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Es gibt wohl kaum eine Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag, die es derzeit mit so vielen Brennpunkten zu tun hat wie die Parlamentariergruppe „Arabischsprachige Staaten des Nahen Ostens“: IS-Terror, Flüchtlingsströme aus dem syrischen Bürgerkrieg, Nahost-Konflikt. Die Liste ließe sich ergänzen bei genauer Betrachtung der Staaten, zu denen die Gruppe Kontakte pflegt. Insgesamt elf Länder sind es: Bahrain, Irak, Jemen, Jordanien, Katar, Kuwait, Libanon, Oman, Saudi-Arabien, Syrien, Vereinigte Arabische Emirate. Hinzu kommt als zwölfte Region mit Sonderstatus die Arbeitsgruppe Palästinensische Gebiete. Rund vierzig Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen gehören der Parlamentariergruppe an, ihr Vorsitzender ist seit Beginn der laufenden Wahlperiode Michael Hennrich (CDU/CSU). Er arbeitet seit 2002 in der Gruppe mit, weil er mehr über die Kulturgeschichte und die Religionskonflikte in diesen Ländern habe erfahren wollen, wie er im Gespräch berichtet.
„Eines der Kernprobleme ist, eine gewisse Kontinuität reinzubekommen“, sagt Michael Hennrich zur Beziehungspflege zwischen dem Bundestag und den Partnerländern. Die letzte Reise vom 14. bis 20. Februar 2015 führte die Abgeordneten deshalb unter anderem nach Jordanien und Kuwait. „Da lag der letzte Besuch schon mehr als zehn Jahre zurück.“
Zwei mal pro Wahlperiode können die multilateralen Gruppen in die Partnerländer reisen und Gäste aus den Ländern einladen. Das Besondere an den Parlamentariergruppen sieht Hennrich darin, dass sie versuchten, unabhängig von den im öffentlichen Fokus stehenden Brennpunkten, gleichmäßig die Kontakte zu halten. Der Auswärtige Ausschuss etwa arbeite im Gegensatz dazu viel stärker im „Krisenmodus“.
„Ein Besuch in Kuwait zum Beispiel – ein Land das relativ stabil ist – steht jetzt in der Außenpolitik nicht so im Fokus.“ Dort habe man über wirtschaftliche Fragen im Zusammenhang mit dem Ölpreis sowie über Menschenrechte und den Umgang mit ausländischen Hausangestellten gesprochen.
In der kuwaitischen Nationalversammlung ("Majlis Al-Umma") trafen sich die Bundestagsabgeordneten mit dem Vorsitzenden der Kuwaitisch-Deutschen Freundschaftsgruppe, Askar Owaid Al-Enezi, dem Generalsekretär der Nationalversammlung, Adel Musaed Al-Jarallah Al-Khorafi, und weiteren Mitgliedern der Nationalversammlung. Für „gewisse Aufmerksamkeit“ habe gesorgt, dass der deutschen Delegation außer ihm nur Frauen angehörten, erzählt Michael Hennrich. Begleitet wurde er von Gabriele Groneberg und Dr. Simone Raatz (beide SPD) sowie Dagmar Wöhrl und Gabriele Schmidt (beide CDU/CSU).
Beim zweiten Besuchsziel Jordanien stand neben dem IS-Terror die Flüchtlingssituation auf der Agenda. Etwa 600.000 Flüchtlinge sind nach Angaben von Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) aus Syrien nach Jordanien geflüchtet. Die Bundestagsdelegation machte sich ein eigenes Bild in einem Flüchtlingslager in Zaatari, in dem 85.000 Menschen untergebracht sind.
Was er dort erlebte, beschreibt Michael Hennrich als beeindruckend und beschämend zugleich: „Beeindruckend, was für unglaubliche Logistik hinter so einer Einrichtung steckt. Beschämend, wenn man das individuelle Schicksal der Menschen dort sieht. Wir haben Gespräche mit Studenten geführt, die an der Universität in Damaskus waren und dann vor dem Regime Assad geflohen sind und die jetzt seit zwei Jahren in dem Flüchtlingscamp leben, ohne konkrete Aussicht darauf, dass sich ihre Situation wesentlich verbessert.“
Treffen habe es in Jordanien außerdem mit Vertretern beider Parlamentskammern gegeben. Besonders wertvoll sei ein Gespräch mit dem Leiter des Königlichen Hofs gewesen, der als Experte der Arabischen Welt eine komprimierte, zweistündige Lageeinschätzung gegeben habe mit Informationen, die man über das vergleichsweise mühsame Zusammenfügen von Presseberichten niemals sammeln könne, vermutet Michael Hennrich.
Im dritten Reiseziel, den palästinensischen Gebieten, informierte sich die Delegation über den Fortgang des Friedensprozesses. So habe es ein Treffen mit dem Verhandlungsleiter der Fatah gegenüber Israel gegeben.
Der Umgang mit dem Islam in Deutschland und Europa werde in den arabischen Ländern sehr genau beobachtet: „Was wir gespürt haben ist, dass die Länder sich sehr genau mit dem Thema Islamophobie auseinandersetzen.“ Strömungen wie „Pegida“ seien den Gesprächspartnern bekannt gewesen. Daraus würde eine Islamfeindlichkeit abgeleitet. Die Gegendemonstrationen gegen Pegida würden hingegen viel weniger wahrgenommen.
Bekenntnisse deutscher Politiker, der Islam gehöre zu Deutschland, hätten somit auch für ihn eine ganz andere Bedeutung bekommen, berichtet Michael Hennrich, weil sie in den arabischen Ländern eine positive Resonanz erzeugten. Es tue insofern gut, „nicht nur den nationalen Blickwinkel zu haben, sondern die Sicht von außen zu bekommen“. (tk/13.07.2015)