift des Rotstifts von Wolfgang Schäuble und der Haushälter der Großen Koalition.“
Er bezeichnete unter anderem den Verzicht auf die Klimakomponente als „einen großen Fehler“. Gerade sozial schwachen Mietern müsse es ermöglicht werden, in energetisch sanierten Wohnungen zu leben und damit Heizkosten zu sparen.
Die Kritik der Opposition mochte Yvonne Magwas (CDU/CSU) nicht teilen. Mit der Wohngeldreform würden einkommensschwache Haushalte „schnell, wirkungsvoll und treffsicher“ entlastet. Nicht zuletzt profitierten auch die Kommunen, da künftig mehr Menschen, die bisher Grundsicherung erhalten hätten, Anspruch auf Wohngeld hätten. Dieses würde von Bund und Länder jeweils zur Hälfte finanziert.
Allerdings betonte Magwas auch, dass das Wohngeld in regelmäßigen Abständen nachjustiert werden müsse. Deshalb solle eine Überprüfung im Abstand von zwei Jahren ebenfalls gesetzlich verankert werden.
Steffen-Claudio Lemme (SPD) hob besonders die Auswirkungen steigender Mieten für Alleinerziehende, Familien und ältere Menschen hervor. Sie hätten häufig trotz Arbeit ein zu niedriges Einkommen und würden infolgedessen in die Randgebiete von Städten verdrängt. Beim Wohngeld gehe es daher darum, ein menschenwürdiges Leben zu unterstützen.
Ausdrücklich betonte Lemme, dass die aktuelle Reform aber nur ein erster Schritt sein könne. „Wir dürfen bis zur nächsten Reform keine weiteren sechs Jahre vergehen lassen“, warnte er. Außerdem schloss er sich der Forderung Kühns an, dass das Leben in energetisch sanierten Wohnungen nicht allein den Gutverdienenden vorbehalten bleiben dürfe. (joh/02.07.15)